Wo könnten leichter Sommergefühle aufkommen als an der eleganten Côte d’Azur, der schönsten Küste der Welt mit ihren Palmen und dem türkisfarbenen Wasser. Vor allem aber auch an der teuersten Küste. Denn seit US-Amerikaner und Asiaten die Hotel- und Restaurantpreise alljährlich zu neuen Höhen treiben, kann selbst ein einfaches Mittagessen mächtig ins Geld gehen. Damit man beim Prassen wenigstens schön sitzt, kommen hier die besten Restaurant-Terrassen für einen wirklich unvergesslichen Sommer.
Bienvenue im Hôtel du Cap-Eden-Roc
Beginnen wir mit einem Restaurant, auf dessen Sonnenterrasse sich der Gast vorkommt, als wäre er tatsächlich selbst „Der große Gatsby“ – eben nur in Frankreich statt auf Long Island.
Hier fühlt man sich wie ein Hollywood-Star.
(Foto: Eden Roc)
Mehr Côte d’Azur-Zauber als auf dem pittoresken Felsen am Cap von Antibes geht nun wirklich nicht. Das mondäne Haus existiert seit 1863, früher war es Sommerresidenz für Schriftsteller, Maler und Aristokraten, später wurde es Heim der Sommerfrische für Hollywood-Stars und Sternchen. So hängt im Hotelflur an der Wand die Widmung von Paris Hilton, die das Eden-Roc als das beste Hotel der Welt bezeichnet. Zumindest von der Lage gibt es wenig Vergleichbares. Die Seeseite der Villa führt auf die Klippen von Antibes hinaus, der Blick hinüber auf die kleineren Inseln ist hypnotisch. Segelboote kommen vorbei und das Meer und der Himmel sind so, als wäre man selbst auf einem Kreuzfahrtschiff, sogar ein historischer Rettungsring hängt draußen am Geländer.
Auch kulinarisch trumpft das Haus, das seit fast 60 Jahren der Bielefelder Familie Oetker gehört, groß auf. Im Sternerestaurant Louroc gilt das vor allem bei den Preisen. Die Amerikaner sind im eigenen Land ja schon seit Jahren bereit, beinahe jeden absurden Preis für luxuriöse Hotelzimmer zu zahlen, deshalb ziehen auch südeuropäische Hoteliers mit vielen amerikanischen Kunden immer mehr nach, das gilt auch in den Restaurants. Im Louroc beginnt kaum eine Vorspeise unter 60 Euro. Der Hit ist das Steak Diane, das direkt am Tisch vom Maître zubereitet wird, mit reichlich (und viel zu viel) Senf und Cognac, das gibt eine hübsche Flamme, ein Hingucker für Influencer, schmeckt aber wie ein dünnes, durchgebratenes Stück Fleisch für 90 Euro. Es ist die günstigste Hauptspeise im Haus. Unterkomplex und überwürzt, wie es eigentlich nur snackfreudige Amerikaner bestellen können.
Deshalb wenden wir uns lieber erfreulicherem zu – und genau das trifft auf das Tagesrestaurant namens Grill zu. Hier sitzen allmittäglich die Schönen und Reichen auf einer unglaublichen Sonnenterrasse, es gibt schicke Hüte zu bewundern und Handtaschen, die mehrere Monatsgehälter teuer sind. Es ist Schickeria vom Feinsten, die auch Otto Normalbürger mal gesehen haben muss – aber es ist dazu auch noch unglaublich lecker.
Sommerküche mit frischem Thunfisch.
(Foto: Eden Roc)
Das beginnt schon beim klassischsten aller Salate, der echten Nicoise aus dem benachbarten Nizza, der hier in Perfektion serviert wird: Der Thunfisch schmeckt elegant wie selten, nicht dieses fadsalzige Dosenzeug, sondern große, feine Filets. Dazu kommen Sardellen, Wachteleier, reichlich Staudensellerie, Tomaten, ein paar dicke Fava-Bohnen, kein Dressing, sondern nur ein wenig Öl – es ist so simpel wie hingebungsvoll. Das Highlight ist aber die RawBar am Eingang zum Restaurant, wo junge Köche den Fang des Tages roh zubereiten: Die Gelbschwanzmakrele wird etwa als Carpaccio in dicken Scheiben aufgeschnitten, so hat sie das kräftigste Aroma, dazu kommen Yuzu, Granatapfelkerne und Koriander – ein Gedicht. Noch stärker ist das Doraden-Ceviche mit Passionsfrucht und grüner Zitrone, frischer kann ein Fisch nicht schmecken.
