Interview | Vatertag
–
„Mehr Augenhöhe und Selbstsicherheit würde Vätern guttun“
IMAGO/Janine Schmitz
Audio: rbb|24 | 28.05.2025 | O-Ton aus dem Interview mit Eberhard Schäfer | Bild: IMAGO/Janine Schmitz
Ins Väterzentrum Berlin kommen Väter meist, wenn sie Rat brauchen. Den bekommen sie unter anderem von Therapeut Eberhard Schäfer. Er sagt: Viele Väter wollten die alten Rollen nicht mehr, rutschten aber hinein. Sein Rat: Mehr sprechen hilft.
rbb|24: Herr Schäfer, haben Sie Ihren Bollerwagen geschmückt, um am Vatertag damit durch Brandenburg zu ziehen?
Eberhard Schäfer: Nein. Ich muss den Herren- oder Vatertag nicht aus Melancholie oder anderen Gründen künstlich aufladen – mein Sohn ist schon 42 Jahre alt.
Zur Person
privat
Väterzentrum Berlin –
Eberhard Schäfer
Eberhard Schäfer (63) arbeitet als Therapeut beim Väterzentrum (Träger: Stützrad) in Berlin Prenzlauer Berg. Schäfer der auch Buch-Autor ist, lebt in Berlin und führt etwa 15 Beratungsgespräche pro Woche.
Sie arbeiten im Väterzentrum. Welche Männer kommen zu Ihnen – nur die, die Probleme haben?
Die Männer sind Väter oder gelegentlich werdende Väter. Die meisten kommen mit Trennungsthemen zu uns. Oft verändert sich gerade etwas. Das Kind möchte beispielsweise mehr oder weniger zum Vater oder mit der Mutter der Kinder muss etwas neu besprochen werden. Hierfür suchen die Väter Rat. Diejenigen, die nicht in einer Trennungssituation sind haben oft Fragen, die mit Bindung und Beziehung zu tun haben. Manche fühlen sich ihrem Kind fremd, wollen wissen, warum das so ist und wie sie ihm näherkommen können.
Sie sitzen im Prenzlauer Berg. Kommen zu ihnen vor allem die typischen Prenzlauer-Berg-Väter?
Insbesondere bei unseren Vor-Ort-Veranstaltungen für Väter mit Kindern kommen vor allem Männer aus Prenzlauer Berg oder Friedrichshain. Sie charakterisiert, dass sie häufig sehr mobil sind. Sie leben ein paar Jahre an einem Ort, dann ziehen sie wieder weg. Oft kommen auch Väter – viele mit internationalem Hintergrund – zu uns, die noch nicht lange hier wohnen und die Kontakte suchen. In der Beratung sind wir aber mit Vätern von Überallher in Kontakt. Viele kommen auch aus Brandenburg. Und da ist das Spektrum sehr viel bunter: ein Universitätsprofessor, aber auch der Baumpfleger.
Sie arbeiten seit vielen Jahren mit Vätern – gibt es etwas, was Sie manchmal nervt an deren Verhalten oder Selbstwahrnehmung?
Wenn mich die Väter nerven würden, hätte ich keine Lust mehr, diese Arbeit zu machen. Was mir aber immer wieder auffällt, ist eine gewisse Unsicherheit, die die Väter mitbringen. Sie tritt oft in Trennungssituationen zutage. Die Väter fragen, was sie tun und welche Fehler sie vermeiden sollten. Viele sind auch unsicher, wie sie zu ihrem Kind stehen. Da wünsche ich mir manchmal sehr Selbstbewusstsein. Sie sind Väter – also haben sie auch seit diese geboren sind eine Beziehung zu ihrem Kind oder den Kindern. Nur weil die Beziehung in die Brüche geht, sind sie kein Elternteil zweiter Ordnung. Wer jahrelang ein guter Vater für sein Kind war, kann das auch bleiben. Viele Väter haben eine Unsicherheit mit allem, was bei diesem Thema eine Rolle spielt: dem Jugendamt, anderen Beratern und auch mit der Mutter, von der man sich gerade trennt. Da würde mehr Augenhöhe und Selbstsicherheit den Vätern guttun. Beide wollen ja das Beste für die Kinder – darüber muss man reden. Und ich hoffe, dass meine Beratungen dazu beitragen, dass die Väter mehr Sicherheit in ihrer Rolle gewinnen.
Können das die Väter schlecht, weil Männer bis heute nicht gut gelernt haben, über Gefühle zu sprechen?
