Kunsthistorisch gilt nackte Venus nicht als sexistisch

Der Museumsdirektor warnte davor, heutige moralische Maßstäbe auf historische Kunstwerke zu übertragen. „Wenn Sie in die Kunstgeschichte schauen, so ist die Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper – gleich welchen Geschlechts – etwas, was sich über alle Zeiten vollzieht. Daran eine Diskriminierung festzumachen, halte ich für verfehlt.“

Die Skulptur im Grassi Museum stehe exemplarisch für die Auseinandersetzung mit der Antike im Klassizismus und füge sich, so Thormann weiter, hervorragend in das Ausstellungskonzept des Hauses ein.

Skulptur wird im Grassi Museum würdevoll präsentiert

Von dem Vorwurf des Sexismus habe das Museum im Vorfeld nichts gewusst, betonte der Direktor. Man sei lediglich darüber informiert worden, dass die Skulptur zuvor im Eingangsbereich einer Behörde stand.

Als Museum habe man sich bewusst für eine neue Präsentation entschieden: „Als wir die Plastik übernommen haben, stand sie auf einem sehr flachen und unansehnlichen Sandsteinsockel, nur zehn Zentimeter hoch. Damit war ihre Würde und Ausstrahlung nicht wirklich gegeben“, erklärte Thormann.

Wenn man ein Kunstwerk nicht gut präsentiert, kann die Wahrnehmung fehlgeleitet werden, vielleicht in einer Art und Weise, die solche Anwürfe begünstigt

Olaf Thormann, Direktor des Grassi Museums für Angewandte Kunst

Die Skulptur stehe nun auf einem deutlich höheren Sockel und werde gezielt ausgeleuchtet. Ziel sei es, die Figur „würdig und schön“ erlebbar zu machen. „Wenn man ein Kunstwerk nicht gut präsentiert, kann die Wahrnehmung fehlgeleitet werden – vielleicht in einer Weise, die solche Anwürfe begünstigt“, so der Museumsdirektor.

Gehörte einst zur Sammlung von Hermann Göring

Die Bronze-Skulptur ist eine Kopie der berühmten Venus Medici aus Florenz und wurde im frühen 18. Jahrhundert gefertigt. Laut Grassi Museum gehörte sie einst zur Kunstsammlung des nationalsozialistischen Politikers Hermann Göring. Nach Kriegsende sei sie in einem See versenkt und erst 1990 geborgen worden. Heute befinde sie sich im Besitz der Kunstverwaltung des Bundes.

Zuletzt stand die Skulptur im Berliner Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen, wo sie auf Wunsch der Gleichstellungsbeauftragten entfernt wurde.

Quellen: MDR AKTUELL, Grassi Museum für Angewandte Kunst, Kunstverwaltung des Bundes, redaktionelle Bearbeitung: vp