Das Ende ist nah. Schuld daran sind, je nach Studie, Trump, KI oder der Klimawandel. Und wenn der Aufschwung fehlt? Dann geht es auch mit der Kultur schnurstracks bergab. An Untergangsfantasien mangelt es nicht. Da wäre es im Gegenteil mal an der Zeit, den apokalyptischen Dauerschleifen etwas entgegenzusetzen. So etwas wie ein Anti-Apokalypse-Mantra, das auf Widerstand und Resilienz anstatt auf Fatalismus setzt. Im städtischen Kunstraum Lothringer 13 Halle in München wird genau das versucht. Dort ist mit dessen neuem Leiter Kalas Liebfried der „Anti Doom Loop Kult“ in die ehemaligen Fabrikräume eingezogen. Das  Ziel? Mit einem „progressiven Loop“ dem „Verfall der Kultur“ entgegenzuwirken.

Nachlesen lässt sich das auf der neuen Webseite der Lothringer 13 Halle. Und was es bedeutet, das konnte man vor einigen Tagen bei der Eröffnung der ersten von Liebfried verantworteten Ausstellung „Anarchic Animism“ erfahren. Gut, gleich am Eingang steht man da zunächst mal einer Videoarbeit von Georgi Gospodinov gegenüber. Einer Fluginformationsanzeige, deren rotierende Lettern alle irgendwann die Worte „Future cancelled“ ergeben. Was aber auch schon mal verdeutlicht: Anstatt um „Doom“, also Verdammnis, geht es hier nicht einfach um Hedonismus. Auch nicht um eine Schubumkehr in Richtung VW Golf und russisches Gas. Eher geht es um ein Ausweiten der Gattungsgrenzen, was neben etwa den zoologischen auch die künstlerischen meint.

Der Schriftsteller als Videokünstler: Georgi Gospodinovs Arbeit „Future Cancelled“, im Hintergrund eine Installation von Paul Valentin.Der Schriftsteller als Videokünstler: Georgi Gospodinovs Arbeit „Future Cancelled“, im Hintergrund eine Installation von Paul Valentin. (Foto: Christian Kain)

Das zeigt sich wiederum daran, dass Georgi Gospodinov eigentlich ein mit dem Booker Prize prämierter Schriftsteller ist. Hier in der Lothringer 13 tritt der Bulgare aber als Videokünstler auf, bevor er am 25. Juni seinen neuen Roman „Der Gärtner und der Tod“ vorstellt. Auch Liebfried selbst stammt aus Bulgarien. Das war aus seiner Eröffnungsrede zu erfahren. Und dass sein Name ein Künstlername ist. Den echten könne man nur „schwer aussprechen“. Gleichzeitig sei das aber auch typisch für Migranten, ein „Versuch, nicht aufzufallen“. Der 1989 geborene Liebfried kam mit 14 Jahren nach München. Er hat hier Philosophie und Kunstgeschichte und dann Bildhauerei an der Akademie studiert.

Auch am Goethe-Institut hat er gearbeitet. Er hat am freien Kunstraum Rosa Stern Space mitgewirkt, hat Alben und Magazine herausgebracht. Und mit Fragments of Sonic Extinction betreibt er seit 2022 eine Website, die sich mit dem Verschwinden von Klängen befasst. Das alles fließt nun in seine Arbeit in der Lothringer 13 ein. Weshalb er sich dort nicht nur als Leiter, sondern „definitiv aktiv als Künstler“ sieht, wie er bei einem Telefongespräch erzählt. Aber das sei ja auch in der „DNA“ des Ortes, der 1980 als „Künstlerwerkstatt“ gegründet und, so Liebfried, von Persönlichkeiten wie Uli Aigner oder Jörg Koopmann geprägt wurde. Seine direkte Vorgängerin war Lisa Britzger, die nun das Kunsthaus Kaufbeuren leitet.

Dieser Tradition sieht er sich also verpflichtet. Aber: „Der Blick richtet sich absolut auf die Gegenwart“. Gemeint sind damit „brennende Themen“ wie Ökozide, organisch-maschinelle Wechselwirkungen oder „antifaschistische Kulturen der Gegenwart“, um die es im ersten der insgesamt fünf Jahre gehen soll. Das aber nicht in Form von Einzelpositionen, sondern so dass sich über die Genres und Generationen hinweg neue Allianzen bilden. Dieser Ansatz zeigte sich schon beim „Ecocide“-Symposium am 17. Mai, bei dem Künstler, Musiker und Wissenschaftler aufeinander trafen. Ökozid? Damit ist eine erhebliche Schädigung von Ökosystemen gemeint, die von 2026 an in der EU als strafbares Verbrechen gilt.

Dieser Ansatz ist aber auch bei der Ausstellung „Anarchic Animism“ zu spüren. Und auch hier ist wie bei „Ecocide“ eine zentrale Idee, die Beziehung zwischen Mensch und Natur auf neue Art zu denken. Das geschieht nicht plakativ, sondern eher symbolisch, metaphorisch. Etwa, wenn sich Petya Ivanova mit heiligen Wasserquellen und Höhlen in Bulgarien beschäftigt. Wenn in einer Installation von Antoni Rayzhekov ein Wassertropfen Instrumente zum Klingen bringt. Oder wenn Joshua Bonnetta in einer Videoarbeit die innere seismische Welt der Alpen zum Vorschein bringt.

Die Auswahl der genannten Künstler steht dabei zudem für Liebfrieds Bestreben, einen Fokus auf die osteuropäische Kunstszene zu legen. Sowie im Falle von Bonnetta auf spannende lokale Künstler, die international renommiert sind, die man hier aber kaum kennt. Für Kalas Liebfried braucht es solche Allianzen, solche überhörten Stimmen. Damit das mit dem „Anti Doom Loop Kult“, das mit dem Wandel gelingt.