Multiple Sklerose Rollator

Multiple Sklerose und ihre prognostische Relevanz

Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste nicht-traumatische neurologische Ursache für bleibende Behinderung bei jungen Erwachsenen. Trotz erheblicher Fortschritte in der Diagnostik und Therapie bleibt die Erkrankung mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden. Internationale Studien belegen eine um durchschnittlich 7–14 Jahre verkürzte Lebenserwartung bei Menschen mit MS (pwMS). Bisherige Erkenntnisse zu Mortalitätsraten stammen meist aus älteren oder regional begrenzten Kohorten, was die Einschätzung aktueller Entwicklungen erschwert.

Bessere Diagnostik und Therapie bei MS mit Einfluss auf Mortalität?

Mit der Etablierung krankheitsmodifizierender Therapien (DMTs) in den letzten Jahrzehnten haben sich sowohl die Behandlungsstrategien als auch die Diagnosehäufigkeit verändert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich diese Fortschritte bereits in einer verbesserten Überlebensprognose widerspiegeln. Ebenso unklar bleibt, welche Ursachen den erhöhten Sterblichkeitsraten konkret zugrunde liegen und wie sich Komorbiditäten auswirken.

Nationale Registerdaten als solide Grundlage

Die vorliegende finnische Studie untersuchte über 16.000 pwMS anhand von Daten aus landesweiten Registern zwischen 1971 und 2020. Erfasst wurden u. a. standardisierte Mortalitätsraten (SMR), Übersterblichkeit (excess death rate, EDR), Lebenserwartung und spezifische Todesursachen. Zusätzlich wurden die Auswirkungen des Diagnosezeitpunkts sowie das Vorliegen von Komorbiditäten anhand des Charlson Comorbidity Index (CCI) analysiert.

Mortalitätsrückgang bei MS und Einflussfaktoren

Die zentralen Ergebnisse der Studie sind im Folgenden zusammengefasst:

  • Gesamtmortalität: Die SMR für pwMS sank von 3,07 (1980–1999) auf 2,18 (2000–2020). Die EDR halbierte sich im selben Zeitraum von 14,05 auf 7,48 pro 1.000 Personenjahre.
  • Geschlechtsunterschiede: Frauen wiesen eine höhere SMR auf, Männer hingegen eine höhere EDR.
  • Alter bei Diagnose: Ein jüngeres Alter bei Diagnosestellung war mit einer höheren relativen Mortalität assoziiert.
  • Einfluss der Diagnosejahre: pwMS mit Diagnosestellung in den Jahren 1996–2005 hatten ein signifikant reduziertes Sterberisiko (Hazard Ratio [HR] 0,49) im Vergleich zu früher Diagnostizierten.
  • Lebenserwartung: Die mittlere Lebenserwartung war bei Frauen um 6,7 Jahre und bei Männern um 4,3 Jahre reduziert.
  • Todesursachen: MS war in über der Hälfte der Fälle die zugrunde liegende Todesursache. Darüber hinaus waren gastrointestinale Erkrankungen, Infektionen der Atemwege und vaskuläre Erkrankungen überrepräsentiert.

Ergebnisse zeigen steigende Lebenserwartung bei MS-Patienten

Die Studie belegt eindrücklich, dass sich die Überlebenszeit von pwMS in den letzten vier Jahrzehnten signifikant verbessert hat. Besonders der Zeitraum nach Einführung von DMTs scheint mit einer reduzierten Sterblichkeit einherzugehen – auch wenn ein direkter kausaler Zusammenhang aufgrund fehlender individueller Therapiedaten nicht bestätigt werden kann. Die weiterhin erhöhte Mortalität insbesondere durch vermeidbare Ursachen wie Infektionen oder vaskuläre Komorbiditäten unterstreicht die Bedeutung einer integrierten Versorgung.

Mortalität bei MS: Fortschritte und weiterer Forschungsbedarf

Diese Registerstudie liefert wertvolle Erkenntnisse zum Wandel der Mortalität bei MS. Der Rückgang der SMR und die Verlängerung der Lebenserwartung markieren einen Fortschritt in der Versorgung von MS-Patienten. Gleichzeitig bleibt ein erhöhter Handlungsbedarf in der Prävention und Behandlung von Komorbiditäten bestehen. Künftige Forschung sollte insbesondere die langfristigen Auswirkungen moderner DMTs und personalisierter Therapieansätze auf die Gesamtmortalität beleuchten.