Rietzschel stand ihr zwar beratend zur Seite, schrieb aber nicht mit an Klaues Drehbuch. In der Tat macht der Film auch einiges anders als die Romanvorlage. So stellt er etwa die Familienverhältnisse deutlicher heraus und ergänzt sie durch eigene Erfahrungen.
Der Film wurde unerwartet persönlich
„Der größte Grund war, dass der Film einfach viel persönlicher geworden ist, als ich es geplant habe“, erzählte Klaue. Vor fünf Jahren begann sie, am Stoff zu arbeiten. Zuvor hatte sie in ihrem halbstündigen Film „Lychen 92“ schon eine vergleichbare Geschichte erzählt. Dann starb ihr Vater und ihre eigene Familiengeschichte holte sie ein. Das Einfamilienhaus aus dem Buch, das nie richtig fertig wird, sei auch ihre Geschichte gewesen.
„Wir hatten kein hohes Budget und wir brauchten ein Haus, was in verschiedenen Bauzuständen gezeigt werden konnte und mit dem wir mehr oder weniger machen konnten, was wir wollten. Und in meinem Kopf war natürlich immer das Haus meines Vaters.“ Das Haus, in dem sie selbst aufwuchs, wurde – „unfreiwillig“, wie sie betont – zum Drehort. Der einzige Drehort außerhalb der Lausitz, wenn auch in Ostdeutschland.
In meinem Kopf war natürlich immer das Haus meines Vaters.
Constanze Klaue, Regisseurin
Eine Vorgeschichte zu Pegida und Rechtsruck erzählen
Die Szenen im idyllischen Garten, die das Zerbrechen der Familie bereits andeuten, sind dabei sogar unerwartet humorvoll. Auf der anderen Seite gelingt Klaue auch, wichtige Szenen dramatisch zuzuspitzen und emotional aufzuladen. Dieser freie Umgang mit Motiven aus dem Buch tut dem Film gut. Dabei bleibt er in der Grundstimmung des Buches, vor allem, wenn er die postindustrielle Tristesse mit der freiheitsversprechenden Schönheit der Landschaft kontrastiert.
Eine besonders auffällige Entscheidung betrifft die dramaturgische Struktur. Die Romanhandlung ist zwischen 2000 und 2015 angelegt und wird in mehreren Etappen entfaltet. Der Film konzentriert sich auf die erste Hälfte, sozusagen die Vorgeschichte, und macht dann noch einen zeitlichen Sprung zu einer Art Epilog. Konkrete zeitpolitische Bezüge, die es im Roman zum Ende hin gibt, etwa Pegida, Merkel, syrische Geflüchtete, gibt es im Film nicht.
Klischees über Ostdeutschland vermeiden
Sie habe ganz bewusst darauf verzichtet, erklärt Klaue, nämlich auf „die Bilder, die eben in den Medien schon sehr oft reproduziert werden, mehr oder weniger auch die ganze Symptomatik und die rechte Gewalt, die thematisiert wird.“ Sie wolle lieber über die Familiengeschichte erzählen, wie das entstehe. Oder entstehen kann. Denn: „Einen zwingenden Weg in die Rechtsradikalität gibt es nicht.“ Dafür findet sie im Film eine eindrückliche Erzählweise, die sehr nah an den Figuren ist und immer auf Augenhöhe mit den beiden jungen Protagonisten.
Lukas Rietzschel, der Autor der Romanvorlage, stimmt ihr zu: „Man neigt sehr schnell dazu, das, was sowieso medial schon da ist, zu reproduzieren und aktuell zu halten und damit irgendwann auch in so ein Klischee zu fallen.“ Er schwärmt von der tollen Besetzung des Filmes und insbesondere von der Idee, den Neonazi Menzel gegen den Strich zu besetzen: „Es ist äußerst unwahrscheinlich, das muss man schon sagen, dass ein Neonazi mit Pferdeschwanz irgendwo auftritt, aber allein hier mal das Bild zu nehmen und zu brechen und ihn nicht über diese Glatze zu erzählen.“