Liebe Leserin, lieber Leser,
als sich am vergangenen Freitag der Kultursenator, ehemalige und aktuelle Mitarbeiter der HafenCity GmbH sowie Architekten, Stadtplanerinnen und andere Menschen versammelten, um einen Neubau in Sichtweite der Elbphilharmonie einzuweihen, da betraten drei Schülerinnen die Bühne und überbrachten eine schlechte Nachricht. „Auf uns wirkt die HafenCity eher grau, vor allem im Winter“, sagte die 18-jährige Carlotta Friedland: „Und die Einwohner wirken isoliert voneinander.“
Was zwei Dinge zeigt: Erstens, die Jugend von heute ist besser als ihr Ruf. Oder hätten Sie sich in dem Alter getraut, vor einem solchen Publikum Ihre Meinung zu sagen? Ich mich nicht. Und zweitens: Wer vorschlägt, Jugendliche an politischen Prozessen zu beteiligen, muss sich darauf gefasst machen, dass sie Dinge sagen, die man vielleicht gar nicht hören wollte.
Jugendliche stärker in die Stadtentwicklung einzubinden, ist das Ziel des Urbaneo, des Mitmach-Architekturzentrums, das am Freitag eingeweiht wurde. „Wenn es um Öffentlichkeit geht, reden wir viel über Internetplattformen“, sagte Kultursenator Carsten Brosda (SPD): „Was macht Elon Musk mit X? Wie baut Mark Zuckerberg jetzt Facebook um? Die meisten Begegnungen finden aber immer noch in der gebauten Umwelt statt, wo wir uns als Menschen konkret begegnen.“
Das Urbaneo, das am Strandkai gleich neben den Luxuswohnungen des Marco-Polo-Towers liegt, ist selbst ein Beispiel dafür, was möglich ist, wenn Stadtentwicklung nicht allein wirtschaftlichen Interessen folgt. „Auf diesem Filetgrundstück hätte man sich auch hundert andere Sachen vorstellen können“, sagte Brosda: „Aber wir haben gesagt, nein, wir wollen hier einen Ort für Kinder- und Jugendkultur, das ist uns wichtig.“
© ZON
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Schon vor zehn Jahren wurde die Fläche ausgeschrieben, die Eröffnung der Immobilie hat sich seitdem mehrmals verschoben (merke: Nicht nur beim Überseequartier, das morgen eröffnet, gab es Bauverzögerungen. Mehr dazu weiter unten in diesem Newsletter).
Verantwortlich für die inhaltliche Gestaltung des Urbaneos ist der Verein, der auch das Kindermuseum im Osdorfer Born betreibt. Es gibt dort Werkstätten, Sandkisten, einen Lego-Bauraum, ein Trickfilmstudio – auf den ersten Blick sieht das Architekturzentrum wie ein riesiger Spielplatz aus. Und: Es wirkt unfertig, mit nacktem Beton, frei liegenden Lüftungsanlagen und Stahlgerüsten. Diese Optik sei gewollt, sagt Urbaneo-Leiterin Judith Rädlein. „Wir sind nicht fertig, und wir werden nie fertig sein“, sagt sie: „Alles hier ist ständig in Bewegung.“ Das hat das Urbaneo mit der Stadt vor seinen Türen gemein.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in die Woche!
Ihr Oskar Piegsa
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WAS HEUTE WICHTIG IST
Nach der vorerst nicht zustande gekommenen Intendantenwahl beim Norddeutschen Rundfunk (NDR) fordern Personalräte und Redaktionsausschuss ein transparenteres Auswahlverfahren. „Die gescheiterte Wahl belegt deutlich, dass großer Reparaturbedarf besteht“, heißt es in einer Stellungnahme der Personalvertretungen. Gesucht wird eine Nachfolge für den 65-jährigen Senderchef Joachim Knuth. Die einzige Kandidatin für den Job, die frühere Bertelsmann-Managerin Sandra Harzer-Kux, bekam am Freitag nicht die nötige Zweidrittelmehrheit im Rundfunkrat. Warum, erklärt ZEIT ONLINE-Redakteur Götz Hamann hier. Wie es nun konkret beim NDR weitergeht, ist unklar. Die nächste reguläre Sitzung des Rundfunkrats ist Mitte Mai.
Nach
dem Tod des Historikers Thomas Großbölting (Z+) intensivieren
sich die Bemühungen, das Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung
(HIS) zu erhalten. In der vergangenen Woche trafen sich
Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) und Kultursenator Carsten Brosda (SPD) mit Jan-Philipp Reemtsma, dem Mäzen des Instituts, und Wolfgang
Knöbl, seinem Direktor. Das bestätigten Sprecher des HIS und der Kulturbehörde.
