Europa ist nicht nur bei der Verteidigung weitgehend abhängig von den USA. Auch digital ist es mit der Souveränität des Kontinents – noch – nicht weit her. Im Gegenteil: Zuletzt wuchs sogar noch die Abhängigkeit von Unternehmen aus den USA und auch China. Gerade auch die öffentliche Verwaltung funktioniert in Deutschland zum sehr großen Teil nur mit US-Technologieanbietern.

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Aber was passiert, wenn Donald Trump beispielsweise demnächst auf die Idee kommt, als Druckmittel bei Verhandlungen US-IT-Unternehmen per Executive Order zu verbieten, die Infrastruktur in Deutschland und Europa aufrecht zu halten? Europa hätte dem, Stand heute, nicht viel entgegenzusetzen.

Und auch wenn dies ein sehr dramatisches Szenario sein mag, die aktuellen geopolitischen Krisen machen mehr als deutlich, wie gefährlich derartig einseitige Abhängigkeiten sind. Für unsere Rubrik „3 auf 1“ haben wir deshalb drei Expert:innen gefragt, wie Europa unabhängig werden kann von Big Tech. Alle Folgen der Rubrik finden Sie hier.

Fünf Ideen für Europas digitale Zukunft

Alexandra Geese ist stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament. Sie sagt: Solange Trump und Musk auf europäische Daten von Verwaltung, Polizei und Industrie zugreifen und Waffensysteme zur Verteidigung der NATO-Grenzen abschalten können, ist Europa nicht souverän, sondern eine Kolonie Trumps.

Wer Europas Zukunft sichern will, muss jetzt in digitale Unabhängigkeit investieren. Solange Trump und Musk auf europäische Daten von Verwaltung, Polizei und Industrie zugreifen und Waffensysteme zur Verteidigung der NATO-Grenzen abschalten können, ist Europa nicht souverän, sondern eine Kolonie Trumps.

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Fünf Ideen für erste Schritte: Es braucht ein „Buy more European“-Prinzip für die Cloud. Öffentliche Investitionen müssen europäische Anbieter stärken und keine Cloud von Microsoft oder Amazon. Ein Souveränitätsfonds für Halbleiter, KI-Chips und sichere Netze. Mehr privates europäisches Kapital für die europäische Digitalindustrie.

Künstliche Intelligenz Was muss Deutschland tun, um nicht abgehängt zu werden?

Kartellrechtliches Vorgehen gegen das Google-Monopol auf dem Online-Werbemarkt und Aufbau eines fairen Marktes für Online-Werbung in Europa. Hier entstehen die mehrstelligen Milliardengewinne, die aktuell in die amerikanische KI-Industrie abfließen. Und: Beim aktuellen Aufbau von Verteidigungskapazitäten müssen auch digitale Technologien in Mittelpunkt stehen.

Das digitale Europa ist besser als sein Ruf. Wir haben Talent, hervorragende Ausbildung und Forschung und eine solide Industrie. Jetzt braucht es politischen Willen.

Fokus auf Schlüsseltechnologien wie Halbleiter, KI und Quantencomputing

Ralf Wintergerst ist Chef des Banknotendruckers Giesecke+Devrient und Präsident des Branchenverbandes Bitkom. Er sagt: Die technologische Basis für digitale Souveränität ist vorhanden. Jetzt braucht es Förderung und eine Regulierung, die Innovationen ermöglicht. 

Europa muss digital unabhängiger werden – nicht durch Abschottung, sondern durch den gezielten Aufbau eigener Stärken. 90 Prozent der deutschen Unternehmen könnten ohne Digitalimporte vor allem aus den USA und China nicht überleben. Diese Abhängigkeit ist geopolitisch riskant und macht wirtschaftlich wie politisch verwundbar.

Digitale Souveränität muss daher zu den Zielen der Regierungsführung gehören. Souveränität heißt nicht Autarkie, sie bedeutet: eigene Fähigkeiten in Schlüsseltechnologien wie Halbleitern, KI, Quantencomputing und IT-Sicherheit aufzubauen und selbstbestimmt entscheiden, von wo man Technologien bezieht.

Rasante Entwicklung unterschätzt Europa hinkt bei der Chip-Produktion weit hinterher

Europa braucht ein starkes Halbleiter-Ökosystem, eigene Super- und auch Hyperscaler und mehr leistungsfähige Rechenzentren. Die technologische Basis ist vorhanden. Jetzt braucht es Förderung und eine Regulierung, die Innovationen ermöglicht. Das Digitalministerium sollte ein Selbstverständnis als Ministerium für digitale Souveränität entwickeln. Die nächsten Jahre sind entscheidend.

Big Tech hat kein Interesse an einem selbständigeren Europa

Cristina Caffara ist Wettbewerbsexpertin und Leiterin der Euro Stack-Initiative. Sie sagt: Wir wollen Europas Status als „Kolonie“ in Sachen digitaler Infrastruktur ändern, und das besorgt die großen Tech-Unternehmen.

Der „Euro Stack“ ist eine freiwillige Initiative, die etwas an Europas Status als „Kolonie“ in Sachen digitaler Infrastruktur ändern will. Das besorgt die großen Tech-Unternehmen, die merken, dass Europa entschlossen ist, selbstständiger zu werden.

Sie versuchen gerade alles, um europäischen Kunden und Regierungen zu versichern, dass man sich auf sie verlassen kann und dass sie uns nie im Stich lassen würden. Sie sagen, dass sie die Trump-Regierung verklagen würden, wenn die sie auffordern würde, ihre Verpflichtungen gegenüber ihren europäischen Kunden zu brechen. Diesem Versprechen kann man nicht glauben.

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Das Lobbying hat stark zugenommen: „Digitale Souveränität würde dem Wachstum in Europa schaden“, heißt es, oder „Europa fehlen die Produkte, um mit US-Anbietern mitzuhalten.“ Das ist alles Propaganda, der wir widerstehen müssen. Die digitale Zukunft Europas liegt in unseren Händen. Unsere Regierungen und Institutionen müssen unsere digitale Industrie unterstützen. Die Alternative ist, eine „digitale Kolonie“ zu bleiben und unser Potenzial nie wieder zu realisieren.