Stand: 26.05.2025 15:34 Uhr
Nach der Messerattacke am Hamburger Hauptbahnhof hat die Tatverdächtige die Tat eingeräumt. Sie soll schon mehrfach polizeilich aufgefallen sein. Das Sicherheitskonzept am Hauptbahnhof steht nun in der Kritik.
Die mutmaßliche Täterin des Messerangriffs am Hamburger Hauptbahnhof hat die Tathandlung vor dem Haftrichter eingeräumt. Das teilte eine Sprecherin der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg auf Anfrage am Sonntag mit. Die Frau ist laut Polizei 39 Jahre alt, besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit und ist ohne festen Wohnsitz.
Unterbringung in psychiatrischer Klinik
Bereits am Sonnabendnachmittag teilte die Polizei mit, dass ein Haftrichter die Unterbringung der Verdächtigen in einer Klinik angeordnet hat. Der Unterbringungsbefehl laute auf versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in 15 Fällen. 15 Menschen waren laut Polizei unmittelbar durch das Messer verletzt worden, drei weitere erlitten andere Verletzungen „beispielsweise durch einen Sturz oder Schock“.Vier der Verletzten schwebten vier zeitweise in Lebensgefahr. Die Verletzten sind im Alter von 19 bis 85 Jahren. Bei drei von ihnen ist bislang bekannt, dass sie aus Niedersachsen stammen, vier weitere sollen aus Bremen kommen.
Nach Angaben von Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) konnten einige der Verletzten die Krankenhäuser inzwischen wieder verlassen. Die vier lebensgefährlich verletzten Opfer befinden sich seit Sonnabend in einem stabilen Zustand.
Frau am Vortag aus geschlossener Einrichtung entlassen
Nach NDR Informationen war die Frau erst einen Tag vor dem Messerangriff am Hauptbahnhof aus der geschlossenen Psychiatrie der Geestland-Klinik bei Bremerhaven entlassen worden. Zum Zeitpunkt der Entlassung habe es keinen medizinischen Befund gegeben, der eine weitere Unterbringung gerechtfertigt hätte, teilte die Klinik mit.
Anfang Mai war die Frau hilflos aufgefunden worden, wie das niedersächsische Gesundheitsministerium mitteilte. Sie sei daraufhin eingewiesen und für drei Wochen in der Geestland-Klinik behandelt worden. Über ihre Krankheit gibt es keine offiziellen Angaben. Laut „Bild“ leidet sie unter paranoider Schizophrenie.
Seit 2021 immer wieder auffällig
Die 39-Jährige soll aus Braunschweig stammen. Das niedersächsische Innenministerium gab am Sonntag bekannt, dass die Frau seit 2021 immer wieder polizeilich aufgefallen sei. „Unter anderem erschien sie mehrfach auf Polizeidienststellen und zeigte dabei deutliche Anzeichen einer psychischen Erkrankung“, so das Ministerium. Im vergangenen Jahr habe die Polizei mehrere Strafverfahren gegen die Verdächtige eingeleitet.
So soll die Frau im Februar auf einem Spielplatz am Hamburger Flughafen gegenüber einem sechsjährigen Mädchen gewalttätig geworden sein, teilte die Staatsanwaltschaft Hamburg mit. Ein von der Polizei hinzugezogener Amtsarzt habe daraufhin ihre Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik angeordnet. Das Verfahren wegen des Verdachts auf Körperverletzung laufe noch.
Polizeikontrolle am Vortag der Tat
In der Klinik sei es dann später zu einem weiteren Vorfall gekommen: So habe Anfang März eine Mitpatientin die 39-Jährige angezeigt, weil diese ihr einen Tritt gegen den Oberschenkel versetzt haben soll. Einen Tag vor der Tat am Hauptbahnhof habe sich die Beschuldigte erneut am Flughafen aufgehalten. Dort sei sie einem Rettungsdienstmitarbeiter aufgrund von Verletzungsspuren im Gesicht aufgefallen. Dieser habe dann die Polizei informiert. Gegenüber den Beamtinnen und Beamten habe die Frau angegeben, während eines Klinikaufenthalts von einem Pfleger verletzt worden zu sein. Da sie keine Strafanzeige stellen wollte und angab, noch am selben Tag nach Paris zu fliegen, habe man sie gehen lassen, sagte die Sprecherin.
Am Tattag selbst sei sie dann erneut am Flughafen aufgetaucht, wiederum mit der erklärten Absicht, nach Paris fliegen zu wollen. „Zu einer entsprechenden Reise kam es jedoch schon deshalb nicht, da sie sich nicht ausweisen konnte“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. „Darüber hinaus kam es im Juni 2023 sowie im März 2024 zu zwei Vorkommnissen im Straßenverkehr, an denen die 39-Jährige als Fahrradfahrerin beziehungsweise als Fußgängerin in strafrechtlich nicht relevanter Weise beteiligt gewesen sein soll.“
Passanten konnten Angriff stoppen
Kurz nach 18 Uhr rückte am Freitagabend ein Großaufgebot der Feuerwehr zum Hamburger Hauptbahnhof aus.
