Stand: 26.05.2025 00:01 Uhr
Thomas Bernhards Texte sind messerscharf, mit galliger Bösartigkeit seziert der österreichische Schriftsteller Mensch und Gesellschaft, so auch in „Holzfällen“. Das wird zusammen mit der Musicbanda Franui auf die Bühne gebracht, erzählt Schauspieler Nicholas Ofczarek.
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In Thomas Bernhards Roman „Holzfällen“ steht die Wiener Abendgesellschaft im Mittelpunkt. Das Ehepaar Auersberger veranstaltet ein „künstlerisches Abendessen“, hat dazu Freunde und Bekannte eingeladen. Die Gäste werden mit zunehmendem Alkoholgenuss ausgelassener, reden über Belanglosigkeiten und Banalitäten. So empfindet das der Ich-Erzähler, der das Spektakel im Ohrensessel sitzend wortreich kommentiert. Man hat die Szene vor sich.
Jetzt ist Thomas Bernhards „Holzfällen“, eine Produktion des Wiener Burgtheaters, zu Gast beim Hamburger Theaterfestival. In der Hauptrolle ist Nicholas Ofczarek. Seit über 30 Jahren gehört er zum Ensemble des Wiener Burgtheaters, vielfach preisgekrönt. Wer ihn einmal gesehen hat, auf der Bühne oder vor der Kamera, wird ihn kaum vergessen: als Danton, Hermann Kafka oder Räuber Hotzenplotz. Dazu gibt es eigene Projekte wie den gefeierten Thomas-Bernhard-Abend „Holzfällen“ mit der Musicbanda Franui. Bevor „Holzfällen“ auf Kampnagel zu erleben sein wird, ist Nicholas Ofczarek zu Gast in NDR Kultur à la carte und spricht mit Katja Weise über seine Arbeit, seine Rolle und Thomas Bernhard.
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Sie lesen und musizieren diesen Text von Thomas Bernhard. Gibt es da ein bestimmtes Outfit, was Sie brauchen?
Nicholas Ofczarek: Ja, ich habe eine bestimmte Brille auf. Ich habe viele Brillen. Das ist eine relativ schräge, seltsame Brille, die ich da trage, aber die trage ich auch privat. Ich habe immer diese eine Brille bei der Lesung auf. Außerdem sind wir alle schwarz gekleidet, nicht sehr festlich. Man schaut uns eher bei der Arbeit zu. Auf dem Herzen tragen wir ein weißes Kreppband. Das hat mich auch erst gewundert. Aber es gab wohl ein Fotoshooting von der Musicbanda Franui, wo man auf den Fotos die Logos auf den T-Shirts gesehen hat. Da stand dann eine Kleidermarke. Das war ein Problem. Ab dem Moment haben sie das immer überklebt. Das ist jetzt das Erkennungszeichen. Wir sehen alle gleich aus. Wir sind sozusagen ein Ensemble.
„Holzfällen“, diesen Roman, den Sie sich jetzt für Ihren Theaterabend bei den Hamburger Theaterfestspielen vorgenommen haben, mit der Musicbanda Franui, ist eine großartige, leidenschaftliche Schimpftirade. Es macht schon beim Lesen wahnsinnig Spaß. Es stellt sich ein richtiger Flow ein. Das Buch ist 1984 erschienen, kurz bevor Sie nach Wien kamen, da war es ein riesen Skandal. Viele Wiener fühlten sich vorgeführt, beschimpft und haben Klage eingereicht. Das Buch wurde verboten. Ich glaube auch nicht zu Unrecht. Es wurde als Abrechnung gelesen, unter anderem auch mit dem Burgtheater, dieser grauenhaften Dichtervernichtungs- und Schrei-Anstalt, der Sie nun schon über 30 Jahre angehören. War das auch für Sie ein besonderer Spaß in diesen Text einzusteigen?
Ofczarek: Wir hatten im vergangenen Herbst, den Antritt einer neuen Direktion. In diesem Roman wird die Direktion des Wiener Burgtheaters beschimpft, die – so Bernhard – nach zwei bis drei Jahren aus der Stadt gejagt wird und nichts mehr wert ist. Das zeugt von einem großen Humor von Herrn Bachmann, dass er das zu Beginn seiner Amtszeit zugelassen hat. Absurd ist, dass das vor 40 oder 41 Jahren solch ein Skandal war. Aber viele Buch- und Stück-Premieren von Thomas Bernhard waren Skandale. Die Bücher haben sich dadurch umso besser verkauft, muss man sagen.
In „Holzfällen“ wurden real existierende Persönlichkeiten mit anderen Namen benannt und beschrieben, die sich erkannt und schließlich geklagt haben. Das Buch wurde, glaube ich, für vier oder fünf Wochen verboten und ging dann unter dem Ladentisch durch. Dann hat man sich juristisch geeinigt, wahrscheinlich mit einer Geldsumme oder einer Beteiligung am Buch. Dann hat das einen rasenden Absatz erzielt.
Das ist absurd, denn heute lacht man darüber. Heute muss man schmunzeln, weil man sich erkennt und sich nicht so angegriffen fühlt, denke ich. Oder die Leute haben sich verändert oder existieren nicht mehr. Aber auch das soll sich der Zusehende denken. Ich stehe nicht so sehr auf Modernismen oder Aktualitäten. Was ist das Aktuelle? Denn so toll ist unsere Zeit nicht, dass man unbedingt immer den Weg ins Jetzt finden muss. Ich bin da eher konservativ.
Das Gespräch führte Katja Weise. Einen Ausschnitt davon lesen Sie hier, das ganze Gespräch können Sie oben auf dieser Seite und in der ARD Audiothek hören.
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26.05.2025 | 13:00 Uhr
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Theater