Es wird nicht klappen. Da ist sich die Lehrergewerkschaft GEW ziemlich sicher. Am Dienstag, dem 27. Mai, verkündete der sächsische Kultusminister Conrad Clemens das abschließende Maßnahmenpaket für Schulen in Sachsen. Die Bildungsgewerkschaft GEW Sachsen wirft dem Kultusminister Ignoranz in der Diskussion um Bildungsqualität und Unterrichtsabsicherung vor.

Und Clemens hofft, dass er mit seinen Maßnahmen den Stundenausfall wenigstens halbieren kann. Nach der Veröffentlichung eines Entwurfs am 11. März hat er nun auf der Kabinettssitzung am 27. Mai das finale Maßnahmenpaket vorgestellt. Dem vorausgegangen waren mehrere Anhörungen sowie zahlreiche Beratungen mit Schulleitungen, Lehrkräften, Gewerkschaften, Verbänden und Fachpolitikern.

Gegenüber dem Entwurf gibt es zwei wichtige Änderungen, teilte das Kultusministerium mit:

1. Die Altersermäßigung, die aktuell ab dem 58. Lebensjahr greift, wird künftig ab dem 60. Lebensjahr gewährt und nicht wie ursprünglich vorgesehen ab dem 63. Lebensjahr. Damit wird das Anliegen zahlreicher Lehrkräfte aufgegriffen.

2. Die Änderung der Sächsischen Lehrkräfte-Arbeitszeitverordnung, die u.a. die Altersermäßigung betrifft, wird bis zum 31. Januar 2030 evaluiert und tritt zum 31. Juli 2030 außer Kraft. Damit wird verdeutlicht, dass die Maßnahmen in der aktuellen Situation mit hohem Unterrichtsausfall notwendig, aber zeitlich begrenzt sind.
Zugleich sollen bereits zum neuen Schuljahr mehrere Entlastungen für Lehrkräfte auf den Weg gebracht werden, darunter die Reduzierung der Klassenarbeiten und Klausuren, der Ausbau des fächerverbindenden Lernens und die Einführung des digital gestützten Selbstlernens an Oberschulen und Gymnasien im Umfang von 15 Unterrichtsstunden.

„Diese Entscheidung war nicht leicht, aber sie war notwendig. Dass derzeit an manchen Schulen jede fünfte Unterrichtsstunde ausfällt, ist eine große Ungerechtigkeit gegenüber den betroffenen Schülerinnen und Schülern. Dieses Maßnahmenpaket ermöglicht eine Trendumkehr und sorgt dafür, dass wieder mehr Unterricht stattfinden kann“, sagte Conrad Clemens.

„Ich danke allen, die sich in den letzten Wochen und Monaten konstruktiv in die Diskussion um eine bestmögliche Lösung eingebracht haben. Wir haben viele Runden gedreht, oft miteinander gesprochen. Jetzt war die Zeit zur Entscheidung, damit wir bereits im neuen Schuljahr einen spürbaren Effekt erzielen.“

Mindestens 1.400 Lehrerinnen und Lehrer fehlen

Ob es mit den Maßnahmen zu einer Trendumkehr kommt, steht aber in den Sternen. Denn der massive Unterrichtsausfall in Sachsens Schulen hängt schlicht mit dem Fehlen hunderter Lehrkräfte zusammen. Die Zahle bestätigte das Kultusministerium am Dienstag selbst: „Im ersten Schulhalbjahr 2024/2025 lag der Anteil der ausgefallenen Unterrichtsstunden am Gesamtstundensoll bei 9,4 Prozent. Das ist ein Anstieg von 0,6 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Je nach Schulform und Region gibt es zum Teil deutlich mehr Unterrichtsausfall. Aktuell fehlen sachsenweit mindestens 1.400 Vollzeitlehrkräfte.“

Maßnahme ohne Zustimmung der Betroffenen

Das Problem nun auf dem Rücken der vorhandenen Lehrkräfte zu lösen, könne so nicht funktionieren, stellt die GEW fest.

„Der Kultusminister hat mit seinen Maßnahmen weder eine öffentliche Mehrheit noch Unterstützung in der Bildungspolitik. Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schüler haben die Vorschläge massiv kritisiert. Tausende haben sich auf fünf Demonstrationen lautstark gegen die Maßnahmen ausgesprochen. Sowohl im Landtag als auch in der öffentlichen Berichterstattung hagelte es Kritik“, meldete sich am Dienstag Burkhard Naumann, Vorsitzender der GEW Sachsen, zu Wort.

