DruckenTeilen
Im Rampenlicht: Frau Kilian zeigt bei der Bandprobe ihre Tanzkünste. © vm
Die Hip-Hop-Formation „#eigenArt“ gibt seit acht Jahren Menschen mit einer geistigen Behinderung eine Stimme und eine Bühne.
Schönbrunn – Aus den Lautsprecherboxen in der KIK-Disco in Schönbrunn dröhnen Hip-Hop-Beats. Basti Knöferl setzt die Kapuze seines schwarzen Pullis auf, tritt ins Scheinwerferlicht und beginnt zu rappen. Ohne Skript, einfach drauflos. Das, was ihm gerade in den Sinn kommt. Freestyle heißt das in der Hip-Hop-Szene. In der rechten Hand hält er ein Mikro, mit der anderen Hand zeichnet er mit seinem Zeigefinger in die Luft zum Takt der Musik. Sein Gesichtsausdruck verrät: Er liebt das, was er in diesem Moment tut. Und sein Publikum liebt es auch. Der 20-Jährige ist in seinem Element. Das ist der Basti-Boss-Rhythmus, erklärt er später. Basti-Boss: So lautet sein Pseudonym. Der junge Erwachsene ist Teil der Hip-Hop-Formation „#eigenArt“ des Franziskuswerks Schönbrunn. Gerade ist Bandprobe.
Zieht alle in seinen Bann: Basti-Boss rappt am liebsten spontan und frei. © vm#eigenArt gibt Menschen mit Behinderung eine Bühne
„#eigenArt“ ist 2017 aus einem musikpädagogischen Projekt des Franziskuswerks entstanden. Es ist eine Erfolgsgeschichte. Die Band besteht aktuell aus 24 Mitgliedern, 20 davon haben eine geistige Behinderung. Sie sind im Alter zwischen 20 und 66 Jahren. Für sie ist „#eigenArt“ nicht bloß eine Freizeitbeschäftigung nach der Arbeit. Es geht um Freundschaft, Fantasie und Furchtlosigkeit. Die Band bedeutet für sie, gesehen und gehört zu werden, in einer Gesellschaft, die sonst nur am Rand Platz für Menschen mit Behinderung macht. Mit „#eigenArt“ stehen sie im Mittelpunkt.
Publikumsliebling: die Hip-Hop-Band „#eigenArt“ aus Schönbrunn. © vm
Als Nächstes ist Frau Kilian an der Reihe. Das 24-jährige Bandmitglied heißt eigentlich Kilian Hiltl, ist 24 Jahre alt und geboren für die große Bühne. Während Frau Kilian über den Boden gleitet, bewegt das Showtalent seinen Körper wie sein großes Idol: Michael Jackson. „Frau Kilian ist ein großes Überraschungspaket“, sagt der Leiter des Projekts, Thomas Mayr.
Der Heilerziehungspfleger gibt der Band heute Tipps, wie man das Mikrofon richtig hält. Jede Woche kommt er mit bereits bestehenden Bandmitgliedern und jenen, die es werden wollen, zusammen. Sie tauschen sich aus, üben und singen zusammen. „Dass es nicht perfekt ist, macht es perfekt“, sagt er. Für ihn ist es wichtig in der Musikbranche, die, ihm zufolge, alles andere als inklusiv sei, ein Zeichen zu setzen und Menschen mit Einschränkungen eine Stimme zu geben. „Musik kennt keine Behinderung“, betont er.
Songs mit Herz
Der Satz fällt öfter an diesem Nachmittag. Es ist die Botschaft, die „#eigenArt“ in ihren Liedern transportiert. Neun Stück sind es mittlerweile. Verewigt im Herzen der Bandmitglieder und seit Neuestem auch auf ihrem ersten Album. „Eigen und anders“ lautet der Name. Die Songs handeln von Freundschaft, Regenbogenfarben, Party, Feierabend. Davon, dass es okay ist, anders zu sein. „Wir sind alle anders“, sagt Richard Frimpong, genannt Richie. Der 34-Jährige ist einer der Gründungsmitglieder.
Manche arbeiten das auf, was sie erlebt haben.
Die Songtexte entstehen im gemeinsamen Gespräch, per Mehrheitsentscheid. Inspiriert werden die Bandmitglieder von ihrem Alltag. „Manche arbeiten das auf, was sie erlebt haben“, erzählt Thomas Mayr. Ein Liebeslied gibt es noch nicht, stellt Mayr fest und klingt fast etwas enttäuscht. Er wolle aber keine Themen vorgeben. Es soll authentisch bleiben.
Das Album „Eigen und Anders“
ist auf allen Streaming-Plattformen erhältlich unter https://listen.music-hub.com/k4SZY5
Mit „#eigenArt“ erfahren die Mitglieder soziale Teilhabe. So spielte „#eigenArt“ bereits bei Veranstaltungen in Schönbrunn, aber auch außerhalb. Zum Beispiel präsentierten sie ihr Können auch beim Kult-Festival in Dachau. Solche Auftritte haben für die Initiatoren des Band-Projekts eine besondere Bedeutung, wie sie erzählen, wenn die Band vor einem Publikum auftritt, das auch aus Menschen ohne Einschränkung besteht.
Wenn Basti-Boss, Frau Kilian, Richie und ihre Bandkollegen über #eigenArt“ sprechen, sind sie voller Stolz. Besonders auf die Studioaufnahme der Co-Produktion „Freunde für immer und immer“ mit dem Kindermusiker Donikkl. Für die meisten war das einer der schönsten Erlebnisse, wie sie erzählen. Es geht aber nicht ausschließlich um das Musikmachen, sondern auch um die Gemeinschaft in einer Welt, in der alle gleich und doch anders sind.
Weitere Nachrichten aus der Region Dachau lesen Sie hier.