Es wird Zeit, diese Debatte ernsthaft zu führen. Und das gar nicht so sehr, um zu einer schnellen Umsetzung zu kommen, sondern eher, um das eigene Selbstverständnis zu klären.

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Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat sich für einen Komplettumzug aller Ministerien nach Berlin eingesetzt. Denn noch immer haben sechs der 14 Bundesministerien ihren ersten Dienstsitz am Rhein statt an der Spree. Dass die Debatte jetzt aufkommt, liegt auch daran, dass Klara Geywitz (SPD), noch amtierende Bundesbauministerin, den Status Bonns als Bundesstadt langfristig festschreiben will.

Doch Berlin muss für sich den Anspruch haben, eine Hauptstadt zu sein, in der die komplette Regierung ihren Hauptsitz hat. Dieses Ziel zu verfolgen, führt auch dazu, dass man sich mit der Frage auseinandersetzt, wie das eigentlich funktionieren könnte und was das für die Stärkung Berlins bedeutet.

Christian Tretbar ist Chefredakteur des Tagesspiegels.

Natürlich spielen auch monetäre Fragen eine Rolle, denn warum sollen jährlich Tausende von Beamten trotz der Zunahme von Videokonferenzen pendeln. Sämtliche großen Debatten der Verteidigung, der Gesundheitspolitik, aber auch des Verbraucherschutzes spielen in Berlin. Sämtliche großen internationalen Organisationen haben Vertretungen in Berlin. Sämtliche Staatschefs und Minister kommen regelmäßig nach Berlin und nicht nach Bonn.

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Nur darf ein möglicher Umzug schon aus eigenem Interesse nicht überstürzt stattfinden. Denn Berlin muss selbst die Voraussetzungen schaffen, um das zu realisieren.

Immerhin kämen dann auf einen Schlag Tausende Bedienstete samt Familien nach Berlin. Und dafür müssten Voraussetzungen geschaffen werden, die eng mit den grundsätzlichen Herausforderungen zusammenhängen, die diese Stadt hat: Wie schafft man genügend, auch bezahlbaren, Wohnraum? Wie baut man parallel die soziale Infrastruktur aus Schulen und Kitas auf? Wie ist die wirtschaftliche Entwicklung, sodass auch Angehörige der Bundesbeamten in Berlin Jobs finden?

Kriegt Berlin das bei all seinen Problemen hin?

Natürlich müssen diese Fragen geklärt werden, bevor man ernsthaft einen Umzug planen kann. Zumal das alles Fragen sind, die ganz grundsätzlich über Wohl und Wehe der Hauptstadt entscheiden. Aber Berlin darf seinen Anspruch nicht verlieren, das führende politische Zentrum Deutschlands zu sein.

Natürlich gibt es in Nordrhein-Westfalen Abwehrreflexe gegen die Idee eines Komplettumzugs. Zum einen, weil man eigene Nachteile fürchtet. Zum anderen aber auch, weil es einfach Vorbehalte gegen Berlin bundesweit gibt. Geleitet von der zentralen Frage: Kriegt Berlin das bei all seinen Problemen hin? Denn das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Stadt ist nun mal nicht groß.

Dass Berlin keinen guten Leumund hat, sollte eher Ansporn für alle Verantwortlichen sein. Denn Deutschland braucht eine starke Hauptstadt, die internationale Strahlkraft hat. Das erreicht man nicht allein dadurch, dass alle Ministerien ihren Hauptsitz hier hätten. Aber es wäre ein wichtiger Schritt, ein Signal.

Eine funktionierende Stadt ist wichtiger als Narrative

Um das zu erreichen, langt es aber nicht, bloße Forderungen zu stellen. Berlin muss seine Hausaufgaben machen, Probleme, die diese Stadt hat, anerkennen. Es bringt nichts, alles schönzureden, nur um krampfhaft ein anderes Narrativ über die Stadt aufzubauen.

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Diese Stadt hat für viele Menschen sichtbare Probleme und das führt eben zum häufig negativen Blick auf die Stadt. Was gegen ein negatives Image am besten hilft, sind nachweisbare Erfolge und erkennbare Veränderungen: im Straßenbild, bei den Schulen, der Verwaltung. Wenn Menschen wieder wirklich gerne hierherkommen, muss Berlin gar nicht mehr darum kämpfen, Komplett-Hauptstadt zu sein. Es wäre ein Selbstläufer.