28.05.2025 19:45

(Akt. 28.05.2025 19:50)

Ukrainischer Präsident Selenskyj in Berlin

Ukrainischer Präsident Selenskyj in Berlin
©APA/dpa

Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz sagt der Ukraine weitere Militärhilfe im Umfang von fünf Milliarden Euro zu. „Wir werden unsere militärische Unterstützung fortsetzen, und wir werden sie ausbauen“, sagte Merz am Mittwoch nach einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Berlin. Deutschland will Kiew bei der Beschaffung weitreichender Waffensysteme unterstützen. Zu einer möglichen Lieferung des Taurus-Marschflugkörpers äußerte er sich nicht.

Das deutsche Paket hat ein Volumen von fünf Milliarden Euro, wie das Verteidigungsministerium in Berlin am Rande des Besuchs mitteilte. Darin enthalten ist die „Finanzierung von weitreichenden Waffen, die in der Ukraine produziert werden“, teilt das Ministerium mit. Zudem würden Luftverteidigungssysteme, Waffen und Munition geliefert und die Instandsetzung beschädigten Materials unterstützt sowie medizinische Hilfe geleistet. Die fünf Milliarden Euro seien vom Bundestag bereits bewilligt.

Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj in Berlin verwies Merz auf eine geplante Absichtserklärung, die die Verteidigungsminister beider Länder am Nachmittag unterzeichnen würden. Darin gehe es um die gemeinsame Beschaffung weitreichender Waffensysteme. „Wir wollen auch gemeinsame Produktionen ermöglichen“, sagte der Kanzler.

Selenskyj: Ukraine hofft weiter auf Taurus

Selenskyj sprach nach eigenen Worten mit Merz bei deren Treffen unter vier Augen auch über eine mögliche Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern gesprochen. „Wir arbeiten in diese Richtung“, sagt Selenskyj im Interview mit RTL laut Übersetzung des Senders. Details könne er aber nicht nennen. Das habe er dem Kanzler versprochen, „und ich halte mich daran“, sagte Selenskyj.

Im Anschluss an den Empfang mit militärischen Ehren und die gemeinsame Pressekonferenz werden sich Merz und Selenskyj mit Vertretern deutscher Unternehmen austauschen. Am Nachmittag werde Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Selenskyj zu einem Gespräch in seinem Amtssitz Schloss Bellevue empfangen.

Kreml wirft Merz Kriegstreiberei vor

Russland warf Deutschland wegen der Zusage weiterer Unterstützung für die Ukraine Kriegstreiberei vor. Bundeskanzler Merz provoziere mit seinen Äußerungen die Weiterführung des Kriegs, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. „Das ist nichts anderes als der Versuch, die Ukrainer dazu zu zwingen, weiter zu kämpfen“, sagte er. Berlin torpediere damit auch die Bemühungen, eine diplomatische Lösung für den Konflikt zu finden.

Später legte Außenminister Sergej Lawrow nach. Deutschland lasse sich mit der Finanzierung der Produktion ukrainischer Raketen geradewegs in diesen Krieg hineinziehen, sagte er der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge.

„Wenn jemanden über Kriegstreiberei nicht reden darf, dann ist es Peskow“

Außenminister Johann Wadephul wieß den russischen Vorwurf von Kriegstreiberei scharf zurück. „Wenn es jemanden gibt, der über Kriegstreiberei nicht reden darf, dann ist es (Kremlsprecher Dmitri) Peskow, weil er und sein Regime nicht nur das verbal macht, sondern tatsächlich einen rechtswidrigen, völkerrechtswidrigen Krieg betreibt“, sagte der CDU-Politiker nach einem Gespräch mit seinem US-Kollegen Marco Rubio in Washington. Er fügte hinzu: „Und deswegen lassen wir uns von ihm in keiner Weise belehren.“

Es ist bereits der vierte Besuch Selenskyjs in Berlin seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine vor mehr als drei Jahren. Er findet in einer äußerst schwierigen Lage statt – und fällt zeitlich zusammen mit dem Antrittsbesuch von Außenminister Johann Wadephul in Washington. Dieser will sich beim US-Kollegen Marco Rubio für einen Schulterschluss im Umgang mit Kremlchef Wladimir Putin einsetzen. „Wir Europäer werden die Sanktionsschrauben weiter anziehen, auch der US-Kongress ist zu mehr Sanktionen bereit“, sagte Wadephul.

Verhandlungen und Waffenlieferungen

Merz erweckte in den vergangenen Tagen den Eindruck, als habe er den Glauben an eine Lösung am Verhandlungstisch ganz aufgegeben. Kriege gingen in der Regel durch wirtschaftliche oder militärische Erschöpfung einer der beiden Seiten oder beider Seiten zu Ende, sagte er am Dienstag bei seinem Finnland-Besuch. „Davon sind wir in diesem Krieg offensichtlich noch weit entfernt. Deswegen rechne ich damit, dass wir uns möglicherweise noch auf eine längere Dauer einzustellen haben.“

Tatsächlich scheint der Hoffnungsschimmer von Mitte Mai verflogen, als Merz nur vier Tage nach seinem Amtsantritt mit Selenskyj in Kiew zusammentraf. Damals äußerten beide die Hoffnung auf einen echten Verhandlungsprozess zu Beendigung des Krieges. Der dünne Gesprächsfaden zwischen Russland und der Ukraine ist abgerissen. Die russischen Luftangriffe sind heftiger als je zuvor. Und US-Präsident Donald Trump ist dabei, die Europäer mit dem Problem allein zu lassen.

Kanzleramtschef Thorsten Frei hatte zuvor die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine nicht ausgeschlossen. „Wir werden genau schauen, was notwendig ist, um die Ukraine wirkungsvoll unterstützen zu können“, sagt der CDU-Politiker zu „Welt“. „Und das, was notwendig ist, das werden wir dann auch tun.“ Gleichwohl kritisierte Frey die Debatte über die Lieferung der Marschflugkörper: „Bedauerlicherweise wird das öffentlich debattiert.“ Dem wolle er keinen weiteren Vorschub leisten, weil es die falsche Strategie sei. Konkret nach Taurus gefragt, sagte Frei: „Jede Waffe zu ihrer Zeit und entlang der jeweiligen militärischen Herausforderungen.“