Die Frau war am Freitagabend festgenommen worden, nachdem sie am Bahnsteig wahllos um sich gestochen haben soll. Beim Eintreffen der Polizei hatte sie sich widerstandslos festnehmen lassen. Zwei Passanten konnten nach Polizei-Angaben durch ihr schnelles Eingreifen den Angriff der Frau stoppen. Laut Hamburg Journal handelt es sich bei den Passanten um einen Mann aus Tschetschenien und einen jungen Syrer.
Tat ereignete sich vor wartendem ICE
Polizei und Spurensicherung sind in der Nacht im Einsatz nahe des Tatorts im Hamburger Hauptbahnhof.
Die Tat ereignete sich auf einem Bahnsteig zwischen Gleis 13 und 14 außerhalb der Bahnhofshalle vor einem wartenden ICE. Dort soll die Frau wahllos auf Reisende eingestochen haben. Die Polizei schließt ein politisches Motiv aus.
Insgesamt war die Polizei Hamburg mit 350 und die Bundespolizei mit rund 60 Beamtinnen und Beamten im Einsatz. Feuerwehr und Rettungsdienst waren mit 50 Kräften vor Ort, um die Verletzen zu betreuen.
Gladiator: Waffenverbotszone ist wichtig
Der Hamburger Hauptbahnhof wird täglich von mehr als 500.000 Menschen frequentiert. Im Bahnhof und im öffentlichen Personennahverkehr der Hansestadt ist das Mitführen von Waffen, auch Messern, verboten. Nach der Tat stellt sich nun die Frage, was die Waffenverbotszone bringt.
Dazu sagte der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft, Dennis Gladiator, am Sonntag im Hamburg Journal: „Die Waffenverbotszonen sind wichtig, weil sie für die Polizei erweiterte Kontrollmöglichkeiten bedeuten. Aber diese Kontrollen müssen auch erfolgen können, das heißt, die Polizei muss entsprechend aufgestellt sein“, so Gladiator.
AUDIO: Gladiator zum Messerangriff in Hamburg: Keine hundertprozentige Sicherheit (5 Min)
Kommt KI-basierte Videoüberwachung?
Der Sprecher der Innenbehörde, Daniel Schaefer, sagte, nach so einer Tat komme das ganze Sicherheitskonzept noch einmal auf den Tisch. Man wolle sich genau ansehen, wo man nachschärfen könne. Hundertprozentige Sicherheit gebe es zwar nicht, aber: „Videüberwachung ist ein Teil des Konzepts. Wir erproben bereits am Hansaplatz eine KI-basierte Videoüberwachung, die auffällige Bewegungsmuster erkennt.“
Auch Andreas Roßkopf, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei für die Bundespolizei, forderte bessere Kontrollmöglichkeiten für die Bundespolizei auf Bahnhöfen und den verstärkten Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Kameratechnik, die auch Verhaltenserkennung beinhalte, damit man Verhaltensauffälligkeiten frühzeitig erkennen könne.
Landkreistag: Trotz Verunsicherung normales Leben führen
Der Präsident des Deutschen Landkreistages rief am Sonntag zu mehr Achtsamkeit im öffentlichen Raum auf. „Leider müssen wir lernen, in sämtlichen Lebenssituationen noch achtsamer zu sein – zum Schutz von uns selbst, aber auch zum Schutz anderer“, sagte Achim Brötel. Taten wie die von Hamburg verunsicherten zwar, aber sie dürften nicht dazu führen, dass man deshalb auf das normale Leben verzichtete. Man werde es nie mit letzter Sicherheit vermeiden können, „dass bei irgendjemand die Sicherung durchbrennt und unschuldige Menschen dann zur falschen Zeit am falschen Ort sind“.
Polizei sammelt Hinweise
Die Polizei schaltete ein Hinweisportal frei, in dem Zeuginnen und Zeugen Informationen, Fotos und Videos im Zusammenhang mit der Tat zur Verfügung stellen können.
Weitere Informationen
Am Freitag wurde Muhammad al-Muhammad Zeuge, als am Hamburger Hauptbahnhof eine Frau um sich stach. Gemeinsam mit einem Tschetschenen stoppte er die Angreiferin.
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Großeinsatz von Polizei und Rettungskräften im Hauptbahnhof: Mehrere Menschen schweben nach einem Messerangriff in Lebensgefahr, eine 39-Jährige wurde festgenommen.
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In Hamburg gilt seit 15. Dezember 2024 ein generelles Waffenverbot in allen Bahnhöfen des Nahverkehrs und des Fernverkehrs.
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Dieses Thema im Programm:
Hamburg Journal |
25.05.2025 | 19:30 Uhr