„Ich war mein ganzes Leben gesund. Die Probleme mit den Augen und dem schlechten Sehen kamen dann aber ganz plötzlich – von heute auf morgen. Vor drei Jahren war ich deshalb in einer Augenklinik und habe erfahren, dass ich unter einer altersbedingten trockenen Makuladegeneration leider. Diese Erkrankung ist unheilbar und schreitet rasant voran. Lag meine Sehstärke vor gut einem halben Jahr noch bei 40 Prozent, bin ich inzwischen bei fünf bzw. zehn Prozent angekommen, das bringt gravierende Einschränkungen mit sich”, berichtet ein 82-jähriger Wuppertaler, der anonym bleiben möchte.
Das liegt auch daran, dass er immer wieder im Alltag auf Unverständnis stößt, was von mitleidigen Bemerkungen bis zu Spott und Häme reicht, die er nicht ertragen kann. „Aber ich beiße mich durch und gehe weiter aus dem Haus. Auf das Auto muss ich dabei seit gut zwei Jahren komplett verzichten. Oft wird es bei der Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln ziemlich schwierig, zum Beispiel, wenn ich einen Ausflug zum Unterbacher See in Düsseldorf machen möchte.”
Ein Alltag, der einige
Hürden mit sich bringt
Schon das Erkennen der Liniennummer bei den Bussen wird zur Herausforderung. Auch die digitalen Anzeigen sind für Menschen mit so einer gravierenden Sehbehinderung nicht mehr lesbar. „Wenn eine Gleisänderung am Bahnhof nur angezeigt, aber nicht angesagt wird, bekommt es mein Partner nicht mehr mit”, berichtet seine Partnerin, die ihm, so gut es geht, hilft, seinen Alltag zu bewältigen. „Auch beim Einkaufen habe ich große Probleme, weil ich zum Beispiel die Preise nicht mehr erkennen kann. Beim kleinen Supermarkt um die Ecke kenne ich mich aus, aber bei größeren Märkten bin ich auf Hilfe angewiesen. Neulich habe ich in einem Drogeriemarkt an der Kasse gefragt, da kam direkt jemand und hat mir die Sachen, die ich gebraucht habe, zusammengesucht und mir gebracht. Das ist aber nicht immer so.”
Um auf sein Handicap beim Sehen aufmerksam zu machen, trägt der Wuppertaler oft das Sehbehindertenabzeichen – eine gelbe Anstecknadel mit drei schwarzen Punkten. „Diese gibt es für zehn Euro beim Optiker. Das Problem ist, dass viele Menschen die Bedeutung dieses Abzeichens nicht kennen, das die Sicherheit von Betroffenen erhöhen und das zu mehr Rücksichtnahme auffordern soll. Viele wissen auch nicht, dass dieses Abzeichen nicht Blinde tragen, sondern Menschen, die wie ich eine Sehbehinderung haben, die aber trotzdem noch etwas Erkennen können.”
Die größten Probleme bereitet dem 82-Jährigen die Tatsache, dass er oft andere Menschen nicht mehr erkennen kann. „Steht jemand direkt vor mir, ist das kein Problem. Geht er aber ein paar Meter weg von mir, ist es schon sehr schwer, das Gesicht klar zu sehen. Das kommt nicht gut bei anderen Leuten an, die nichts von meiner Sehbehinderung wissen. Denn rein äußerlich sieht man mir davon nichts an.”
Zu den Orten, an denen er sein Abzeichen bewusst nicht trägt, gehört zum Beispiel seine Stammkneipe. „Da bekommt man schon mal Bemerkungen, dass man es mit den drei Punkten auf gelben Grund schon übertreibt und Ähnliches. Das kann ich nicht ertragen.”
Zu Hause hat der Wuppertaler rund 2000 Euro in eine helle Beleuchtung investiert und nutzt auch beleuchtete Leselupen. „Das helle Licht ist zentral, damit ich zu Hause zurechtkomme. Meine Zeitung lese ich als E-Paper, weil ich so das Ganze vergrößern oder mir einen Artikel auch vorlesen lassen kann”, berichtet der WZ-Leser.