Sie haben in der Tat wenig gelernt, über ihre Gefühle oder ihr Vatersein zu sprechen. Männer werden zwar gerne Väter und freuen sich darauf, Kinder zu haben. Aber die Selbstverständlichkeit in ihrer Rolle fehlt ihnen manchmal. Wenn man vergleicht, wie Väter mit ihren Kindern in Krabbelgruppen umgehen und wie Mütter das machen, ist deutlich zu bemerken, dass die Väter währenddessen viel über Berufliches reden und über das, was sie in der Freizeit machen. Die Kinder laufen nebenher. Ich will das nicht schlechtreden, aber ich finde, da fehlt manchmal der Austausch über die Kinder und die Beziehung zu diesen. Unter Müttern ist genau andersherum. Das gehört bis heute nicht zum Rollenverständnis von Vätern.
Eberhard Schäfer
Erleben Sie bei jungen Vätern noch viele alte Rollenmuster oder auch ein neues Selbstverständnis?
Es gibt ein neues Selbstverständnis, das beinhaltet, dass man als Vater selbstverständlich Vater ist und dass es den Männern wichtig ist, dass es ihrem Kind gutgeht und sie sich darum täglich Gedanken machen. Das ist anders als noch vor 20 oder 30 Jahren. Das traditionelle Rollenverständnis, wenn man darunter beispielsweise versteht, dass der Vater morgens zur Arbeit geht und abends zuhause nur „Hallo“ sagt, findet man nur noch in wenigen Familien.
Hat sich die Rolle von Vätern auch bei Trennungen und Sorgerechtsangelegenheiten verändert?
Kommt die Trennung, wachen viele Väter auf und reflektieren häufig erstmals ihre Rolle. Sie denken darüber nach, wie wichtig das Kind für sie ist und wie wichtig sie für das Kind oder die Kinder sind. Bei der Frage, wie viel Zeit das Kind bei einer Trennung beim Vater bleiben soll, ist für viele Väter heute klar, dass sie nicht zum Wochenend-Vater werden wollen. Viele Mütter fühlen sich dann nicht so gesehen, wie sie sich selbst sehen – nämlich als vollumfängliche Mutter, zu der das Kind gehört. Wenn die Väter signalisieren, dass sie auch vollumfänglich Vater sind und das auch bleiben wollen, muss man über Vereinbarungen sprechen, die zu diesem Selbstververständnis der Eltern passen.
Sie haben gesagt, dass Väter in Krabbelgruppen weniger übers Kind, sondern eher über den Beruf und andere Dinge sprechen. Wie erklären Sie, dass Männer bei Themen wie Elternzeit oder Teilzeit oft mit Rückzug statt mit Engagement reagieren? Ist Karriere immer noch wichtiger als Kind?
Sie ist vielfach auch wichtig. Wobei Karriere als Begriff meist relativ ist. Die Männer wollen einen Job haben, über die Runden kommen und sich im besten Fall weiterentwickeln. Aber bei den Themen Elternzeit und Teilzeit kommen auch wieder Stereotype sowohl vom Vater als auch der Mutter ins Spiel. Wenn Eltern sich absprechen, wer wann wie lange Elternzeit nimmt, entscheiden sich die Paare oft für eine kurze Elternzeit des Vaters. Diese Entscheidung kommt aus meiner Sicht häufig zustande, weil viele Mütter klar sagen, dass sie ein Jahr beim Kind bleiben wollen. Die meisten Väter wollen gerade in dieser Phase keine Konflikte. Wenn die Diskussion um mehr Elternzeit, die sich vielleicht vorgestellt haben, zu unangenehme Diskussionen führen würde, lassen sie es oft. Und mit der Teilzeit verhält es sich ähnlich. So schleichen sich dann alte Rollenmuster ein. Und, ein wenig ironisch formuliert, wundert sich so manches Paar zehn Jahre später über den Schlamassel, den es angerichtet hat.
Was müsste eigentlich passieren, damit der Vatertag nicht mehr nach Alkohol und Bollerwagen, sondern nach Anerkennung und Verantwortung klingt?
Gegenfrage: ist die Geschichte mit Bollerwagen und Bier nicht eher ein totales Auslaufmodell? Das machen vielleicht eher noch junge Männer, die noch gar keine Väter sind. Nach meiner Wahrnehmung ist der Vatertag für die meisten Männer eher ein Feiertag, also Christi Himmelfahrt, an dem sie etwas mit Ihrer Familie unternehmen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24