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Dr. Catharina Hamm ist Expertin für Herzgesundheit bei Frauen. © Ursula Sommerlad
Frauen bekommen seltener einen Herzinfarkt, sterben aber öfter daran. Die schlechte Nachricht – es gibt aber auch eine gute. Dr. Catharina Hamm (Bad Nauheim) hat darüber ein Buch geschrieben.
Bei der Vorstellung Ihres Buches in der Asklepios-Klinik Lich war der Saal proppenvoll und der Büchertisch im Anschluss rasch ausverkauft. Woher kommt das große Interesse für Herzgesundheit bei Frauen?
Lange stand dieses Thema gar nicht im Fokus. Ich bin froh, dass es endlich mehr Aufmerksamkeit erlangt. Mittlerweile wird auch in der Öffentlichkeit diskutiert, dass die Sterblichkeit beim Herzinfarkt bei Frauen höher ist und Herzerkrankungen auch bei Frauen Todesursache Nummer eins sind. Insofern habe ich mich sehr über das rege Interesse an meiner Lesung gefreut.
Das Thema wurde lange vernachlässigt. Warum?
Es herrschte der Glaube vor, dass Herzerkrankungen eine typische Männersache sind. Bis heute ist es so, dass Frauen sich mehr vor Krebserkrankungen fürchten und nicht daran denken, dass die Wahrscheinlichkeit, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, viel höher ist. Die Herzmedizin war lange von Männern dominiert und auch die Forschung auf den männlichen Körper ausgerichtet. Bis heute bestehen Forschungsdefizite, zum Beispiel, was die Medikamentenverträglichkeit bei Frauen angeht. Da gibt es weiter großen Nachholbedarf.
Welche Folgen hat das für die Patientinnen?
Die Folgen sind weitreichend. So haben Frauen bei einem Herzinfarkt ein höheres Risiko, daran zu sterben. Viele Zusammenhänge, etwa, wie sich Hormone auf die Herzgesundheit von Frauen auswirken, sind nicht so gut erforscht. Bei Krebstherapien ist die Forschung viel weiter als bei vielen Frauenherz-Themen.
Fehlt es an Bewusstsein?
Ja. Eine Umfrage unter Hausärzten hat ergeben, dass sich nur 22 Prozent sicher fühlen bei der Einschätzung des Herz-Kreislauf-Risikos der Frau. Aber auch unter Frauen ist das Bewusstsein zu gering ausgeprägt. Es ist sogar noch gesunken, wie eine Untersuchung aus den USA gezeigt hat. Die Zahl derjenigen Frauen, die eine Herzerkrankung als Haupttodesursache annahmen, hat in den letzten zehn Jahren um 75 Prozent abgenommen. Hingegen hat sich die Zahl derjenigen, die von Brustkrebs als Haupttodesursache ausgehen, verdoppelt.
Von welchen Herzerkrankungen sind Frauen besonders betroffen?
Da ist natürlich der Herzinfarkt zu nennen, der auch Frauen betrifft. Allerdings erst in einem späteren Alter, so zwischen 60 und 70, also ungefähr zehn Jahre später als beim Mann.
Gibt es auch frauentypische Herzerkrankungen?
Ja. Da ist zum einen eine besondere Art der Herzschwäche, nämlich die Herzschwäche mit erhaltener Pumpfunktion. Sie ist deutlich auf dem Vormarsch, denn sie wird durch Risikofaktoren wie Bluthochdruck begünstigt. Und jede zweite Frau über 60 hat zu hohen Blutdruck. Dann wäre noch das Broken-Heart-Syndrom zu nennen, eine vorübergehende Herzschwäche, ausgelöst durch emotionalen Stress, die zu 90 Prozent Frauen betrifft.
Ein Herzinfarkt wird bei Frauen oft spät erkannt. Woran liegt das?
Die Probleme liegen auf mehreren Ebenen. Zum einen, weil die Frauen ihre Beschwerden nicht richtig einschätzen können und verzögert zum Arzt gehen. Oder auch, weil das medizinische Personal die Lage verkennt. Dann heißt es beim Rettungsdienst oder in der Notaufnahme: Das ist ja eine Frau, es wird schon kein Herzinfarkt sein. Wenn die Diagnose einmal richtig gestellt ist, wird die Frau natürlich schnellstmöglich behandelt. Da gibt es keinen Unterschied zu männlichen Patienten.
Welche Rolle spielen Hormone? Sind Frauen nach den Wechseljahren anfälliger für Herzerkrankungen?
Das Östrogen wirkt schützend auf unsere Gefäße, deshalb sind wir Frauen vor der Menopause ganz gut vor Herzerkrankungen geschützt. Wenn der Östrogenspiegel fällt, steigen die typischen Risikofaktoren, die das Herz gefährden.
