Nach zwei Minuten sieht die Staatsanwaltschaft München I schon ziemlich alt aus. Es hat nicht viel mehr gebraucht als ein paar solide Pässe und den entschiedenen Abschluss des Stürmers vom TSV Maccabi München. Kurz nach Anpfiff steht es auf der Bezirkssportanlage Untergiesing 1:0 für die jüdische Mannschaft.

Gegenüber auf dem Kleinfeld, wo die Truppe von „Sinti und Roma Madhouse“ vorher schon dem Ball nachgejagt ist, nehmen nach den ersten Matches bereits die müden Kicker des „Bellevue di Monaco“, darunter viele Geflüchtete, auf dem Rasen sitzend einen großen Schluck Wasser aus ihren Plastikflaschen. Als Nächstes laufen hier die „Muslime in München“ auf.

An Christi Himmelfahrt treten an der Agilolfingerstraße im dritten Jahr in Folge bei einem Kleinfeld-Fußballturnier Gruppen gegeneinander an, die in dieser Stadt vielen Verletzungen ausgesetzt sind – und damit sind keine sportlichen gemeint. Sie messen sich mit großem Sportsgeist unter anderem auch mit Teams, die während ihrer Dienstzeiten üblicherweise auf die Einhaltung von Recht und Ordnung in München achten. „Gemeinsam füreinander“ heißt der „Cup 2025“.

„Dahinter steckt die Idee, dass kleine und vulnerable Gruppen in München, die von Diskriminierung und Hasskriminalität betroffen sind, beim Sport zusammenkommen. Und zwar Betroffene wie staatliche Stellen.“ Auf die Formel bringt das Event Harald Frießner, Referent der Bayerischen Polizei gegen Hasskriminalität, insbesondere Antisemitismus und Antiziganismus. Er und sein Kollege Peter Weinmaier, Einsatzplaner der Altstadt-Wache, hatten überhaupt erst die Idee für die Ausrichtung dieses interkulturellen Kleinfeldturniers. Der Sport solle die Menschen verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen zusammenbringen und gegenseitiges Verständnis fördern. „Fußball ist dabei Mittel zum Zweck.“

Peter Weinmaier (links) und Harald Frießner sind die Initiatoren des interkulturellen Kleinfeldfußballturniers.Peter Weinmaier (links) und Harald Frießner sind die Initiatoren des interkulturellen Kleinfeldfußballturniers. (Foto: Catherina Hess)

Wie zurzeit kein anderer Bereich schaffe es der Sport, Menschen zu vereinen, die individuellen Belastungen in der Gesellschaft ausgesetzt seien, etwa durch ihre Flüchtlingsgeschichte, bestimmte sexuelle Orientierung oder ihren Glauben. „Hier auf dem Fußballplatz egalisiert sich alles“, sagt Michael Weinzierl, Beauftragter der Bayerischen Polizei gegen Hasskriminalität, insbesondere Antisemitismus. Er ist zusammen mit dem Polizeipräsidium München Veranstalter. „Für manche Gruppen wie die Sinti und Roma gilt der Turnier-Termin inzwischen als gesetzt, weil sie sich gesehen fühlen.“

Danito Böhmer, Stürmer von „Sinti und Roma Madhouse“ erzählt von Mitspielern, die „immer mal wieder Streit mit der Polizei“ hätten. „Sobald der Ball rollt, sind das normale Menschen wie alle anderen auch.“ Für ihn sei es „etwas Schönes, mal mit der Polizei und dem Stadtrat weg von der Straße spielen zu können“.

Maximilian Kraus, Richter am Landgericht München I und Außenverteidiger im Team Staatsanwaltschaft München I schätzt die „Vielfalt“ und „entspannte Stimmung“ auf dem Platz. „Das ist total nett.“ Vergangenes Jahr habe er beim Turnier ein bekanntes Gesicht gesehen, wisse aber nicht mehr, ob aus dem Zeugenstand oder von der Anklagebank. „Das macht mich nicht befangen und als Staatsanwalt ist man eh nicht befangen.“

„Der Schiri hat das letzte Wort“

Aber Sport ist auch Sport und selbst bei den besten Vorsätzen wird’s beim Kicken gern mal hitzig. Wer will schon verlieren? Bei der Begrüßung aller Teams verweist das Organisationsteam deshalb auf den Sanitäter-Pavillon für die Versorgung von Schürfwunden und mahnt, das Temperament zu zügeln. Sonst gilt pro Team: ein Torwart, fünf Feldspieler. Grundsätzlich: Keine Abseitsregel und „der Schiri hat das letzte Wort“.

18 Mannschaften treten diesmal über den Tag verteilt gegeneinander an. Jedes Jahr werden es mehr. Von der Israelitischen Kultusgemeinde ist heuer auch ein Team dabei. „Wir arbeiten eng mit der Polizei zusammen“, sagt ein Sprecher, der nicht mit seinem Namen in der Öffentlichkeit stehen will. „Die Belastung bei uns ist hoch, der Alltag mit anderen Kulturen kompliziert. Sicherheit ist in unseren Einrichtungen inzwischen 24/7 notwendig; jeden Tag gibt’s irgendwo antisemitische Schmierereien.“ Er wünsche sich mehr Veranstaltungen wie diese. „Fußball verbindet.“

Anh Le, 31, Verteidigerin beim „Team München“, Bayerns größtem queeren Sportverein, freut sich über das Zeichen, dass das Polizeipräsidium mit diesem Turnier setzt. „Es bringt alle Minderheiten an einem Tag auf den Platz.“ Auch in der LGBTQI-Community drehe sich zurzeit was. „Wir sind in München nicht mehr sicher.“

Kamiran Issa, 39, hat sein Team gerade noch aufs nächste Spiel eingeschworen. Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde München löst sich aus dem Kreis, in dem seine Mitkicker stehen. In der Mannschaft seien Spieler, die bei Protesten in Iran verletzt worden und dann geflohen seien.  „Wir sind eine heterogene Gruppe.“ Aus den unterschiedlichsten Richtungen kämen auch massive Anfeindungen, denen sie ausgesetzt sind. „Für uns ist wichtig, dass wir an erster Stelle als Kurden gesehen werden.“ Auf den Sportsgeist der Gruppe lässt Issa nichts kommen: „Natürlich will man auch gewinnen. Es geht darum, sich durchzusetzen und sich zu zeigen.“

Auch Fußball-Prominenz lässt sich auf dem Spielfeld blicken

Gleich in der Früh lässt sich mit Benny Lauth auch echte Kicker-Prominenz auf dem Platz sehen. Der Ex-Sechziger, Mittelstürmer beim Hamburger SV und VfB Stuttgart, tritt für das Team Bananenflanke München EV gegen den Ball. Er sei Gründungsmitglied des Vereins, der es geistig beeinträchtigten Kindern ermögliche, regelmäßiges Fußballtraining zu bekommen. „Man kann hier einen tollen Tag zusammen haben und das mit Respekt!“