Ricarda Lang wirft Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) bei „Maischberger“ vor, seine Partei rede mit ihrer Kritik an der „Work-Life-Balance“ Deutschland faul. Axel-Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner berichtet von einer Begegnung mit Donald Trump und was er von dessen Zoll-Krieg hält.
Die neuen US-Strafzölle in Höhe von 50 Prozent sind vorerst bis zum 9. Juli aufgeschoben. Doch die Europäische Union bleibt aus Sicht von Donald Trump einer der Hauptgegner der Vereinigten Staaten. Immerhin sei diese ausschließlich zu dem Zweck gegründet worden, sein Land zu „bescheißen“. Am Dienstag betrachtete Sandra Maischberger mit Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, das US-deutsche Verhältnis unter der Trump-Regierung. Mit dem Kanzleramtsminister Thorsten Frei und der Grünen-Politikerin Ricarda Lang sprach sie über die Politik der schwarz-roten Regierung. Als weitere Gäste begrüßte die ARD-Moderatorin die Journalisten Helene Bubrowski, Cherno Jobatey und Jan Fleischhauer im Panel.
Er sei nach wie vor „fasziniert“ von den Vereinigten Staaten, sagte Mathias Döpfner, doch mittlerweile sei er auch „verunsichert“. Seit vielen Jahren setze er sich für Freihandel zwischen den demokratischen Staaten ein, die sich nur gegenüber Nicht-Demokratien mittels Zöllen abgrenzen sollten. „Was ich gefordert habe, ist ziemlich präzise das Gegenteil dessen, was sich im Moment abzeichnet“, beanstandete er mit Blick auf den drohenden Handelskrieg, der letztlich nur China und Russland stärken würde. „Deswegen halte ich das in der Tat für sehr bedrohlich – nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Demokratie an sich.“
Vor eineinhalb Wochen sei er Donald Trump kurz begegnet. „Ich glaube, er hat mich nicht erkannt, sonst wäre es nicht so friedlich und freundlich verlaufen“, berichtete der Verleger im Hinblick auf dessen Angriffe auf die Pressefreiheit. Dem seit 2021 zum Axel Springer Verlag gehörenden Medium Politico hatte der US-Präsident vorgeworfen, „Fake News“ zu publizieren, ein „linkes Schundblatt“ zu sein und „Schmiergeld angenommen“ zu haben, wie Maischberger zitierte. „Ich finde das fast amüsant“, reagierte Döpfner. „Ich bin es gewohnt in Deutschland seit Jahren, sozusagen als Zentrum rechter Verschwörung porträtiert zu werden. Und jetzt ist Axel Springer in Amerika das Zentrum linker Verschwörung.“
National hatte sein Verlag vor einigen Monaten Kritik auf sich gezogen, als die Welt einen Aufruf von Elon Musk veröffentlicht hatte, die AfD zu wählen. Er halte die Entscheidung der Chefredaktion für „absolut richtig und – ehrlich gesagt – auch sehr unspektakulär“. Immerhin habe es Nachrichtenwert, wenn sich einer der reichsten und einflussreichsten Menschen der Welt dahingehend äußert, selbst wenn der Beitrag letztlich „dünn“ ausgefallen sei. Im Meinungsressort könnten auch Wladimir Putin, Ostblock-Kommunisten oder afghanische Terroristen kommentieren. „Wenn uns der Präsident des Irans erklärt, wie er Israel vernichten möchte, würden wir das sofort drucken – Sie nicht?“, fragte Döpfner rhetorisch.
Besagtes Israel beobachte er „sehr genau“, versicherte er. Axel Springer pflege eine „unverbrüchliche Freundschaft“, die sich in dessen fünf Grundwerten widerspiegele. „Blinde Gefolgschaft“ sei damit jedoch nicht gemeint. „Ich bin, wenn ich die Bilder sehe, sprachlos. Es ist kaum erträglich. Es muss aufhören“, kommentierte Döpfner den Konflikt, der im Gazastreifen ausgefochten wird. Zugleich müsse zur Kenntnis genommen werden, dass der Krieg mit dem Terroranschlag vom 7. Oktober 2023 begonnen worden sei, dass er mit der Freilassung der Geiseln hätte beendet werden können, dass die EU die Hamas indirekt finanziert und dass eben diese die palästinensische Bevölkerung in Geiselhaft genommen habe.
Über die neue Bundesregierung ging es indes nur am Rande. Döpfner klagte zwar, zwischen der Wahl und der Amtseinführung „fast körperliche Schmerzen“ erlitten zu haben, doch nun wolle er der Regierung zunächst „ein bisschen Zeit“ geben. Aus dem Merz’schen Kabinett begrüßte Maischberger Thorsten Frei, der sich bemühte, die CDU-Kritik an der mangelnden Leistungsbereitschaft einzuordnen. Bei Caren Miosga hatte Carsten Linnemann angeregt, Rentner mit einer Aktivrente das Weiterarbeiten schmackhaft zu machen. Es sei „gar keine persönliche Anklage gegen irgendjemand“, sagte nun der Kanzleramtsminister, sondern „einfach eine ganz nüchterne Feststellung, dass die Arbeitszeit pro Kopf“ zuletzt „kontinuierlich nach unten gegangen“ sei.
„Bei Carsten Linnemann mache ich mir Sorgen, dass er morgen sagt, die Kinder im Land müssten mehr arbeiten“, erwiderte Ricarda Lang mit gut gelaunter Angriffslust. Mit ihrer Kritik an der „Work-Life-Balance“ redeten Merz und seine Regierung Deutschland faul. In Wahrheit sei der Staat mit 683 Millionen unbezahlten Überstunden europäischer Spitzenreiter. Die Gruppe der 20- bis 24-Jährigen arbeite so viel wie zuletzt vor 30 Jahren. Und allgemein gingen vier von fünf arbeitsfähigen Menschen einer Beschäftigung nach. Die Regierung müsse sich nun um Kitaplätze, Pflege-Unterstützung und bezahlbare Mieten kümmern.
Frei appellierte stattdessen für Arbeitsanreize. 650.000 Menschen hätten neben ihrer Vollzeitbeschäftigung einen Minijob. „Das haben sie deshalb, weil Überstunden nicht lukrativ sind. Die werden viel zu stark besteuert“, erläuterte er. „Sorry“, warf Lang ein, das liege nicht an den Überstunden, sondern daran, dass „die Person nicht genug verdient, um zu leben“. „Nein“, wies der CDU-Politiker zurück. „Jeder, der Vollzeit arbeitet, hat so viel Geld, dass er davon leben kann.“ „Das ist schlichtweg nicht die Wahrheit“, erwiderte die Grünen-Politikerin. 830.000 Menschen erhielten neben der Arbeit als Aufstocker soziale Unterstützung. „Der Weg, daran was zu ändern, wäre, nicht nach unten zu treten, sondern für gute Löhne zu sorgen.“
Dominik Lippe berichtet für WELT regelmäßig über die abendlichen Polit-Talkshows. Der studierte Biologe ist Absolvent der Axel Springer FreeTech Academy.