Andris Nelsons und die Oper – das war schon 2016 ein großes Versprechen, als er auf dem Grünen Hügel von Bayreuth die Oper „Parsifal“ von Richard Wagner dirigieren sollte. Nach einem Eklat während der Proben verschwand Nelsons schnell wieder.

Seither macht der Lette sich als Operndirigent rar und fokussiert sich lieber auf Symphonisches. Wenn er eine Oper dirigiert, dann sind es zumeist konzertante Aufführungen.

„Lady Macbeth“ als konzertante Oper

So hielt er es auch mit der „Lady Macbeth von Mzensk“. Diese stellte Nelsons bereits im Tanglewood-Center in Massachusetts, USA mit seinem Boston Symphony Orchestra vor. Seit 2014 ist er dort Chefdirigent und spielte die Oper auf CD ein: neben sämtlichen Sinfonien, Solo-Konzerten und Bühnenmusiken Schostakowitschs.

Eine gewaltige Werkschau wurde das, die Nelsons und die Bostoner Symphoniker auf 19 CDs brannten und die kürzlich erst bei der Deutschen Grammophon herauskam.

Andris Nelsons erstmals im Orchestergraben

In Leipzig nun stieg der Gewandhauskapellmeister nicht nur erstmals in den Graben der Oper, sondern auch in eine Produktion ein, die bereits im Mai 2024 ihre Premiere feierte und nun in der Wiederaufnahme an der Oper aufgeführt wurde.

Die Herausforderung bestand zudem darin, binnen kürzester Zeit mit Gästen wie Kristine Opolais, Pavel Černoch oder Dmitry Belosselskiy ein großes Ganzes zu schaffen. Das gelang Nelsons auf ganz eigene Weise.

Intensive Beschäftigung mit Schostakowitsch

Nach zehn Jahren intensiver Befassung mit dem Oeuvre von Dmitri Schostakowitsch hat Andris Nelsons dessen Musiksprache tief und empathisch im Angang durchdrungen. Er kann meisterhaft Crescendi bauen, die Lautstärke eines Orchesters also schier unbegrenzt steigern, um dann wieder beinah unhörbar-leise Stellen zu zaubern.

Das alles mit einem herrlich-üppig besetzten Gewandhausorchester, plus geteilter Blaskapelle, die aus beiden Logen der Oper spielt. Das tanzt und jubelt, trällert, trommelt und plärrt, geht zuweilen auch bis an die akustische Schmerzgrenze.

Am Ende aber sind es die tieftragischen Momente – das Scheitern einer Liebe oder die schreiende Niedertracht, mit der Menschen Menschen zuweilen behandeln – ,die hängen bleiben. Diese Kontraste schärft Nelsons ungemein, geht dabei punktuell so bedächtig vor, dass der dramatische Fluss zu stocken scheint.

Hochbesetzte Aufführung

Die extra für das Schostakowitsch Festival Leipzig engagierten Sänger sorgten für eine ausverkaufte Oper und eine Prise Star-Feeling. Kristine Opolais zum Beispiel: Für die Ex-Ehefrau des Dirigenten Andris Nelsons ist die Katerina eine Herzensangelegenheit, das spürt man. Diese Sopranistin gibt in jeder Vorstellung alles, auch wenn sie nicht mehr über jeden Spitzenton restlos erhaben ist.

Pavel Černoch macht als ihr Geliebter Sergej Bella Figura und ist sehr dankbar, mal nicht den romantischen Tenor-Lover, sondern eine Figur mit Schattenseiten verkörpern zu können.

Dmitry Belosselskiy überzeugt als Boris

Star des Abends war Dmitry Belosselskiy: Als Schwiegervater Boris grenzenlos unsympathisch, als Bass kaum zu schlagen – solch einen Sänger wünscht man sich in jedem Ensemble.

Dieser Abend ist nicht zuletzt aufgrund der vielen, zu besetzenden Partien eine Ensembleleistung. Insofern Hochachtung vor dem, was Dan Karlström, Ivo Stanchev, Nora Steuerwald, Franz Xaver Schlecht, Matthias Stier sowie Chor und Zusatzchor in der Einstudierung von Thomas Eitler de Lint am Sonntagabend geleistet haben.

Quelle: MDR KULTUR (Bettina Volksdorf), redaktionelle Bearbeitung: gw