Das Bundeskriminalamt ist am Dienstag mit einer Razzia gegen Mitglieder eines prorussischen Vereins wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland vorgegangen. Die Ermittler durchsuchten mehrere Objekte in Berlin und Brandenburg. Im Visier haben sie den Verein „Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe“.

Beamte durchsuchten den Vereinssitz in Berlin-Friedrichshain am Franz-Mehring-Platz. Dort teilte sich der Verein im alten Gebäude des SED-Zentralorgans „Neues Deutschland“ ein Büro mit einem Dachverband von DDR-Nostalgikern. Im brandenburgischen Zernsdorf, einem Stadtteil von Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) südöstlich von Berlin, rückten schwer bewaffnete Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) und Spezialkräfte an. Auch in Wandlitz (Barnim) und in Höhenland (Märkisch-Oderland) war das BKA im Einsatz.

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Die Ermittlungen führt der Generalbundesanwalt. Konkret geht es nach Angaben einer Sprecherin um den Vorwurf des Sammelns von Geldern und das Organisieren von Gütertransporten in die ukrainischen Regionen Luhansk und Donezk.

Vorstandsmitglieder sollen seit 2015 Spenden, Waren und Transporte organisiert haben. Die Waren sollen an die prorussischen Milizen der sogenannten prorussischen Volksrepubliken gegangen sein, die inzwischen von Russland besetzt sind.

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Das Ortseingangsschild von Zernsdorf, einem Ortsteil der Stadt Königs Wusterhausen.

© dpa/Patrick Pleul

In den Regionen entfesselten von Russland unterstützte Separatisten 2014 einen blutigen Krieg um eine Unabhängigkeit von der Ukraine. Russland erkannte die Republiken Anfang 2022 als eigenständig an und entsendete offiziell Truppen dorthin. Wenig später begann der Invasionskrieg gegen die Ukraine. Die zunächst von Russland anerkannten, aber inzwischen annektierten Separatistengebilde, die Volksrepubliken Donezk und Luhansk, werden von den deutschen Sicherheitsbehörden als ausländische terroristische Vereinigungen eingestuft.

Festgenommen worden sei bei der Aktion des BKA am Dienstag niemand, sagte die Sprecherin. Gegen wie viele Personen ermittelt wird, wollte die Sprecherin nicht sagen. Nach Tagesspiegel-Informationen lagen Haftbefehle gegen zwei Vorstandsmitglieder vor – gegen Klaus K. aus Zernsdorf, der Güter über ein Firmengeflecht nach Russland geschafft haben soll, und Liane K. aus Wandlitz.

Die Beamten trafen den 74-Jährigen und seine 52-jährige Mitstreiterin jedoch nicht an. Beide halten sich in Russland auf. Dort erreichte der Tagesspiegeln Liana K. am Dienstag telefonisch. Sie wollte sich jedoch nicht weiter zu den Durchsuchungen äußern.

K. hat nach eigene Angaben in Moskau „politisches Asyl“ beantragt. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass meldete im April: „Putin verleiht der deutschen Antifaschistin Liane K. die russische Staatsbürgerschaft“. Sie werde in Russland „als politischer Flüchtling leben”.

Vor drei Jahren tauchte ein Foto auf, das Vorstände der „Friedensbrücke“ vor einem LKW mit einem großen „Z“ zeigte, dem Zeichen des russischen Angriffskriegs. Gemeinsam mit Funktionären der russisch besetzten Gebiete hielten sie eine Flagge der nicht anerkannten „Volksrepublik Donezk“. Das hatte Folgen: Im September 2022 soll das zuständige Finanzamt laut „B.Z.“ wegen der „politischen Tätigkeiten außerhalb der Satzung“ die Gemeinnützigkeit aberkannt haben.

Liana K. postet auf ihrem Telegram-Kanal aktuell aus Russland. Am Montag berichtete sie dort von einem Transport und bedankte sich, denn die „finanziellen Spenden“ seien „in Russland angekommen und werden für die weitere Donbasshilfe verwendet“.

