Daniel Altmaier sorgt an Tag zwei der French Open für eine dicke Überraschung. Dabei hilft ihm sein auf allerhöchstem Niveau zusammengestelltes Team – und die Unterstützung von Analyse-Daten.
Es ist schwer, sich der Magie, die ein Grand-Slam-Turnier in den ersten Tagen ausstrahlt, zu widersetzen. Besonders mit einem „Ground Ticket“ ausgestattet, kann man sich problemlos stundenlang über die Nebenplätze der Turnieranlage treiben lassen. Mal hier schauen, vielleicht dort einen bekannten Namen oder ein Talent beobachten und dann weiter. Immer wieder geht der Blick dabei aufs Smartphone, in der Hoffnung, dass auf den zahlreichen Plätzen etwas Interessantes passiert und es idealerweise auf der den meist vollen Tribünen auch noch einen freien Platz gibt.
Am Montagmittag war bei den meisten Zuschauern allerdings noch nicht durchgedrungen, dass auf dem wunderschön gelegenen Court Simonne Mathieu, am äußersten Rand der Anlage im Bois de Boulogne, etwas Besonderes passieren könnte. Hier waren die Ränge anfangs nur spärlich gefüllt. Daniel Altmaier, Nummer 66 der aktuellen Tennis-Weltrangliste, traf auf den Top-10-Spieler Taylor Fritz. Eine klare Sache, würde man meinen.
Wunderschön gelegen: der Court Simonne Mathieu
„Paris ist besonders“
Doch im Laufe des Matches schien sich langsam herumzusprechen, dass sich etwas Besonderes ereignen könnte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Altmaier gerade den dritten Satz gewonnen und war noch einen Satz vom Sieg entfernt. Am Ende stand nach vier Sätzen, und vor inzwischen voll besetzten Rängen, die bislang größte Überraschung des Herren-Turniers.
Vielleicht hätte man das sogar im Vorhinein erahnen können. Denn Daniel Altmaier hat sich in den vergangenen Jahren einen Namen für erinnerungswürdige Matches auf der roten Asche von Paris gemacht. Vor zwei Jahren war er am wohl spektakulärsten Match der 2023er-Ausgabe beteiligt, siegte gegen den damals noch nicht Weltranglistenersten Jannik Sinner in über fünf Stunden.
Im Herbst 2020 gewann er während der Pandemie-Ausgabe in der dritten Runde gegen Matteo Berrettini. Altmaier ist sich der Bedeutung des Grand Slams in der französischen Hauptstadt für seine eigene, oft von Ausschlägen geprägte Karriere bewusst: „Paris ist besonders, weil ich hier schon mal Erfolge hatte. Man kommt mit einer anderen Emotion hierher. Diese Emotion bei einem Grand Slam zu haben, wird für mich langfristig sehr positiv sein.“
Altmaiers Taktik geht voll auf
Gegen Taylor Fritz spielte sich Altmaier dabei zeitweilig in einen Rausch. Die einhändige Rückhand funktionierte von Beginn an. Immer wieder konnte der Deutsche seinen US-amerikanischen Gegner ausmanövrieren. Fritz konstatierte hinterher, dass er es dieses Jahr nicht schaffe, in den entscheidenden Situationen die wichtigen Punkte zu machen: „Neunzig Prozent des Matches habe ich normal gespielt. Doch die letzten zehn Prozent entscheiden das Match – und diese Punkte habe ich nicht gewonnen.“ Fritz bewegte sich schlecht, sein sonst so wuchtiges, gleichzeitig sicheres Spiel war gegen Altmaier wirkungslos. Dessen Spieltaktik war voll aufgegangen.
Daniel Altmaier (l) und Taylor Fritz nach dem Spiel.
Spricht Altmaier über sein Tennis, hört er sich bisweilen an wie ein Projektmanager. In der Pressekonferenz nach dem Sieg sprach er viel über „den Prozess“ und die Struktur, die er seinem Spiel verleihen möchte. Daten, die auch Tennisprofis inzwischen umfassend zur Verfügung stehen, nimmt Altmaier heran, um sein Spiel zu verbessern und erklärt die Herangehensweise mit einem Vergleich: „Im Fußball weiß jeder, welcher Pass gespielt wird. Da hängt Tennis noch zurück, aber es ist so, dass auch die Topspieler nicht von ihrem Spiel weggehen. Du weißt, was der Gegner macht. Man hat durch die Daten mehr Informationen. Und Informationen sind heutzutage Gold, das hilft mir einfach.“
„Team Altmaier“ mit hohen Zielen
Im „Team Altmaier“ wird spanisch gesprochen. Vor einigen Jahren wagte der Kempener den Schritt nach Südamerika, bestreitet seitdem die Saisonvorbereitung dort.
Zwei Trainer, der ehemalige Top-10-Spieler Alberto Mancini und der aus Uruguay stammende Martin Cuevas sind für das Spiel verantwortlich. Ein Fitnesstrainer reist in Vollzeit mit Altmaier, ein Physiotherapeut wird ab der Rasensaison dazukommen. Das Team, das er um sich herum aufgebaut hat, ist jetzt schon eines Spielers aus den vorderen Regionen der Weltrangliste würdig. Dementsprechend sind auch die Ziele hoch gesteckt: „Wenn ich in diesem Rhythmus spiele, werde ich solide in den Top 50 stehen und mein Ziel ist es, bei den Australian Open gesetzt zu sein.“
Dass Altmaier bei den großen Matches in Roland Garros zur Stelle ist, hat er wiederholt beweisen können. Dass er so zu den Attraktionen auf den Außenplätzen gehört, ebenso. Am Mittwoch geht es nun gegen den Tschechen Vít Kopřiva, Nummer 86 der Weltrangliste. Da ist Altmaier Favorit. Vermutlich wünscht er sich bei diesem Aufeinandertreffen jedoch einfach einen schnellen, schnörkellosen Sieg. Selbst wenn die Partie damit nicht zum selben Publikumsmagneten wird wie die gegen Taylor Fritz am Montag.