Neue Rekrutierungstaktik in Russland
Sie wollen Bauarbeiter werden – und landen im Krieg
26.05.2025 – 08:56 UhrLesedauer: 3 Min.
Russisches Rekrutierungszentrum (Archivbild): Werden Bewerber bewusst getäuscht? (Quelle: imago stock&people/imago)
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Russland lockt ahnungslose Bewerber offenbar mit unehrlichen Stellenanzeigen in die Armee. Die suchen meist ganz andere Jobs.
Eigentlich bewerben sie sich als Bauarbeiter, Ingenieure oder Fahrer für humanitäre Hilfsgüter – am Ende können sie an der Front in der Ukraine landen: Das russische Verteidigungsministerium geht bei der Rekrutierung von Soldaten neue Wege und täuscht die Bewerber dabei offenbar bewusst, um die Zahlen nach oben zu treiben.
In den Stellenanzeigen steht zunächst nichts davon, dass auch Einsätze auf dem Schlachtfeld möglich sind, berichtet das russische Exilportal „Verstka“. Die Anzeigen sind in den vergangenen Wochen auf zahlreichen russischen Plattformen, insbesondere auf dem Kleinanzeigen-Marktplatz Avito, erschienen.
Eigentlich sollen sie nur im Hinterland arbeiten
Darin wird zwar klar, dass die Arbeitssuchenden für die Armee arbeiten sollen, der genaue Einsatzbereich wird aber offenbar bewusst falsch angegeben. So wirbt Russland explizit mit der Möglichkeit, im Hinterland zu dienen – konkret als Fahrer humanitärer Hilfsgüter, Erbauer von Befestigungsanlagen oder Wächter „neuer Gebiete“.
Dabei sollen die Bewerber eigentlich Teil spezieller Hinterland- oder Ingenieurstruppen werden, so das Versprechen. Einem Bauarbeiter wird in der Anzeige Folgendes versprochen: „Dies ist ein Soldat, der für den Bau, die Verstärkung und die Instandsetzung von Einrichtungen zuständig ist, die die Kampfkraft der Armee gewährleisten.“ Es handelt sich um eine der wichtigsten und angesehensten Spezialitäten, ohne die weder Verteidigungs- noch Angriffsoperationen möglich sind.“
Ein Mitarbeiter der Moskauer Verwaltung berichtet „Verstka“, es gebe eine Quote für die verschiedenen Fachrichtungen. Werde die Quote erfüllt, erteile er den Befehl, den Bewerber in einer bestimmten Fachrichtung speziell auszubilden.
Eine Quelle im Bürgermeisteramt stuft das aber als falsch ein: „Es sind nur Worte – welche Quote, welche Befehle? So etwas existiert einfach nicht.“ Es sei eine „schamlose Täuschung“.
So berichtet „Verstka“ von einem Fall, in dem sich ein Mann als Fahrer bewarb und zunächst in ein zwielichtiges Büro in Moskau bestellt wurde, um einen Einjahresvertrag zu unterschreiben. Schließlich wurde er in das Militärrekrutierungszentrum in der Jablotschkowa-Straße im Norden Moskaus gebracht, wie zahlreiche andere auch.
Ein Einsatz in dem gewünschten Bereich kann dabei gar nicht garantiert werden, erzählt ein Mitarbeiter einer Personalvermittlungsagentur, die die Anzeigen für das Verteidigungsministerium verbreitet. „Eigentlich hängt Ihre Verteilung nicht von uns ab, insbesondere nicht von mir. Verschiedene Betreiber versprechen Ihnen, dass Sie Fahrer werden und dorthin oder dorthin fahren, aber in Wirklichkeit passiert das nicht. Das ist alles nur ein Trick, um mehr Leute anzulocken.“
Er erklärt: „In Wirklichkeit hängt das alles von den Kommandanten der Einheiten ab. Und wenn Sie als Richtschütze eingeteilt werden, gehen Sie nirgendwo anders hin.“ Eine andere Quelle erklärt: „Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Wenn Sie zum Trainingsgelände gebracht werden, landen Sie meistens dort, wo der Kommandant es will.“
Auch der versprochene Einjahresvertrag ist offenbar eine Täuschung, er kann bis zum Ende der russischen Mobilisierung verlängert werden. Obwohl die Bewerber bei der Vertragsunterzeichnung von diesen Details überrascht werden, gibt es laut „Verstka“ kaum jemanden, der den Vertrag ablehnt.
„Das typische Bild einer getäuschten Person ist provinziell, naiv, bewusst ignorant und jemand, der zuvor nicht gedient hat“, beschreibt einer der Verantwortlichen die Bewerber. Meist kämen sie aus Kleinstädten nach Moskau. Die Anwerberagenturen bezahlen dann ihre Anreise und bearbeiten sie, bis sie zustimmen.