Die zehnteilige Zeitreise zum 30. Jubiläum von WELT.de – was bewegte die Menschen in den ersten Jahren unserer Online-Zeitung? Heute: 1999. Ein neues Kapitel in George Lucas‘ Sternenkriegs-Saga. Das Columbine-Massaker. Und eine neue Handy-Technologie als große Innovation.

Vor 30 Jahren ging WELT.de online, und das Jubiläum nehmen wir bei WELTGeschichte zum Anlass, auf die Ereignisse zurückzublicken, welche die ersten zehn Jahre prägten: Was waren in der ersten WELT.de-Dekade jeweils der Lichtblick, der Schock und die Innovation des Jahres?

Heute: 1999. Viele Themen machten jenes Jahr zu einer ereignisreichen Zeit, darunter das Eingreifen der Nato im Kosovo-Krieg, bei dem ausgerechnet ein Grüner erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg deutsche Truppen zum Kämpfen ins Ausland schickte.

Auch die Parteispendenaffäre der CDU, die Wahl von Hugo Chávez zum Staatspräsidenten von Venezuela, der Militärputsch von Pervez Musharraf in Pakistan und die Nato-Osterweiterung, bei der Polen, Ungarn und Tschechien dem westlichen Militärbündnis beitraten, fanden viel Aufmerksamkeit.

Doch am meisten blieb das Jahr wohl als das letzte des 20. Jahrhunderts in Erinnerung, bei dem alle Augen auf das anstehende „Millenniums-Silvester“ gerichtet waren. Obwohl das neue Jahrtausend ja aufgrund des Nichtvorhandenseins eines Jahres Null eigentlich erst 2001 und nicht schon im Jahr 2000 begann, was aber 1999 keinen davon abhielt, aufwendige Millenniumsfeiern akribisch vorzubereiten.

In die allgemeine Partystimmung mischten sich allerdings auch große Sorgen, vor allem unter Informatikern. Denn sie trieb der „Y2K“-Bug um, der drohte, beim Jahreswechsel von 1999 zu 2000 weltweit Computer lahmzulegen und so ein globales Chaos anzurichten.

Milliarden wurden in die Hand genommen, um Rechner umzurüsten und die Computer-Apokalypse zu verhindern – mit Erfolg: Größere Zwischenfälle blieben aus. Fröhlich feierte die „Spaßgesellschaft“ den Anbruch eines neuen Jahrtausends. Nicht ahnend, dass dieses sehr bald große Verwerfungen mit sich bringen würde.

Lichtblick des Jahres: „Star Wars – Episode I“

Nicht nur für SciFi-Nerds war es das Highlight des Jahres, ach was, des Jahrzehnts! Auch „Normalos“ konnten sich dem globalen Hype kaum entziehen: Nach einer für Fans allzu langen Durststrecke hatte sich „Star Wars“-Schöpfer George Lucas dazu durchgerungen, seine 1983 vorerst vollendete epochale Weltraum-Saga um eine neue Trilogie zu erweitern, die den Weg zum Krieg der Sterne erzählen sollte.

In vielen Städten campierten Kino-Fans bereits Tage vor dem Start von „Star Wars – Episode I: Die dunkle Bedrohung“ vor Kinos, um die besten Plätze zu ergattern, manche erschienen in entsprechenden Kostümierungen. Nach dem Kinobesuch wurden die Läden gestürmt, um sich mit neuem „Star Wars“-Merchandise einzudecken.

An dem Film schieden sich jedoch die Geister. Etliche waren rundum zufrieden, viele andere monierten indes künstlich wirkende Computereffekte oder herbeikonstruierte und holprig erzählte Handlungsstränge und erklärten „The Matrix“ zum gelungeneren SciFi-Fantasyfilm des Jahres.

Dem kommerziellen Erfolg von „Star Wars“ tat dies keinen Abbruch, „Episode I“ wurde ein globaler Hit. Ebenso die beiden weiteren Filme in Lucas‘ Prequel-Trilogie in den Jahren 2002 und 2005.

Schock des Jahres: das Massaker an der Columbine High School

Die blutige Wahnsinnstat sorgte in aller Welt für Entsetzen: An der Columbine High School im US-Bundesstaat Colorado erschossen am 20. April 1999 ein 17- und ein 18-Jähriger zwölf Schüler und einen Lehrer, verwundeten 21 weitere Menschen, bevor die Täter nach Schusswechseln mit der Polizei Selbstmord verübten.

Die beiden Teenager hatten ihre Tat ein Jahr lang geplant und auch Sprengsätze vorbereitet, die aber nicht zündeten. Vor dem Blutbad waren sie durch Gewaltfantasien aufgefallen. Was sie letztlich zu Massenmördern machte, blieb rätselhaft.

Es war nicht das erste tragische und verstörende Schul-Massaker der US-Geschichte, und es sollte nicht das letzte bleiben. Dutzende weitere Blutbäder gab es bis in die Gegenwart.

Jedes Mal äußern sich US-Politiker „betroffen“, senden „thoughts and prayers“, und einige von ihnen fordern, endlich die laxen Waffengesetze Amerikas zu verschärfen. Besitzer von (Maschinen-)Pistolen und Gewehren pochen derweil auf ihr verfassungsmäßiges Recht, Waffen zu tragen. Und dann passiert: nichts. Bis sich der Wahnsinn alsbald wiederholt.

Innovation des Jahres: das erste WAP-Handy

Die Technologie gilt als der Anfang des mobilen Internets für jedermann: Nach ersten Entwicklungen in den späten 1990ern wurden 1999 der 1.1-Standard und dessen Nachfolger 1.2 des Wireless Application Protocol (WAP) veröffentlicht und setzten sich im Markt durch.

In Zeiten langsamer Übertragungsraten und winziger, teils monochromer Handy-Displays optimierte WAP die Webseiten derart, dass sie unterwegs (zumindest einigermaßen) nutzbar waren. Ein Risikofaktor war dabei, dass über WAP auch Bezahldienste ausgeführt wurden, was viele damals ungeübte Nutzer nicht durchschauten: Sie handelten sich teils hohe ungewollte Kosten ein.

Bald waren die meisten Handys mit WAP-Browsern ausgestattet. Mancher verspottete WAP aber als Abkürzung für „Warten auf Besseres“. Nicht ganz zu Unrecht: Die Technologien des mobilen Internets entwickelten sich rasant, und in heutigen Zeiten von Smartphones mit großen Displays und 5G sind die Handys von damals längst Museumsstücke.

Martin Klemrath ist Managing Editor bei WELTGeschichte. Zu seinen Themenschwerpunkten zählen die Geschichte der USA, Technikgeschichte, Kulturgeschichte und Zeitgeschichte.