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ILLUSTRATION - Durch einen Türspion ist am 29.12.2015 eine Person mit einem Kapuzenpulli vor einer Wohnungstür in einem Mehrfamilienhaus in Hamburg zu sehen. Foto: Bodo Marks/dpa (zu dpa Korr-Bericht „'Seid misstrauisch!' - Polizei warnt Senioren vor Trickbetrügern“ vom 30.12.2015) ++ +++ dpa-Bildfunk +++Misstrauischer Blick durch den Spion: Immer wieder stehen Vertreter unangekündigt vor der Tür – und machen mit Dreistigkeit Druck. Das macht manch einem Hausbewohner sogar Angst. © Bodo Marks/Bodo Marks/dpa

Tricks werden dreister – Verbraucherzentrale fordert schärfere Gesetze

Von außen wirkt das große Mehrparteienhaus in Eschersheim ruhig. Doch hinter den Wohnungstüren herrschen zurzeit Aufregung und Frust – ausgelöst durch ungebetene Besucher: Immer wieder verschaffen sich Drückerkolonnen Zugang zum Gebäude, klingeln an den Türen und versuchen, mit fadenscheinigen Geschichten in die Wohnungen zu gelangen. Das Mietshaus in Eschersheim ist aber keine Ausnahme, denn überall in Frankfurt gibt es diese Art von Belästigung und Aufdringlichkeit.

Für die 27-jährige Nadine T. ist das längst zur Belastung geworden. „Es passiert fast jeden Monat“, erzählt sie. „Mal behaupten sie, sie müssten den Internet-Router prüfen, mal, dass bald das ganze Haus auf Glasfaser umgestellt wird.“ Die Methoden der Vertreter, meist geht es um Zeitschriften-Abonnements, seien dabei perfide: Sie bauten Druck auf, stellten angebliche Fristen in Aussicht und verlangten häufig sofortige Unterschriften. „Ich habe ihnen schon mehrfach gesagt, dass ich nicht belästigt werden möchte“, sagt Nadine. „Dann halten die Männer mir auf ihren Tablets irgendeine Liste vor, auf der angeblich Menschen stehen, bei denen sie nicht klingen dürfen.“ Wie man auf diese Liste komme, werde nicht gesagt. Stattdessen würden die Männer schnell aggressiv, wenn man sich gegen das Verkaufsgespräch wehre.

„Falsche“ Mainova-Leute

Was Nadine erlebt, ist kein Einzelfall. Laut Verbraucherzentrale Hessen enden Haustürgeschäfte „häufig im Ärger“. Besonders während der Pandemie habe der Direktvertrieb an der Haustür Hochkonjunktur gehabt, als viele Menschen im Home Office arbeiteten. Obwohl in einer repräsentativen Umfrage für den Verbraucherschutz 98 Prozent der Befragten diesen Vertriebsweg als ungeeignet bezeichneten, würden Menschen immer wieder „in ungewollte Verträge gedrängt – und das im höchst privaten Bereich“, wie die Verbraucherschützer warnen.

Besonders dreist und entsprechend ärgerlich wird es, wenn Vertreter mit erfundenen Geschichten Druck aufbauen. So berichten Stadtwerke aus ganz Deutschland, dass Haustürwerber behaupten, ein komplettes Mietshaus würde auf einen neuen Anbieter umgestellt – und nur ein schneller Vertragsabschluss sichere die weitere Stromversorgung. In Eschersheim ist Nadine T. solchen Behauptungen schon begegnet. „Einmal sagte mir ein Mann, wenn ich jetzt nicht unterschreibe, sitze ich ab morgen im Dunkeln“, erzählt sie. „Das kann einem richtig Angst machen.“

Mieter entwickeln Rückzugsstrategien

Der Frankfurter Energieversorger Mainova betont, dass er keine Außendienstmitarbeiter für unangekündigte Werbeaktionen einsetzt und auch nicht mit externen Vertriebspartnern zusammenarbeitet. Besuche durch Mainova-Mitarbeiter finden ausschließlich nach ausdrücklicher Vereinbarung und Terminabsprache statt. Die Energieexperten tragen dabei stets Dienstkleidung und können sich jederzeit ausweisen. Wer verdächtige Vorfälle melden möchte, kann sich unter der Telefonnummer (069) 8 00 88 00 00 oder per E-Mail an service@mainova.de an das Unternehmen wenden.

Viele große Glasfaserunternehmen, darunter die Telekom, haben einen „Verhaltenskodex für den Haustürvertrieb“ übernommen. Mitarbeiter sollen sich ausweisen können, Beratungen nur an der Haustür führen und Wohnungen nur nach Einladung betreten. Doch wird dieser Kodex oft ignoriert. Experten äußern massive Zweifel am Nutzen solcher Selbstverpflichtungen: „Jeder regelt es selbst“, kritisiert der Verbraucherschutz. So schrecken die letztlich bei Kunden gar nicht bekannten Firmenregeln die Drückerkolonnen auch gar nicht ab.

„Ich mache gar nicht mehr auf, wenn jemand klingelt, den ich nicht erwarte“, sagt Nadine T.. Doch die Drückerkolonnen finden immer wieder Wege ins Haus. Auch deshalb fordert die Verbraucherzentrale Hessen schärfere gesetzliche Regelungen: „Ohne vorherige Zustimmung des Verbrauchers müssen Hausbesuche zu Werbezwecken generell verboten sein“, heißt es. Außerdem solle die Widerrufsfrist von 14 auf 30 Tage verlängert werden, um Verbraucher besser zu schützen. Denn oft verstreiche die Frist zu schnell – ein Vorteil für unseriöse Verkäufer. Bis es so weit ist, bleibt Menschen wie Nadine T. nur eines: wachsam bleiben, keine Tür öffnen und im Zweifel sofort Polizei oder Hausverwaltung informieren.