Namibia hat mit einem nationalen Gedenktag erstmals offiziell der Opfer des Völkermords an den Herero und Nama durch deutsche Kolonialtruppen gedacht. Tausende Menschen versammelten sich zu einer Schweigeminute und einer Mahnwache bei Kerzenlicht im Garten des Parlaments in Windhuk. Präsidentin Netumbo Nandi-Ndaitwah sprach von einem „Tag der Erinnerung und des gemeinsamen Schmerzes“. Die seelischen, wirtschaftlichen und kulturellen Narben dieses Genozids seien bis heute spürbar, sagte sie.

Das südwestafrikanische Land hatte den 28. Mai im vergangenen Jahr zum Genocide Remembrance Day erklärt. Das Datum erinnert an die Anordnung der deutschen Kolonialbehörden vom 28. Mai 1908, die Konzentrationslager im damaligen Deutsch-Südwestafrika zu schließen. Diese Lager waren wegen brutaler Bedingungen und hoher Sterblichkeit international kritisiert worden. 

Während des Herero-und-Nama-Kriegs von 1904 bis 1908 wurden nach Schätzungen 65.000 der rund 80.000 Herero sowie mindestens 10.000 Nama getötet. Der Vernichtungskrieg gegen die beiden Völker gilt als erster Genozid des 20. Jahrhunderts.

Boykott und Kritik am Gedenktag

Während die Regierung den Gedenktag als „Moment der nationalen Reflexion, Trauer und Heilung“ bezeichnete, stieß die Zusammensetzung des Programms auf Kritik. Wie die namibische Wochenzeitung Windhoek Observer berichtete, stammten nur zwei der 13 Redner aus den betroffenen Volksgruppen der Herero und Nama. Mehrere Repräsentanten kündigten deshalb einen Boykott der Veranstaltung an. Auch über das gewählte Datum bestand Uneinigkeit.

© Lea Dohle

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Dennoch sahen viele in der Einführung des Gedenktages ein starkes Signal. „Der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts steht endlich für die ganze Welt sichtbar in unseren Kalendern“, sagte Hoze Riruako, Vertreter der Herero.

Versöhnungsabkommen ist nicht in Kraft

Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD) nannte den Genozid ein „unerträgliches Verbrechen“ und betonte Deutschlands Verantwortung. Die Bundesregierung hatte 2021 offiziell den Genozid anerkannt und Namibia 1,1 Milliarden Euro für Entwicklungsprojekte zugesagt. Rechtlich bindende Entschädigungen sollten daraus nicht abgeleitet werden – ein Punkt, der in Namibia bis heute auf Widerspruch stößt.

Viele Vertreter der Herero und Nama fordern direkte Verhandlungen mit Deutschland. Die Bundesregierung lehnt dies mit Verweis auf das völkerrechtliche Mandat der namibischen Regierung ab. Das Versöhnungsabkommen ist weiterhin nicht in Kraft. Das Auswärtige Amt sagte, es liefen „konstruktive“ Gespräche über eine Einigung. Ziel sei eine „gemeinsame Aufarbeitung und Gestaltung der Zukunft“.

Deutscher Genozid in Namibia

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