Es war das erste so hochrangig besetzte Treffen, Details zum Inhalt wurden
nicht bekannt. Reemtsma hatte im vergangenen Jahr das Ende seines Instituts (Z+) zum Sommer 2028 angekündigt.
Daraufhin hatte sich Thomas Großbölting dafür eingesetzt, das HIS-Archiv mit
Zeugnissen der Sozial- und Protestgeschichte in Hamburg zu halten. Im Februar
starb er unerwartet bei einem Zugunfall.
© Georg Wendt/dpa
Viele Tausend Menschen kamen gestern in die Innenstadt – zu Hamburgs erstem
verkaufsoffenen Sonntag des Jahres. Die Läden waren von 13 bis 18 Uhr
geöffnet, es gab außerdem viele kostenlose Aktionen wie einen Radparcours mit
Holzhindernissen am Gänsemarkt und Yoga-Sessions in der Galleria Passage – die
Aktion stand unter dem Motto „Sport und Gesundheit“. Das nächste Mal an einem
Sonntag öffnen in Hamburg die Geschäfte am 6. Juli, dann mit dem Thema
„Inklusion und Integration“.
Nachricht des Tages
© Andreas Costanzo/imago images
Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel will besser dafür sorgen, dass seine Beamtinnen und Beamten keine rechtsextremen Haltungen entwickeln. Im Interview mit der ZEIT (Z+) nannte er dafür unter anderem mehr Schulungen für die Führungskräfte als eine Möglichkeit. „Wir müssen ehrlich zu uns selbst sein. Es bringt nichts, so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung“, sagte Schnabel vor dem Hintergrund einer Studie, die problematische Haltungen bei vielen Beamten nachweist. Darin zeigten 45 Prozent der über 2.000 befragten Polizisten eine Abwertung von Asylbewerbern und 33 Prozent eine Anfälligkeit für populistische Ideen. Die verantwortlichen Forscherinnen schlossen gegenüber der ZEIT auch rassistisches Handeln von Beamten nicht aus (Z+).
Schnabel habe überrascht, dass laut der Studie fast sieben Prozent der Beamtinnen und Beamten dazu neigten, Verschwörungstheorien zu glauben: „Natürlich muss uns das beunruhigen“, sagte er nun im Interview. Zwar störe ihn an der Debatte, die um die Studie heftig entbrannte, dass aus seiner Sicht „zu schnell pauschal von Rassismus gesprochen“ wurde, denn die entsprechenden Punkte im Fragebogen der Studie ließen solche Schlüsse seiner Meinung nach nicht zu, schon gar nicht für die gesamte Polizei. Europaweit werde etwa über Migrationspolitik diskutiert: „Einen Teil der Asylbewerber kritisch zu sehen, ist deshalb noch lange nicht rassistisch.“ Dennoch gelte es, sich „sehr ernsthaft“ mit den Ergebnissen auseinanderzusetzen.
Im Interview sprach der Polizeipräsident auch erstmals über die Ermittlungen gegen 15 Beamte, die rassistische und naziverherrlichende Chats bei WhatsApp geführt haben sollen. Schnabel sagte, die Inhalte der Chats gingen „weit darüber hinaus“, was er noch als irgendwie vertretbar ansehen würde.
Christoph Heinemann
In aller Kürze
• Nach dem 3:0 Sieg des HSV am Freitag gegen den 1. FC
Nürnberg spielte der FC St. Pauli am Sonntag gegen Borussia Mönchengladbach
1:1. Der Hamburger Sport-Verein steht nun mit 52 Punkten auf dem ersten
Platz der Zweiten Fußballbundesliga, St. Pauli mit 26 Punkten auf dem 15. Platz
der Ersten Bundesliga. Noch stehen sechs Spieltage bevor, doch die Hoffnungen,
dass beide Vereine in der nächsten Saison in der Ersten Bundesliga spielen,
mehren sich • Der Schauspielerin Lina Beckmann wurde am Sonntag
im Ernst Deutsch Theater der renommierte Gustaf-Gründgens-Preis verliehen. Die 43-jährige gebürtige Hagenerin ist seit 2013 am Deutschen
Schauspielhaus in Hamburg • Um die marode Köhlbrandbrücke zu
schonen, gilt seit Sonntag auf der gesamten Überfahrt eine
Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 Kilometern pro Stunde. Die Maßnahme soll laut
Hafenbehörde HPA sicherstellen, dass die Brücke noch die Jahre bis zur
Fertigstellung der neuen Köhlbrandbrücke dem Verkehr zur Verfügung steht – was
nach Einschätzung von Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) im besten
Fall Ende der 2030er-Jahre der Fall sein wird
THEMA DES TAGES
© Christian Charisius/dpa
War diese Baustelle eine Nummer zu groß?
