In einer stillen, aber eindrucksvollen Lesung öffnete die 31-jährige Autorin Sarah Steffens ihr Innerstes: Auf Einladung der katholischen Kirche las sie in Wegberg aus ihrem Buch „Warum hast du so dunkle Schatten unter deinen Augen?“ – einem ebenso poetischen wie schonungslos ehrlichen Werk über das Leben mit einer rezidivierenden Depression.

„Irgendwann ging mir die Puste aus.“ Mit diesen Worten beschreibt Sarah Steffens den Moment, an dem sie nicht mehr funktionieren, nicht mehr die mühsam aufgebaute Fassade aufrechterhalten konnte. Obwohl sie ihre Diagnose erst seit zwei Jahren hat, weiß sie heute, dass sie schon lange zuvor erkrankt war. Als Kind erlebte sie im familiären Umfeld, wie Depression Menschen verändern kann. „Ich habe die Krankheit damals als meinen persönlichen Feind gesehen“, sagte sie. Eine Feindschaft, die sie prägte – und dazu führte, dass sie Gefühle und Warnzeichen ignorierte. Je älter sie wurde, desto perfekter wurde die Maske, hinter der sie sich versteckte. Was in ihr vorging, ließ sie niemanden sehen. Vor allem nicht sich selbst.

Doch das gehört der Vergangenheit an: Vor einer kleinen Gruppe interessierter Zuhörerinnen und Zuhörer sprach Sarah Steffens über ihre Erfahrungen mit ihrer unsichtbaren Krankheit, die sie seit vielen Jahren begleitet. Ihre Worte waren sanft, doch voller Kraft. Mal verletzlich, mal wütend, mal hoffnungsvoll – und stets authentisch. Mit ihrer Offenheit berührte sie das Publikum tief und schuf eine Atmosphäre, in der nicht nur zugehört, sondern verstanden wurde.

Pfarrer Franz Xaver Huu Duc Tran, der die Anwesenden mit viel Feingefühl begrüßte, zeigte sich sichtlich bewegt von der Lesung. Er betonte die Wichtigkeit solcher Veranstaltungen, um das Schweigen über psychische Erkrankungen zu brechen, sie in die Mitte der Gesellschaft zu holen. „Es ist ein großer Akt des Mutes, sich so zu zeigen“, sagte er im Anschluss.

Neben Auszügen aus ihrem Buch gab Sarah Steffens auch persönliche Einblicke, die sie nicht aufgeschrieben hatte, beantwortete Fragen und zeigte: Depression ist keine Schwäche – sondern eine Realität, die viele betrifft und über die gesprochen werden muss. Ihre Lesung war ein Plädoyer für mehr Verständnis, Mitgefühl – und Hoffnung. Hoffnung vor allem, weil sie selbst den dunkelsten Stunden noch etwas Positives abgewinnen kann: „Ich habe harte Zeiten hinter mir, was paradoxerweise aber auch irgendwie schön war, weil ich ganz viel über mich gelernt habe und darüber, wie ich mein Leben besser gestalten kann“, sagt sie. Dabei machte sie deutlich: Die Ursachen einer Depression sind vielschichtig. Lang andauernder Stress, physische Erkrankungen, genetische Faktoren, aber auch persönliche Schicksalsschläge wie Mobbing, Trennung, Arbeitsplatzverlust, Missbrauch, Gewalterfahrungen oder Suchtprobleme können Auslöser sein. Die Krankheit ist ebenso individuell wie der Mensch, den sie trifft.

Lächeln, obwohl die Seele müde ist – diese Erfahrung kennen Menschen mit Depression. Auch Sarah Steffens kennt das Tragen einer Maske nur zu gut: „Es gibt Phasen, in denen man funktioniert, lacht, mitmacht – und doch innerlich leidet.“ In kurzen, eindringlichen Auszügen aus ihrem Buch erzählt sie von ihren Gedanken, die sie vor allem in der Zeit in der Tagesklinik niederschrieb, einer Zeit der Konfrontation und der Heilung, wenn sie nachts nicht schlafen konnte. Herausfordernd, aber auch notwendig, um sich selbst besser zu verstehen. Es sind Texte voller Gefühl, Verletzlichkeit – und überraschender Stärke. „Es muss nicht immer alles nur traurig sein“, betont sie. „Man kann auch im Kontrast leben.“ Mit diesen Worten beschreibt sie, wie Depression nicht immer nur dunkle Momente bedeutet, sondern auch Zeiten, in denen man lachen, sprechen, sogar arbeiten kann – obwohl die Krankheit innen präsent bleibt. Dass viele Betroffene trotz guter Fassade schwer krank sind, ist eine der Botschaften ihres Buchs. Sie will das Unsichtbare sichtbar machen.

Besonders wichtig ist es ihr, mit Vorurteilen aufzuräumen: „Es ist keine schlechte Laune, keine Faulheit – es sind Warnsignale des Körpers“, sagte sie eindringlich. Niemand suche sich diese Krankheit aus, und jede Phase sei anders. Sie sprach auch über die Hürden auf dem Weg zur Therapie. Monatelange Wartezeiten, das Gefühl, zwischen Zuständigkeiten verloren zu gehen – und das Glück, schließlich eine therapeutische Beziehung zu finden, die trägt. Sie berichtete von Sackgassen und Hoffnungsschimmern, von Notfallplänen, von Momenten der Verzweiflung und ersten Schritten zur Linderung. Sarah Steffens ist keine, die sagt, sie sei geheilt. Sie sagt: „Ich bin in Bewegung.“ Und sie gibt ihre Erfahrungen weiter – nicht belehrend, sondern ehrlich. Ihre Geschichte ist keine Ausnahme – aber sie macht Mut, hinzusehen. Auch hinter die Maske.

Die Zuhörenden verließen den Abend nicht nur mit nachdenklichen Blicken, sondern auch mit dem Gefühl: Sie waren Zeugen eines besonderen Moments, in dem Worte Brücken bauten – zu einem ehrlicheren Umgang mit seelischem Leid.