Es war eine Aussage von Donald Trump, die nach der TV-Debatte mit Kamala Harris im September 2024 nicht auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden musste. Mehrmals warnte die Demokratin vor dem Handbuch „Project 2025“, das konservative Aktivisten für Trump verfasst hatten, und dessen radikalen Inhalt. „Ich habe es nicht gelesen. Ich will es nicht lesen, absichtlich. Ich werde es nicht lesen“, sagte Trump, und das war glaubwürdig.

Denn „Project 2025“ umfasst 920 Seiten und liefert in 30 Kapiteln konkrete Empfehlungen, die der republikanische Präsident umsetzen soll. Dass Trump – anders als seine Berater – ein solches Dokument anrührt, gilt als ausgeschlossen: Der 45. und 47. US-Präsident liest selten mehr als eine halbe DIN-A4-Seite.

„Die Konservativen haben nur zwei Jahre und eine Chance, um es richtigzumachen“

Anders tickt David A. Graham. Wie viele Journalisten hatte auch der Reporter des Magazins The Atlantic nur kurz in das Handbuch hineingesehen, als es 2023 kostenlos auf der Website der Heritage Foundation erschien. Doch nach Trumps Wahlsieg vertiefte sich Graham in „Project 2025“. Sein Buch „Der Masterplan der Trump-Regierung“ kann natürlich nicht exakt abbilden, wie viele Vorschläge schon umgesetzt wurden. Aber für ein deutsches Publikum ist es ohnehin wichtiger, mehr über die Entstehung von „Project 2025“, die wichtigsten Autoren und deren düsteres Weltbild zu erfahren.

Die Schlüsselfiguren heißen Kevin Roberts, Russell Vought und Paul Dans. Sie glauben nicht nur, dass die USA im Niedergang seien und sich in „der Endphase einer vollständigen marxistischen Übernahme des Landes“ befinden. Sie sind überzeugt, dass Trump in der ersten Amtszeit manipuliert wurde, und zwar von „faulen Angestellten, alten Parteidogmen verpflichteten Republikanern und Karrieristen in der Bürokratie“. Also nutzte man die vier Biden-Jahre, um dies zu verhindern.

David A. Graham: Der Masterplan der Trump-Regierung. Wie ein radikales Netzwerk in Amerika die Macht übernimmt. Übersetzt von Stephanie Singh. S. Fischer Verlage, Frankfurt. 192 Seiten, 18 Euro  (im Handel von Mittwoch, 28. Mai, an ).David A. Graham: Der Masterplan der Trump-Regierung. Wie ein radikales Netzwerk in Amerika die Macht übernimmt. Übersetzt von Stephanie Singh. S. Fischer Verlage, Frankfurt. 192 Seiten, 18 Euro (im Handel von Mittwoch, 28. Mai, an). (Foto: S. Fischer)

Dementsprechend besteht „Project 2025“ nicht nur aus der dicken Studie mit Empfehlungen. Es gibt noch drei Teile: Seit 2022 wurde eine Datenbank mit 20 000 Namen angelegt, um nach einem Wahlsieg mehrere Tausend Posten mit Trump-Fans zu besetzen. Da Loyalität wichtiger ist als Expertise, gab es als drittes Element Online-Schulungen für die angehenden Beamten. Der vierte Teil war ein Handbuch für die blitzschnelle Übernahme der Regierung am ersten Tag – dieses wurde bisher nicht veröffentlicht. Aber die Flut an Dekreten, Kürzungen und Anklagen, die die Welt seit dem 20. Januar 2025 erlebt hat, entspricht wohl diesem Plan.

Wie wichtig Tempo ist, verdeutlicht Heritage-Chef Roberts im Vorwort: „Die Konservativen haben nur zwei Jahre und eine Chance, um es richtigzumachen.“ Die Männer hinter „Project 2025“ sehen sich als Revolutionäre, die das US-System umbauen wollen: Die Gewaltenteilung soll reduziert werden, damit der Präsident noch viel mehr Macht erhält. Zudem sollen Ausgaben gekürzt und der Apparat aus bisher parteiunabhängigen Beamten „eingeschüchtert“ werden, damit sie auf juristische Einwände verzichten. Die Strategen ahnen wohl, dass einige Maßnahmen unpopulär sind und die Republikaner bei der Kongresswahl im November 2026 Sitze verlieren dürften. Also müssen möglichst viele Fakten geschaffen werden.

„Christliche Nationalisten“ und ihr Familienbild

Der 49-jährige Jurist Vought bezeichnet sich selbst als „christlichen Nationalisten“ und arbeitet daran, „den Konsens wiederherzustellen, dass wir kein säkulares Land sind, sondern eine christliche Nation, als die wir auch gegründet wurden“. Im Zentrum stehe die Familie aus Mann und Frau, die nach der Hochzeit möglichst viele Kinder kriegen sollen. Der Ernährer ist der Vater, die Mutter kümmert sich um die Erziehung.

Am Ende entscheidet er allein: Donald Trump auf dem Weg ins Weiße Haus.Am Ende entscheidet er allein: Donald Trump auf dem Weg ins Weiße Haus. (Foto: SAUL LOEB/AFP)

Die Autoren wollten zurück in die 1950er-Jahre: „In der Schule werden altmodische Werte und Inhalte vermittelt. Abtreibung ist illegal, Impfungen sind freiwillig, und der Staat ist nur minimal in die Gesundheitsversorgung involviert. Die Regierung geht nur zögerlich gegen Diskriminierung aufgrund rassistischer Vorurteile vor, sofern diese nicht völlig offensichtlich ist.“ Diese Weltanschauung erklärt für Graham die brutale Anti-Trans-Rhetorik: Wer „Geschlechterrollen als streng voneinander abgegrenzt und unveränderlich ansieht, kann die Existenz von Transmenschen (…) nicht anerkennen.“

Grahams schmales Buch bietet einen guten Überblick über die Überzeugungen und Ziele der Trump-Unterstützer und die Widersprüche der verschiedenen Lager – etwa in der Handelspolitik. Die Kapitel zur Außen- und Klimapolitik machen aus europäischer Sicht wenig Hoffnung. Aber auch wenn Tausende nun an der Umsetzung dieser radikalen Agenda arbeiten, werden die wichtigen Entscheidungen nur von einem Mann getroffen: Donald Trump. Und dessen Prioritäten ändern sich bekanntlich schnell.