In der Hamburger HafenCity eröffnet diese Woche
das Überseequartier, ein gigantisches Shoppingviertel. Sein Bau war geprägt von
extremem Termindruck, überforderten Kontrolleuren – und fünf Toten. Christoph
Heinemann und Christoph Twickel aus dem Hamburg-Ressort der ZEIT haben zu den
Umständen viel herausgefunden. Lesen Sie hier einen Auszug aus ihrem Artikel:
Wenigstens die Eröffnungsfeier, so hofft der
Investor, soll ganz nach Plan laufen.
Mit einer „exklusiven Zeremonie“ wird am Dienstag das Überseequartier
eingeweiht, letztes und prominentestes Teilstück der Hamburger HafenCity – ein
riesiges Einkaufszentrum mit eigenem Kreuzfahrtanleger, fast eine Kleinstadt
inmitten der Stadt. Gleich mehrere PR-Agenturen bewerben die Veranstaltung des
Investors Unibail-Rodamco-Westfield. Zuerst spricht Hamburgs Erster
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), um 16 Uhr öffnet dann die Shoppingwelt,
420.000 Quadratmeter groß. 2.000 Arbeiter bauten jahrelang daran.
Fünf von ihnen überlebten diesen Kraftakt nicht; sie verunglückten tödlich
auf der Baustelle des Überseequartiers. Die IG Bau organisiert deshalb für
Dienstag eine Protestveranstaltung mit dem Titel „Ihre Mall – unser Grab“. Man
wolle das gegenseitige Schulterklopfen stören, rund 100 Arbeiter werden
erwartet, um an die Opfer dieses riesigen Projekts zu erinnern.
Schon bald nach Baubeginn kam es zu ersten Unfällen auf der Baustelle. Im
Juni 2023 explodierten Gasflaschen auf dem Dach des Rohbaus, eine schwarze
Rauchsäule stieg über der Elbe auf. Einige Monate später, am 30. Oktober 2023, brach
ein Gerüst in einem Fahrstuhlschacht zusammen. Fünf Arbeiter aus Albanien
verloren dabei ihr Leben.
Wie gefährlich es auf der
Großbaustelle zuging und warum der Investor Unibail-Rodamco-Westfield die Verantwortung für alle
Vorfälle stets von sich wies, lesen Sie weiter in der ungekürzten Version des
Artikels auf ZEIT ONLINE.
DER SATZ
© Christian Charisius
„Ich
habe nicht geahnt, dass die Sache so schnell so groß wird.“
Durch Zufall entdeckte die Historikerin Celina
Albertz zusammen
mit ihrem Kollegen Christoph Nagel, dass die Stadionhymne des FC St. Pauli einst von einem Mann
mit Verbindungen zum NS-Regime geschrieben wurde. Und dann verbannte der
Fußballclub „Das Herz von St. Pauli“ aus dem Stadion. ZEIT:Hamburg Autorin Anna-Elisa Jakob sprach mit den
beiden – das ganze Interview lesen Sie hier.
DARAUF KÖNNEN SIE SICH FREUEN
Beim
„Flexiblen Schmøkern“ trifft man sich, um an besonderen Orten gemeinsam zu
lesen – die Lesenden bringen ihre Lektüren mit oder schauen, ob sie etwas auf
dem thematisch passenden Büchertisch finden. Die nächste Runde findet diesen
Donnerstag in der Lotsenstube des Deutschen Hafenmuseums statt, dieses Mal ist
das Thema: „Hafenräume und Träume“.
„Flexibles
Schmøkern“, 10.4., 18.30 Uhr Einlass, ab 20 Uhr lockerer Austausch an der
Kaffeeklappe; Deutsches Hafenmuseum, Schuppen 50a, Australiastraße; Eintritt
frei, Spende erbeten; Anmeldung gern unter moin@flexiblesschmoekern.de; Infos auch hier
MEINE STADT
Hammer Baum © Marianna Jarto
HAMBURGER SCHNACK
U1 zwischen Kellinghusenstraße und Lattenkamp: „Seit ein
paar Wochen sendet mir der Kosmos ein Signal.“ – „Und was für eins?“ – „Wenn
ich auf der Treppe zum Bahnsteig bin, fährt der Zug gerade ab. Jeden Morgen,
ungelogen. Ich bin die Erste, die auf den nächsten wartet, ich wäre aber lieber
die Letzte, die ihn gerade noch kriegt – was soll mir das sagen?“
Gehört von Lutz Rehkopf
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