Welche Faktoren sind das?
Der Blutdruck steigt nach der Menopause an, ebenso das gefäßschädigende LDL-Cholesterin um bis zu 30 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit für Diabetes erhöht sich, denn Frauen nehmen nach den Wechseljahren häufig ein bisschen zu, gerade beim viszeralen Fettgewebe, das besonders negative Auswirkungen hat.
Sollten Frauen also spätestens in den Wechseljahren verstärkt auf ihre Herzgesundheit achten?
Ich plädiere für einen Menopausen-Herzcheck. Aber den gibt es nicht. Deshalb sollte man zu diesem Zeitpunkt den Check-up beim Hausarzt machen und die Cholesterin- und die Blutzucker-Werte bestimmen lassen. Außerdem sollte der Blutdruck gelegentlich gemessen werden.
Wenn es um die Risikofaktoren geht, sprechen Sie in Ihrem Buch von den »Big Five«. Können Sie die noch einmal kurz zusammenfassen?
Bluthochdruck, deutliches Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 2, hohes Cholesterin, genau gesagt das LDL-Cholesterin, und das Rauchen.
Wie sollte ich leben, um diese Risiken gering zu halten?
Das wichtigste ist natürlich, nicht zu rauchen. Egal, in welchem Alter man ist: Es lohnt sich immer aufzuhören. Alle anderen Risikofaktoren lassen sich durch eine gesunde Lebensweise positiv beeinflussen. Vermeidung von Übergewicht, eine herzgesunde Ernährung und ausreichend Bewegung sind ganz zentral.
Welche Vorsorgeuntersuchungen empfehlen Sie? Und ab wann?
Ich empfehle jeder Frau ab spätestens 30, die genannten Risikofaktoren einmal abklären zu lassen und dann über die Jahre zu beobachten, wie sie sich verändern. Spätestens nach der Menopause sollte man die Werte noch einmal bestimmen lassen. Auch wenn sie vorher alle in Ordnung waren.
Ein Gläschen Rotwein soll gut sein fürs Herz. Stimmt’s?
Nein. Stimmt leider nicht. Rotwein enthält zwar gesundes Resveratrol, aber man müsste ihn literweise trinken, damit die gesunden Effekte zum Tragen kommen. Allgemein gilt: Wer etwas für seine Gesundheit tun will, sollte wenig bis gar keinen Alkohol trinken.
Und was ist mit Kaffee?
Den darf man trinken, wenn man ihn mag und das Koffein verträgt. Kaffee enthält Antioxidantien und gute Gerbsäuren. Zwei bis drei Tassen pro Tag sind auf jeden Fall förderlich für die Herzgesundheit.
Haben Sie eine grundsätzliche Empfehlung für alle, die ihr Herz schützen wollen?
Keine Extreme. Das Herz mag es moderat. Zum Schluss möchte ich noch anmerken, dass auch soziale Kontakte für unsere Herzgesundheit wichtig sind. Also verabreden Sie sich mit Freunden und Familie und genießen Sie die gemeinsame Zeit.
Zur Person
Dr. Catharina Hamm ist seit mehr als 15 Jahren als Kardiologin und Notfallmedizinerin tätig. Die Expertin für Gendermedizin hat die Kardiologie an der Asklepios-Klinik in Lich mit aufgebaut. Sie arbeitet als Oberärztin an der Kerckhoff-Klinik und in einer eigenen Praxis in Bad Nauheim. Ihr Buch »Save your Heart – Starte deinen Weg in ein herzgesundes Leben« ist bei dtv erschien
Tag der Frauengesundheit
Die Gesundheitsbedürfnisse von Frauen stehen im Mittelpunkt des Internationalen Tags der Frauengesundheit am 28. Mai. An ihm beteiligen sich in diesem Jahr auch die Volkshochschule des Landkreises Gießen und die Asklepios-Klinik Lich mit einer Kooperationsveranstaltung im VHS-Haus in Lich. Ab 17 Uhr können Interessierte Vorträge besuchen und in persönliche Gespräche mit den Referentinnen und Referenten gehen. Mit dabei sind Dr. Giovanni Di Favero, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Asklepios-Klinik, sowie Oberärztin Tatiana Pfiffer Favero. Gemeinsam nehmen sie die Krankheitsbilder Endometriose und Blasenschwäche in den Blick und beleuchten darüber hinaus die Wichtigkeit der seelischen Gesundheit. Zudem wird VHS-Kursleiterin Sabine Dörr einen Impulsvortrag zum Thema »Frauen in der Rush Hour des Lebens« halten. Einlass ist ab 16.30 Uhr, der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich