Tag der Leichten Sprache

Einfache Wörter + kurze Sätze = mehr Teilhabe

Mi. 28.05.25 | 13:21 Uhr | Von Lisa Splanemann

Mitarbeitende sitzen bei einer Redaktionssitzung der Zeitschrift "Ohrenkuss" um einen Tisch (Quelle: picture alliance/dpa/Henning Kaiser)

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Leichte Sprache ist eine vereinfachte Form des Deutschen, die allen Menschen Teilhabe und den Zugriff auf Informationen möglich machen soll. Am Tag der Leichten Sprache wird auf die Sprachform aufmerksam gemacht. Von Lisa Splanemann

„Bollerwagen – mit oder ohne Bindestrich? Was ist besser lesbar?“ An einem langen, weißen Tisch im Berliner Büro der Bundesvereinigung Lebenshilfe in der Nähe des S-Bahnhofs Storkower Straße sitzen sieben Prüferinnen und Prüfer. Sie diskutieren über Begriffe, Satz- sowie Wortlänge und Schreibweisen. Bei dem aktuellen Treffen prüfen die Teilnehmenden – Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung – einen Artikel für die neue Ausgabe des Magazins, der Beilage der „Lebenshilfe Zeitung“ mit Leichter Sprache.

Die Gruppe einigt sich darauf, das Wort „Bollerwagen“ ohne Bindestrich zu schreiben. Die Prüfenden lesen den Text gemeinsam, gehen ihn durch und schauen auf die Verständlichkeit. An der Wand hängt ein großer Bildschirm, auf dem ein Textausschnitt in Leichter Sprache vergrößert gezeigt wird. Überschriften sind fett markiert, lange Wörter durch Bindestriche getrennt und in jeder Zeile steht maximal ein Satz.


Mehr Teilhabe mit Bindestrichen und Satzzeichen

Die Prüfgruppe gehört zum Lobbyverband und trifft sich in zweiwöchigem Abstand.
Die Prüferinnen und Prüfer sind speziell ausgebildet worden. Sie schauen sich gemeinsam Rechtstexte, Magazinartikel oder politische Forderungen an. Damit Texte in Leichter Sprache wirklich verständlich formuliert sind, gibt es solche Prüfgruppen – sie vertreten die Zielgruppe.

Gibt es Anmerkungen von den Prüferinnen und Prüfern, wird der Text entsprechend angepasst. So werden bei langen, komplexen Wörtern etwa Satzzeichen wie Bindestriche oder sogenannte Mediopunkte eingesetzt, um den Lesefluss zu erleichtern.

Simultanübersetzerin Anne Leichtfuß sitzt in einer Übersetzerkabine (Quelle: picture alliance/dpa/Anne Leichtfuß/Julian Baumann)Anne Leichtfuß übersetzt etwas bei Theatervorstellungen, um Barrieren abzuauen und Teilhabe zu erhöhen. | Bild: picture alliance/dpa/Anne Leichtfuß/Julian Baumann


Kurze Sätze, kaum Fremdwörter, einfacher Satzbau

„Leichte Sprache ist eine vereinfachte Form des Deutschen“, erklärt Anne Leichtfuß, Simultandolmetscherin und Expertin für Leichte Sprache. Sie übersetzt bei Veranstaltungen wie Theatervorstellungen oder Konferenzen. Über Kopfhörer können Teilnehmende der Veranstaltung dann in Leichter Sprache zuhören.

Ziel sei es, dass die Veranstaltung von wirklich allen verstanden werden kann. Von einem Sprachniveau ausgehend, entspreche es etwa dem Sprachniveau A2. Anne Leichtfuß erklärt: „Das heißt, ich mache kurze Sätze, ich erkläre Fremdwörter, wenn ich sie verwende und verändere die Struktur und den Satzbau der Sprache.“


Langer Prozess bis zur fertigen Übersetzung

Für die Sprachform gibt es Regelwerke, die bestimmte Regeln aufführen: So sind Sätze in Leichter Sprache maximal acht Wörter lang, Redewendungen etwa sollten vermieden werden. „Wenn es um die gesprochene Sprache geht, dann nutzt man ein langsames Sprechtempo, man macht hörbare Pausen nach dem Satz“, erläutert Leichtfuß.

Sie erzählt, dass sie Veranstaltungen, bei denen sie parallel dolmetscht, schon lange im Vorhinein vorbereitet. Gibt es PowerPoints, sucht die Expertin für Leichte Sprache nach Fremdwörtern und Fachbegriffen und schreibt für diese Erklärungen in Leichter Sprache. „Und diese überprüfe ich dann wiederum mit meinem Prüfteam. Das heißt, erst, wenn mindestens zwei Leute aus der Zielgruppe sagen, dass sie die Erklärung gut verstehen, verwende ich diese auch beim Dolmetschen.“

Viele Menschen in Deutschland können von Leichter Sprache profitieren: Aktuelle Studien würden davon ausgehen, dass es etwa 14 Millionen Menschen in Deutschland sind, ordnet Leichtfuß ein. „Viele davon sind Menschen mit Behinderung, zum Beispiel Menschen mit Down-Syndrom, Menschen mit anderen Lernmöglichkeiten, Menschen mit demenziellen Erkrankungen – aber die Zielgruppe ist viel größer.“ So gebe es Alltagssituationen, bei denen alle Menschen einen Vorteil davon hätten, Leichte Sprache nutzen zu können, etwa bei der Steuererklärung oder Behördenschreiben.

Auch rbb24.de bietet etwa zu Wahlen Artikel in Leichter Sprache an. Zum Angebot gelangen Sie hier.


Ist Leichte Sprache vorgeschrieben?

Für Internetseiten öffentlicher Stellen ist Leichte Sprache Pflicht. So findet sich Leichte Sprache etwa auf der Webseite der Bundesregierung [bundesregierung.de]. Ab Ende Juni gilt das sogenannte Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, das den Zugang – etwa bei Webseiten – erleichtern und Barrierefreiheit stärken soll. „Leichte Sprache wird immer größer“, beobachtet Prüfer Mirko. Der Tag der Leichten Sprache am 28. Mai soll daher auf die Sprachform aufmerksam machen und für mehr Barrierefreiheit sorgen.


Leichte Sprache dank Künstlicher Intelligenz

Für Leichte Sprache gibt es inzwischen Übersetzungstools, etwa Webseiten, die Künstliche Intelligenz (KI) nutzen und beim Übersetzen in Leichte Sprache unterstützen sollen. Dazu gehört auch der KI-Prototyp Leichte-Sprache-Assistent (LeiSA) der Schwere in Leichte Sprache übersetzt. Das funktioniert „ähnlich wie bei einer Übersetzung von Deutsch nach Englisch“, erklärt Lasse Kohlmeyer, Projektleiter des KI-Servicezentrums Berlin-Brandenburg, das zum Potsdamer Hasso-Plattner-Institut gehört.

Zu einem vortrainierten KI-Modell seien Textbausteine und Regeln hinzugegeben worden. Die KI wurde mit Textbausteinen und Regeln Leichter Sprache gefüttert. Nach deren Vorgaben richtet sich der Leichte-Sprache-Assistent und liefert in seiner Übersetzung kurze, einfache Sätze. Tippt man einen komplexen Text, zum Beispiel über das Thema Leichte Sprache ein, formuliert der KI-Prototyp um: „Leichte Sprache ist eine einfache Sprachform des Deutschen. Sie soll alle Menschen verstehen lassen. Leichte Sprache ist eine vereinfachte Sprache. Sie verwendet nur einfachen Wortschatz. Keine langen Wörter oder komplizierte Sätze.“

Lasse Kohlmeyer sitzt hinter seinem Laptop in einem Büro (Quelle: rbb).Lasse Kohlmeyer feilt an dem KI-gesteuerten Übersetzungsprogramm LeiSa. | Bild: rbb

Vor allem Behörden gehören zur Zielgruppe des KI-Tools, um schwere Behördentexte zu übersetzen. Aber auch für Leichte-Sprache-Übersetzer sei der KI-Prototyp als ein „zusätzliches Hilfsmittel“ gedacht. Die KI, sagt Kohlmeyer, soll ein Werkzeug sein, das Menschen bei ihrer Arbeit unterstütze und keine Arbeitsplätze ersetze.

Noch hat der KI-Prototyp Nachbesserungsbedarf, etwa beim Umfang der Übersetzung. Künftig könnte es möglich sein, die Übersetzung Leichter Sprache beispielsweise durch Bilder zu ergänzen. In Brandenburg wird der Prototyp nun von öffentlichen Verwaltungen in mehreren Kommunen ausprobiert. Die Ergebnisse müssen noch analysiert und ausgewertet werden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 28.05.2025, 19:30 Uhr

Beitrag von Lisa Splanemann