Am Ende des Menüs bringt die junge Kellnerin eine sehr hübsche Dessertauswahl zum Aussuchen an den Tisch, sehr kreative Törtchen wie einen Seemannsknoten, der aus Vanille und weißer Schokolade besteht, reichlich Karamell inklusive. Es ist ein würdiger Abschluss für diesen Ort, der schöner kaum sein könnte.
Auf einen Stern ins Fürstentum
Mehr Bling-Bling geht nicht? Doch. Rund 30 Kilometer Luftlinie weiter östlich. Denn da liegt der Zwergstaat Monaco, in dem anders als im Vatikan nicht der Glaube regiert, sondern das Geld. Weil hier die Steuern niedrig sind und Stars und Superreiche deshalb Wohnungen kaufen. Nur ist eben kein Land da, auf dem Monaco erweitert werden könnte – im Norden liegen die Felsen Frankreichs, im Süden das Meer. So baut sich das Fürstentum in die Höhe, immer neue Wolkenkratzer entstehen, längst sehen die paar Quadratkilometer aus wie Dubai im Kleinen, nur eben viel hübscher.
Jeden Abend spielen sich vor dem Casino und dem Hôtel de Paris die gleichen merkwürdigen Szenen ab: Wenn die Haute-Volée im Ferrari vorfährt oder in der Rolls-Royce Corniche und dann hunderte Touristen sich vor, neben und am liebsten auch in den Wagen fotografieren lassen. Der Reichtum in Monaco trägt bisweilen kuriose Züge: Bei unserem letzten Aufenthalt wurde meine Frau im Mittelmeer von einer Qualle gebissen. Der sehr gut aussehende Bademeister des Monte Carlo Beach Club machte sich daran, die Tentakel aus ihrer Haut zu streichen – und er benutzte dafür allen Ernstes seine goldene Kreditkarte.
Schöner als hier kann man kaum sitzen.
(Foto: Elsa)
Die wichtigsten Hotels und Restaurants des kleinen Staates sind fest in staatlicher Hand, sie gehören allesamt zur Societé des Bains de Mer, also zur Gesellschaft für Seebäderbetriebe. Klingt wie eine Klitsche, ist aber der größte Arbeitgeber in Monaco, der Jahresumsatz beträgt 700 Millionen Euro. Kein Wunder, verantwortet die SBM auch den Casinobetrieb genau wie das erste Haus am Platz, das Hôtel de Paris und den Monte-Carlo Beach Club.
Im Ersteren hat Alain Ducasse sein berühmtestes Lokal, das Le Louis XV. Nebenan im L’Hermitage hat der japanische Meisterkoch Yasunari Okazaki soeben für sein grandioses Sushi im L’Abysse auf Anhieb zwei Sterne bekommen.
Im Letzteren, dem Strandclub am Rande des Felsens, auf dem Monaco liegt, gibt es das Restaurant Elsa. Viel schöner kann man im Fürstentum nicht sitzen, es sind weiß eingedeckte Tische auf einem Terrassenvorsprung, es gibt weiße Sonnenschirme und sehr viel Platz und Privatsphäre – und einen unverbauten Blick aufs Mittelmeer, im engen Monte-Carlo eine echte Rarität.
Eben hat das Elsa einen Stern bekommen, auch den schon ein Jahr nach der Eröffnung mit den neuen Chefkochs Marcel Ravin und Domenico D’Antonio.