Vereinsversammlung im NVA-Atombunker

Die Staatsschutz-Ermittler des BKA sollen auch die Wohnung des Kassenwarts des Vereins durchsucht haben. Gegen ihn wird nicht ermittelt. Er lebt auf dem Gelände eines Vereins, der in einem alten NVA-Atombunker ein militärhistorisches Museum betreibt. Dort hielt der Verein „Friedenshilfe“ im Dezember 2023 auch eine Jahreshauptversammlung ab.

Liane K. verbreitet in ihrem Telegram-Kanal Berichte des russischen Militärs über die Kriegserfolge in der Ukraine. Sie war nach Angaben des Vereins zuletzt im Oktober 2023 in der russischen Hauptstadt Moskau. Dort bereitete sie demnach „den nächsten Transport“ vor. Im Mai 2024 berichtete sich von der Beladung eines 20-Tonnen-Transportes mit „humanitärer Hilfe für Donezk“. Sie schrieb mit „solidarischen Grüßen“: „Ich werde vor Ort sein und die Hilfe in Donezk verteilen.“

Der Verein „Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe“ veröffentlichte dieses Foto von einer Lieferung in die Region Donezk.

© „Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe e.V.“

In den vergangenen Jahren hat der Verein häufig Lkw von Moskau aus gechartert, um die Güter, darunter nach eigenen Angaben Kleidung, Hygieneprodukte, Stromgeneratoren und Medikamente in die von Russland besetzten Gebiete in der Ukraine zu bringen.

Laut dem russischen oppositionellen Medium „The Insider“ soll der Verein auch sogenannte Dual-Use-Güter in die besetzten Gebiete transportiert haben. In einem Beispiel ist von Schmieröl die Rede, dass russische Soldaten im Donbass dringend brauchten und von der „Friedensbrücke“ geliefert worden sein soll.

Anwohner bemerken Kleinbusse mit getönten Scheiben

In Zernsdorf waren am Dienstag neben schwer bewaffneten Beamten auch Kriminaltechniker des BKA im Einsatz. Beamte der Brandenburger Polizei, darunter Spezialeinsatzkräfte (SEK), unterstützten die Ermittler des BKA. Im Ort fielen einigen Frühaufstehern schon vor 6 Uhr die Kleinbusse mit getönten Scheiben auf: Einsatzkräfte des Bundeskriminalamtes bezogen Stellung, dann erfolgte der Zugriff.

Die Polizei durchsuchte ein Einfamilienhaus in Zernsdorf.

© dpa/Patrick Pleul

Die Beamten durchsuchten ein Einfamilienhaus. Im Ort, sagte ein Einwohner, habe es in den letzten zehn Jahren viel Zuzug gegeben – man kenne sich in der Nachbarschaft mitunter nicht mehr. Drei Kriminaltechniker mit Boxen in der Hand seien auf der Ortsstraße zu sehen gewesen.

Dass der Generalbundesanwalt in dem Verfahren ermittelt, deutet bereits auf die Schwere der Vorwürfe hin. Die Bundesanwaltschaft ist zuständig bei Staatsschutzdelikten wie Mitgliedschaft in einer inländischen oder ausländischen terroristischen Vereinigung, Spionage und Landesverrat.

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Unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich der „besonderen Bedeutung“ eines Falls, übernimmt die Bundesanwaltschaft auch die Ermittlungen bei anderen staatsschutzrelevanten Straftaten. Dazu zählen etwa die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat oder die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Entscheidend ist, ob die Tat von einer sogenannten „besonderen Bedeutung“ ist.

Bei anderen Taten wie Mord, Totschlag, Geiselnahme oder schwerer Brandstiftung greift der Generalbundesanwalt ein, wenn eine „besondere Bedeutung“ vorliegt, aber zudem eine Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit der Bundesrepublik oder ihrer Verfassungsgrundsätze vorliegt.