Nackte Männerfüße auf einem Stuhl, in Großaufnahme an der Bühnenrückwand. Dann kickt ein Fuß den Stuhl weg, zitternde Zehen krampfen im Todeskampf, bis sie erschlaffen. Es ist vorbei. Harry Meyen, Romy Schneiders Ex-Mann, hat sich erhängt. Und der Premierenabend im Deutschen Theater ist endgültig an seinem Tiefpunkt angelangt. Was bringt einen feinsinnigen, integren Künstler wie den Choreografen Enrique Gasa Valga dazu, den Selbstmord eines Menschen derart bedenkenlos zu inszenieren? Ein Tanztheater über das Leben von Romy Schneider, just an ihrem 43. Todestag – womöglich ist so ein Projekt generell zum Scheitern verurteilt. Auch wenn das Applausometer, gäbe es hier eines, etwas anderes sagt.

Denn natürlich springen sie auf im Saal, Ovationen nach dem Schlussvorhang. Das Publikum im Deutschen Theater ist begeisterungsfähig und höflich. Und in der Tat gibt es ja auch einiges zu bejubeln: Gasa Valgas Limonada Dance Company, das sind großartige Tänzerinnen und Tänzer, allen voran Camilla Danesi, die nicht die geringste Ähnlichkeit mit Romy Schneider besitzt, der Titelfigur dennoch einiges an auratischer Tiefe verleiht.

Was eine immense Leistung ist, denn zumeist hetzt die Tanzshow im Zeitraffer durch das kurze Leben der Rosemarie Magdalena Albach. Eine etwas biedere Nummernrevue in 19 Bildern, mal mehr, mal weniger erwartbar, allzu oft mit Klischees, Mutmaßungen, Überzeichnungen befrachtet. Beispiel: Romys Eltern, die Ufa-Stars Magda Schneider und Wolf Albach-Retty, sie schweben durch einen Tanzsaal, ein Filmset. Eine grellrote Hakenkreuzfahne rauscht von der Decke, Magdas rechter Arm fährt aus zum Hitlergruß, Wolf erstarrt und wendet sich von ihr ab. Was soll das aussagen? Der Mann war früh förderndes Mitglied der SS, NSDAP-Mitglied und spielte in der NS-Unterhaltungsfilmproduktion.

Zum Tod von Alain Delon

:Der Unberührbare

Es gibt nur wenige, die das Kino so geprägt haben wie er: Zum Tod des großen und komplizierten Künstlers Alain Delon, der fast Metzger, dann zum Glück aber doch Schauspieler wurde.

SZ PlusVon David Steinitz

Dann Romys Abschiebung in die Nonnenschule, der Krinolinen-Rock, der sie einschnürt wie ein Korsett. Alain Delon taucht auf verführt der Deutschen liebstes jungfräuliches Zuckerpupperl. All das wird hier vertanzt. Oder multimedial via Video inszeniert: Kaiserin Sissis Breitwandlächeln auf den Titelblättern der Klatsch-Gazetten wird von Flammen gefressen. Auch Romy Schneiders leicht angeraute, zarte Stimme ist zu hören, in einem bemerkenswert dämlichen Dialog mit Filmpapa Willy Fritsch aus dem Film „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“. Dann aber ein Audio aus Hans-Jürgen Syberbergs Dokumentarfilm „Porträt eines Gesichts“ (1966).  Ihr zynischer Blick auf Hollywood, wenn sie Regisseur Otto Preminger zitiert, der ihr mal gesagt hat, „dreh alles, was kommt, alllles …“.  Und eine Szene aus Andrzej Zulawskis „Nachtblende“, Romy Schneider in Agonie, weinend, flehend. „No foto, please!“.

Letztlich sind es gerade diese Einspielungen (Content Direktor: Albert Serrado), die den Tanz in seine Schranken weisen. Denn Enrique Gasa Valgas Choreografie hat dem wirkmächtigen Medium Film nichts kraftvoll Eigenständiges entgegenzusetzen. Und wird auch noch doppelt in die Zange genommen. Denn wie schon bei anderen Tanzstücken der Limonada Dance Company im Deutschen Theater ist es die Live-Musik, die die intensivste Wirkung entfaltet. Die wundervolle Greta Marcolongo, samt großartiger Band, sie singt Chansons. Einzig sie, hochschwanger, bringt Authentizität, ein menschliches Moment in diesen Abend, der derart in Künstlichkeit erstarrt, dass man sich bei der Indiskretion ertappt, einem Pausengespräch der Kessler-Zwillinge zu lauschen. Die beiden haben die „echte“ Romy Schneider noch gekannt. Aber was heißt das schon, gekannt.

Romy, bis 8. Juni, Deutsches Theater München, Infos unter www.deutsches-theater.de