Und die machen wirklich mal Bling-Bling, dass es eine wahre Freude ist, nicht protzig, sondern einfach nur aufregend und wahnsinnig gut. Das beginnt schon beim Reigen der Amuse-Bouches, einem Ritt durchs Mittelmeer, kleinteilig und floral, mit Törtchen von Zucchini und Kalmar, dazu reichlich Kaviar, aufgeschlagenen und mit Kressecrème und Algen gefüllten Eiern, zarten Tarteletts mit Langustinen-Tartar, die auf hunderten echten Muscheln und Meeresschnecken liegen. Eine Liebeserklärung für Augen und Gaumen. Und genau so geht es weiter, mit einem dampfenden Carabineiro, der im Meerwasser gegart wurde – Mittelmeeraroma pur. Nur zart gedämpfte Makrele trifft Oliven und ein Sorbet von Limette – oder die Rotbarbe, die so oft völlig übergrillt wird. Hier ist sie perfekt, der Radicchio bringt genau die perfekte Bitterkeit zum Fisch, eine leichte Zabaione rundet die Aromen ab.
Das Elsa ist ein kulinarisches Erlebnis und den Erste-Reihe-Meerblick gibt’s noch dazu.
Die schönste Villa von Saint-Tropez
Kein Riviera-Besuch ohne einen Abstecher zum größten Hotspot schlechthin für die Schönen und Reichen – welcome to Saint-Tropez.
Die kleine Départementale-Straße in das Städtchen ist permanent verstopft. Deshalb empfiehlt es sich, das Hotel schon ein Stück vor der Stadt zu suchen. Was für ein Glück, dass genau dort, auf einem Hügel in Gassin mit einem hypnotischen Blick auf die Bucht, die Villa Belrose liegt.
Ein bisschen außerhalb und besonders charmant – die Villa Belrose.
(Foto: Andreas Stenger)
Ein kleines Haus ist diese Villa – oder wie der sympathische Chef Robert van Straaten mit holländischem Dialekt sagt: „Ich leite hier seit Jahren meinen kleinen, aber feinen Campingplatz.“
Nun ja, deutlich luxuriöser geht es hier schon zu, der Pool ist toll, genau wie der Fitnessraum, die souveräne Barcrew lässt keine Wünsche offen. Es gibt nicht so viele Zimmer, deshalb ist die Stimmung intim. Und die Freude groß, dass auch die Küche wieder an alte Glanzzeiten anschließt.
Ein paar Jahre hat Duc Ngo, der Berliner Sushi-König, hier die Karte kuratiert. Nun darf wieder ein Franzose ran, was hier, inmitten der Provence, des französischen Gemüsegartens schlechthin, auch Sinn ergibt: Jimmy Coutel heißt der junge Mann mit kahlem Kopf, der schon seit vier Jahren in Saint-Tropez kocht, nun als alleiniger Küchenchef.
Spargel an der Riviera? So geht das.
(Foto: Alexander Oetker)
Und der Mann kann was: Seine Kreationen zeugen vom großen Stolz auf die Produkte der Provence – und von absoluter Kennerschaft. So ist es sein Freund Sydney, der im nahen Grimaud einen riesigen Garten hat, in dem er ausschließlich für die Villa Belrose Gemüse züchtet. Brutal regional und saisonal eben. Daraus macht Jimmy Coutel zum Beispiel einen exzellenten vegetarischen Teller, der auch ein Hingucker ist: mit confierten Tomaten, Zucchini, Auberginen, Artischocken, es ist schlicht, aber gerade deshalb so grandios, weil jedes einzelne Gemüsestück so reif und deshalb geschmackvoll ist, wie man es hierzulande selten bis gar nicht bekommt.
Coutel versteht es auch, seine Gerichte so kreativ anzurichten, dass sie sich sogar für Instagram chic fotografieren lassen, das ist wichtig an diesem Bling-Bling-Ort – aber der Vorteil in der Villa Belrose ist: Es schmeckt trotzdem. Wie der grüne und weiße Spargel, die Stangen wurden kleinteilig aufgeschnitten und als Blume drapiert, darauf kommt ein Kondiment von Nüssen und weißem Trüffel, ein leckerer Hingucker. Der Wolfsbarsch kommt mit gefüllter Morchel und Erbsen an den Tisch, dazu gibt es geräucherten Aal und eine grandiose, tiefe und schlicht perfekte Jus von Kardamom und Knoblauch – eine Sauce zum Hineinlegen.