„Doch Conrad Clemens reagiert mit der vollen Wucht der Ignoranz. Statt auf die Verhandlungsangebote einzugehen und die Maßnahmen grundlegend zu überarbeiten, gab es nur Scheinbeteiligung und strategisches Geschacher. Immerhin war er durch unseren Druck zu Anpassungen gezwungen. Die Ignoranz des Kultusministers gegenüber dem öffentlichen Diskurs ist nicht nur ein Bärendienst an der Demokratie. Das Gesamtpaket wird die Schulbildung in Sachsen nachhaltig beschädigen. Wir sind wütend!“

Die GEW Sachsen hatte im Zusammenhang mit dem Maßnahmenpaket zu fünf Demonstrationen aufgerufen: Am 8. April in Leipzig mit 1.500 Demonstrierenden, am 9. April in Chemnitz beteiligten sich 800 Lehrkräfte, am 10. April in Dresden demonstrierten 2.000 Lehrkräfte, Schüler/-innen und Eltern unter Anwesenheit von Kultusminister Clemens, am 14. Mai mit 300 Teilnehmenden in Zwickau sowie am 15. Mai mit 4.000 Demonstrierenden in Dresden.

„Die Umsetzung der Maßnahmen ohne die Zustimmung der an Schule Beteiligten beweist, dass das Kultusministerium fernab der Schulrealität agiert“, kritisierte am Dienstag Claudia Maaß, stellvertretende Vorsitzende der GEW Sachsen. „Keine der Maßnahmen löst die Probleme des eklatanten Personalmangels und des hohen Unterrichtsausfalls. Stattdessen führen sie zu noch mehr Belastung und verschlechtern die schulischen Arbeitsbedingungen und die Bildungsqualität in Sachsen. Die enthaltenen Entlastungen sind dagegen nur leere Versprechen ohne Umsetzungspläne und ohne Finanzierung.

Es bleibt noch weniger Zeit für guten Unterricht und für die Schülerinnen und Schüler. In diesem Zustand sinkt die Attraktivität weiter und es werden sich noch weniger Menschen für den Beruf begeistern können, während ältere Lehrkräfte schneller in den Ruhestand wechseln als bisher. Dieses Vorgehen zeigt den plumpen Versuch der CDU in Sachsen, von den eigenen bildungspolitischen Fehlern der Vergangenheit abzulenken und die Verantwortung dafür heute auf dem Rücken aller Beschäftigten an den Schulen abzuwälzen.“

Lösungen über die Köpfe hinweg helfen nicht

Unzufrieden zeigte sich am Dienstag auch der Koalitionspartner der CDU in der sächsischen Minderheitsregierung.

„Die Korrektur bei den Altersermäßigungen ist richtig, aber reicht nicht aus. Es bleibt ein fader Beigeschmack, da in den letzten Wochen mehr Änderungsbedarfe aufgezeigt wurden. Viele Probleme wurden zuletzt deutlich, doch der Kultusminister hält an seinem Kurs fest. Ob das reicht, um den Unterricht abzusichern, bleibt abzuwarten. Mehr Mut bei Entlastungen und weiteren Maßnahmen wäre das Gebot der Stunde gewesen“, kritisierte Gerald Eisenblätter, stellvertretender Vorsitzender und Sprecher für Bildung der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, das von Clemens vorgelegte Paket.

„Es braucht im Sommer nicht nur einen Handy-Gipfel, sondern im Herbst einen Schulgipfel. Dort müssen gemeinsam mit Gewerkschaften und Lehrerverbänden die Ergebnisse der Arbeitszeitstudie ausgewertet werden. Ein Alleingang, wie der zum Maßnahmenpaket, darf sich nicht wiederholen. Die Belastung der Lehrkräfte muss ernsthaft diskutiert werden, Arbeits- und Aufgabenverteilung müssen auf den Prüfstand. Die Einführung einer Arbeitszeiterfassung oder freiwillige Arbeitszeitkonten sind sensible Themen – darüber muss im Dialog entschieden werden. Lösungen über die Köpfe hinweg helfen nicht.”