Der frisch fertiggestellte Freisitz des Axxon N. muss am Tag seiner Eröffnung schon den ersten Regen aushalten. Noch ist es ein ruhiger Vormittag und im Außenbereich des neuen Clubs im Kohlrabizirkus wird geschraubt, gebaut, aufgeräumt. Ab 18 Uhr werden die ersten Gäste erwartet – und auch die Sonne. Es ist ein Freitag. Fünf Wochen zuvor, am 12. April, feierte das Team des Axxon N. sein großes Opening, seitdem öffnet der Club an jedem Freitag- und Samstagabend seine Türen für alle, die feiern und sich ausleben wollen.
Kurzentschlossen Clubbetreiber*innen
Vier Monate lang herrschte – zumindest von außen betrachtet– Stillstand in den verwinkelten Räumen, die zehn Jahre lang das Zuhause des in der hiesigen Techno-Szene beliebten Instituts für Zukunft (IfZ) waren. Hinter den Kulissen liefen seit Januar die Arbeiten auf Hochtouren. „Es war uns sehr wichtig, diesen besonderen Gesellschafts- und Kulturraum hier im Kohlrabizirkus offenzuhalten“, erzählt Lucas Pulkert, der Mitglied der Betreiber*innengesellschaft des Axxon N. ist. Wir haben es uns zum Gespräch im Backstage-Bereich gemütlich gemacht und hören draußen den Regen prasseln.
Als sich zu Beginn des Jahres abzeichnete, dass es keine Interessenten vor Ort gab, die das IfZ neu entwickeln würden, wollten die heutigen Betreiber*innen des Axxon N. das nicht hinnehmen. Die Entscheidung für die Übernahme des Clubs fiel kurzentschlossen, für manche aus dem Team bedeutete es den Umzug von Berlin nach Leipzig.
Die Gruppe setzt sich zusammen aus Personen, von denen einige ihren Lebensmittelpunkt in Leipzig haben, andere deutschlandweit verteilt leben. Sie bringen unterschiedliche berufliche Hintergründe und Erfahrungen mit und ein gemeinsames Ziel: „Wir glauben daran, dass es Räume braucht für den gesellschaftlichen Austausch – und wollen unseren Beitrag dazu im Rahmen der Clubkultur leisten.“
Die Einschätzung, wie wichtig das sein kann, speist sich zum großen Teil aus eigenen Erfahrungen. Lucas selbst erzählt von Clubbesuchen im Ausland – auch an Orten, wo marginalisierte Gruppen, wie die queere Community, mit Repressionen rechnen müssen, wenn sie ihre Identität frei ausleben. „Dort die Erfahrung zu machen, was für ein Freiheitsraum zur Entfaltung so ein dunkler Club für Menschen sein kann, hat mich und mein Verständnis von diesen Räumen sehr geprägt.“
Raum zur Entfaltung
Diese Dunkelheit, eine Ahnung von Verborgenem, bekommt man auch auf den einschlägigen Social-Media-Profilen des Axxon N. präsentiert – nicht ohne Grund. Es spiegelt den Bereich des Möglichen wider, macht vielleicht auch neugierig. Die Dunkelheit der Nacht und ihrer vielfältigen Kultur macht es vielen einfacher, sich fallen zu lassen und ein sicheres Gefühl zu entwickeln. Dass Handykameras in den meisten Techno-Clubs seit Jahren abgeklebt werden müssen, schlägt in dieselbe Kerbe.
Was per se nicht heißen müsse, dass sich diese Vision nicht auf weiterentwickeln könne, wirft Lucas ein. „Es war uns wichtig, erst einmal in eine Richtung zu starten. Die Clubbesucher*innen sollen wissen, was sie bekommen, wenn sie den Abend im Axxon N. verbringen.“
Neben den „klassischen“ Clubabenden ist das Team aber auch dabei, Formate zu entwickeln, in welchen sich DJ-Newcomer sowie hiesige Kollektive und Bands präsentieren können. Auch die Idee, mittwochs und donnerstags die Türen zu öffnen, ist noch nicht abgewählt.
„Momentan probieren wir natürlich viel aus und beobachten: Was wird gut angenommen? Es ist ganz klar, dass dabei auch Fehler entstehen werden. Wir sind ins kalte Wasser gesprungen und lernen ständig weiter. Unser Ziel ist es, die Nacht für unsere Gäste schön zu gestalten und das mit hoher Professionalität zu tun. Daran lassen wir uns messen und sind auch offen für Kritik. Uns ist bewusst, dass das hier ein besonderer Ort ist, an dem Menschen sich fallen lassen wollen. Das soll einhergehen mit qualitativ hochwertiger Musik.“
Von Anfang an stand dabei auch die Frage im Raum, welche Strukturen nötig sind, um genau das zu erreichen. In einer Zeit von Clubsterben ist die Party der einen das hohe Risiko der anderen. So musste es auch der Vorgänger-Club, das IfZ, erfahren. „Natürlich können wir nicht mit Sicherheit sagen, dass uns so etwas auf gar keinen Fall passieren wird. Europaweit machen die Clubs dicht – die Neben-, Lohn- und Betriebskosten sind enorm angestiegen, das Ausgehverhalten der Feiernden hat sich verändert.“
Aber was kann man tun, um gegenzusteuern? „Eine Maßnahme, die wir eingeführt haben, ist ein komplett bargeldloses Bezahlsystem“, erklärt Lucas. „So sympathisch der zerknitterte Zehner an der Bar ist – mit Bargeld in einem Club zu agieren, ist schlichtweg teuer. Allein der Umtausch in Münzen kostet Geld. Das ist nur ein Beispiel. Deshalb haben wir uns, auch nach dem Austausch mit anderen Clubs in Deutschland, für die cashless Variante entschieden.“
Auch in Leipzig bettet sich das Team inzwischen gut in das Netzwerk der hiesigen Nachtkultur ein. Sowohl die Stadtverwaltung als auch der Livekommbinat Leipzig e.V. seien unterstützende Ansprechpartner, Leipzig mit seiner Infrastruktur der Botschaft der Nacht ein dankbarer Ort. Luft nach oben sei natürlich immer. Aber: „Wir haben von Anfang an das Gefühl gehabt, mit Wohlwollen und Neugier empfangen zu werden.
Der Support durch die Stadt war auch ein Grund dafür, das Abenteuer einzugehen.“ Eine Entscheidung, die die Betreiber*innen bisher nicht bereut haben: „Wenn wir sehen, wie aufgeschlossen und divers unser Publikum ist, gibt es uns das Gefühl, dass unsere Idee hier gut aufgeht. Das macht uns happy.“