Highlight ist für den Kritiker das Dessert vom farbenprächtigen Rhabarber, formschön in einen Kreis gelegt, sodass grün und pink noch mehr strahlen, dazu gibt es ein Tartelett von Vanille und Kirsche und cremigen Milchschaum mit kleinen lilafarbenen Blüten – ein Traum am Golf von Saint-Tropez.
Das kleine Hotel am Ende der Welt
Zum Abschluss unserer Riviera-Rundfahrt kommt hier noch mein Geheimtipp an den Felsen von Saint-Raphael. Hier liegt das Hôtel Les Roches Rouges von der sehr exklusiven Beaumier-Gruppe, die sich hauptsächlich auf das perfekte Design versteht: Durchdacht, nachhaltig, sehr zurückgenommen und eben gerade nicht protzig, sondern wunderschön.
So ist dieses Haus für mich eines der schönsten Herbergen auf der Welt. Der Ort ist perfekt für ein Wochenende zum Durchatmen, denn hier, am salzigen Naturpool oder bei einem Sprung vom Steg ins sonnenwarme Mittelmeer, fühlen sich schon zwei Tage Erholung so an wie anderswo eine ganze Woche.
Es ist ein Traum, dieses Haus, die stilvollen Möbel, die immer wieder auftauchenden Farben Gelb und Blau, die so perfekt mit dem Sommerhimmel und dem Meer kontrastieren. Der Blick fällt auf die Goldinsel gegenüber, die Île d’Or, die im Abendlicht glänzt.
Alexandre Baule knüpft an seinen Vorgänger an und macht trotzdem vieles anders.
(Foto: Lucas Dutertry)
Eben hat das Hotel für die Saison neu eröffnet, nebenan ist dieses Jahr ein neues Gebäude hinzugekommen, das exklusive Suiten beherbergt. Und es gibt einen neuen Küchenchef: Alexandre Baule heißt er und er setzt die schöne Tradition seines Vorgängers, des Sternekochs José Bailly fort, auf der Speisekarte die Produzenten sogar namentlich zu würdigen. Schließlich sind sie es, die nächtelang auf dem Meer auf Fischfang gehen, in dürren Jahren trotzdem geniale Tomaten ziehen und nachhaltig Tierzucht betreiben, für die Milch und die tollen Käse, die im Haus angeboten werden.
Die Location fürs Dinner in sechs oder acht Gängen (vegetarisch oder als Mittelmeer-Hommage mit viel Fisch) könnte schöner nicht sein: Die Tische stehen in großem Abstand auf der Terrasse hoch über dem Meer, draußen ist auch die Open-Air-Bar, der Blick aufs große Blau ist hypnotisch.
Und dann Alexandre Baules fantastische, total produktorientierte Küche – reduziert aufs Maximum: Wie beim Tintenfisch, den der Koch als Canneloni rollt, gefüllt ist er mit einer Mousse aus grünen Erbsen und Fava-Bohnen mit viel Estragon und schwarzem Knoblauch.
Bei diesem Essen möchte man ewig sitzen.
(Foto: Lucas Dutertry)
Ebenso wie der ganz sorgfältig und nur ganz kurz bei großer Hitze angeflämmte rote Thunfisch, der so pur und rein und fabelhaft schmeckt, dazu serviert Baule nur eine feine Kräutersauce und katalanisch gegrillte Frühlingszwiebel.
Der junge Koch, der aus der Isère, dem gebirgigen Osten Frankreichs stammt, versteht sich auch auf Fleisch: Sein Milchlamm serviert er als blutrotes Filet, das in der Qualität an zartestes Wagyu erinnert, die dunkle Soße ist französische Spitzenklasse. Dazu gibt es eine gebackene Zucchiniblüte, eine der besten Delikatessen im Süden Frankreichs. Wahnsinnig gut. So passt auch der Koch zu diesem Ort am Ende der Welt, den der Gast nur sehr ungern wieder verlassen mag.