Was lesen Sie?

Ich kann das gar nicht so einfach beantworten. Ich lese ständig alles kreuz und quer. und meine Arbeit besteht dann darin, für mich selbst eine Ordnung in das Durcheinander zu bringen. Nach dem 7. Oktober habe ich eine ganze Weile nur noch Zeitung gelesen oder mich wie ein Wahnsinniger durch die sozialen Medien gewühlt. Damit habe ich irgendwann aufgehört, zumindest mit der Plattform X. Das hat mir sehr gutgetan. Dann habe ich mich an Lion Feuchtwanger erinnert und daran, wie sehr mir mal seine Josephus-Trilogie, „Die Jüdin von Toledo“, und „Die Füchse im Weinberg“ geholfen haben, etwas über die Geschichte, die auch meine ist, aber auch über die Gegenwart zu verstehen. Die Wartesaal-Trilogie war mir damals zu nah dran, aber jetzt scheint die richtige Zeit dafür zu sein. Und dann ist da noch Jiří Weils „Leben mit dem Stern“, von dem ich inzwischen schon zwei Ausgaben besitze, die ich mich bis jetzt nicht zu lesen getraut habe. Aber nun ist Maxim Billers Novelle „Der unsterbliche Weil“ erschienen, und jetzt habe ich beide Bücher auf eine Reise mitgenommen, um sie zu lesen.

Welches Buch haben Sie im Bücherschrank, das Sie bestimmt nie lesen werden?

Vermutlich werde ich die meisten nie lesen. Zumindest nicht bis zum Ende. Ich kaufe ständig Bücher, die ich nicht zu Ende lese. Gerade wenn ich Bücher bestelle, passiert es immer wieder, dass sie erst einmal wochenlang auf einem Stapel landen. Ich habe auch schon Bücher doppelt gekauft, weil ich mich nicht erinnern konnte, dass das Buch längst in meinem Schrank steht oder unter einem dieser Stapel aus anderen Büchern vergraben ist. Früher bin ich manchmal an einem Buch hängen geblieben und habe es nicht mehr weggelegt, bis ich es durch hatte, aber das passiert mir kaum noch. Als Kind ging es mir komischerweise ähnlich. Ich war schlecht in der Schule und fühlte mich ständig unter Druck, irgendwas machen zu müssen, was ich nicht wollte oder was mir gar nicht lag. Im Moment geht es mir ähnlich. Ich muss über viele Dinge nachdenken, die mir nicht gefallen, die mich aber auch nicht in Ruhe lassen. In diesen Lebenslagen fällt mir das Lesen besonders schwer.

Der Künstler Leon Kahane, geboren in Berlin, studierte an der UdK bei Hito Steyerl. In seiner neuen Ausstellung „Dialog, Dialog, Dialog“ (bis 22. August in der Galerie Nagel Draxler, Köln) setzt der Neununddreißigjährige sich unter anderem mit der Präsentation eines Werks von Gerhard Richter in Auschwitz auseinander.

In der Sonntagszeitung vom 1. Juni finden sich zusätzlich die Antworten von Leon Kahane auf die Fragen, was er sieht, was er hört – und wann er zuletzt seine Meinung geändert hat.