Schlingpflanzen prägen die Bühne von Nicola Turner, die auch für die dem 19. Jahrhundert verpflichteten Kostüme verantwortlich zeichnet, in Tschaikowskys Oper „Eugen Onegin“ (nach dem Roman von Alexander Puschkin) in Karlsruhe:
Sie konterkarieren latent bedrohlich die Idylle des Landlebens der ersten Akte, bestimmen dann als „goldene Fesseln“ im Finale das Geschehen im Palais des alten Fürsten Gremin in St. Petersburg. Olivia Fuchs’ Inszenierung basiert auf diesem Bühnenbild ebenso wie auf dem dramatisch zupackenden, eher trockenen, unsentimentalen Klang der Badischen Staatskapelle.
Flammender Liebesbrief
Wenn die Gutsbesitzerin Larina (prägnant Barbara Dobrzanska) zu Beginn mit der Amme über entgangene Liebesfreuden sinniert, dann zeichnet sie unbewusst das Schicksal ihrer Töchter vor: Die unbeschwerte Olga (Mari-Sophie Janke mit pastoser Tiefe) wird ihren Verlobten im Duell verlieren und auch der in sich versunkenen älteren Tatjana wird kein Glück beschieden sein. Tatjana, die sich gegen die Konventionen ihrer Gesellschaft auflehnt, die dem blasiert-gelangweilten Eugen Onegin, dem sie gerade erst begegnet ist, in einem flammenden Brief ihre Liebe gesteht, wird von diesem kühl und oberlehrerhaft zurückgewiesen.
Auf dem Ball zu ihrem Namenstag kommt es zur Katastrophe: Das übertrieben karnevalesk gezeichnete Treiben, bei dem der affektierte Triquet (mit geschmeidiger Höhe Eleazar Rodriguez) ihr huldigt, wird zum Schauplatz eines Streits zwischen Onegin und seinem Freund Lenskij (mit kraftvollem lyrischen Tenor Jenish Ysmanov), der auf Onegin wegen seiner Verlobten Olga eifersüchtig wird. Auch wenn in Olivia Fuchs Inszenierung das folgende Duell fast zur Farce gerät – Onegin ist betrunken und verpflichtet einen Kellner als Sekundanten –, endet es mit dem Tod seines einzigen Freundes.
Jahre später kommt Onegin nach ausgedehnten Reisen nach St. Petersburg. Im Haus seines Verwandten, des alten Fürsten Gremin, ist es wieder ein Ball, auf dem es zu einer schicksalhaften Begegnung kommt: Der Fürst, im Rollstuhl sitzend, beschwört seine späte große Liebe. Konstantin Gorny, seit vielen Jahren eine Stütze des Karlsruher Ensembles, gestaltet seine Arie ohne Larmoyanz und mit einer leichten Brüchigkeit seines Basses, die der Rolle durchaus angemessen ist. Seine späte Liebe gilt seiner jungen Ehefrau Tatjana. Diese bildet in knallroter Robe den Mittelpunkt der Gesellschaft, die Onegin distanziert-feindlich gegenübersteht.
Hochklassige Besetzung
Den Regeln dieser Gesellschaft bleibt Tatjana verpflichtet: Dem Werben Onegins, der erkennt, welche Zukunftschance er verspielt hat, verweigert Tatjana sich. Kihun Yoon singt Onegin mit seinem kraftvoll-differenzierten Bariton, der die Arroganz des Ewig-Gelangweilten ebenso wie die Verzweiflung des Mörders seines Freundes transportiert. Pauliina Linnosaaris Tatjana ist ein weiterer Glanzpunkt der hochklassigen Karlsruher Premiere: Mit ihrem jugendlich-dramatischen Sopran gestaltet sie nicht nur eine exzellente Briefszene, sondern überzeugt auch als Fürstin Gremin, die ihrer Liebe zu Onegin entsagt. Neben der über weite Strecken schlüssigen, in ihrer Personenführung ansprechenden Inszenierung können auch der zuverlässige Staatsopernchor und die unter der Leitung von Johannes Willig packend musizierende Badische Staatskapelle sich der anhaltenden Begeisterung des Publikums sicher sein.
Nächste Aufführungen am 29. und 31. Mai. www.staatstheater.karlsruhe.de
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