Bevor es ins sprichwörtliche verflixte siebte Jahr gehen kann, wird es mit der grün-roten Rathauskoalition vorerst vorbei sein. Das liegt aber nicht an neuem Beziehungsstress, sondern am nahenden Ende der Amtszeit. Voraussichtlich am 8. März 2026 wählen die Münchnerinnen und Münchner nach sechs Jahren einen neuen Stadtrat. Das Bündnis ist nun also in sein letztes gemeinsames Jahr gestartet, Stand jetzt werden Grüne und SPD bis zum Schluss zusammenbleiben.

Ob sich das Durchhalten für die Münchnerinnen und Münchner lohnt, hat die SZ zum vorletzten Mal in der Amtszeit untersucht. Jedes Jahr recherchiert die Redaktion, ob Grün-Rot seine Versprechen aus dem Koalitionsvertrag vorangebracht hat: Welche Projekte sind umgesetzt oder zumindest teilweise umgesetzt? Welche befinden sich in Arbeit, welche sind noch nicht begonnen? Und welche sind gar komplett gescheitert?

Beim Blick zurück aufs vergangene Jahr lässt sich wieder einmal feststellen, dass beide froh sein dürften, gar nicht mehr bis zum verflixten siebten Jahr durchhalten zu müssen. Während seiner bisherigen Regierungszeit wirkte das Bündnis die meiste Zeit wie eine Vernunftehe, eingegangen wegen inhaltlicher Nähe. Die große Liebe zwischen den Partnern ist erwartungsgemäß auch in den vergangenen zwölf Monaten nicht aufgeflammt. Im Gegenteil: Die beiden beharkten sich weiter leidenschaftlich.

Ein Beispiel: Im Oktober 2024 wählten sie zwar gemeinsam den Grünen-Stadtrat Florian Roth zum vermeintlichen neuen Kulturreferenten. Doch trotz einer stabilen Mehrheit im Stadtrat brauchte die Koalition dafür zwei Wahlgänge, im zweiten Versuch kam sie mit letzter Not auf eine Stimme Vorsprung. Hinter den Kulissen hagelte es gegenseitige Vorwürfe, wochenlang wurde nicht miteinander gesprochen. Zu allem Überfluss musste Roth nach einem Gerichtsurteil seinen politischen Lebenstraum auch noch aufgeben, da er die formalen Voraussetzungen nicht erfüllte. Stadtdirektor Marek Wiechers aus dem Kulturreferat wurde am 30. April 2025 auf ein Jahr befristet zum Referenten gewählt.

Abseits dieses Eindrucks, der in der Öffentlichkeit meist dominierte, muss man der Koalition aber zugestehen, dass sie inhaltlich einiges vorangebracht hat. Auf Fachebene funktioniert das Bündnis nach wie vor deutlich besser als an der Spitze.  Dazu zählen ein 365-Euro-Ticket für Schüler und Auszubildende, ein Haus für Schülerinnen und Schüler und mehr Behördengänge, die online möglich sind. Teilweise umgesetzt und zumeist auf einem guten Weg sind etwa Projekte zum Abbau von öffentlichen Parkplätzen, zur Hilfe für psychisch Erkrankte oder für besseres Essen in städtischen Kitas und Schulen.

Ein Schritt nach vorne, und dann wieder einen zurück

Allerdings stellt man bei genauerem Hinsehen oft auch fest, dass nach einem Schritt nach vorn wieder einer zurück gemacht worden ist, etwa wenn es um den gewünschten schnelleren Takt bei U-Bahnen, Trambahnen und Bussen geht. Das große Projekt der grün-roten Koalition, die Verkehrswende, steckt weiterhin in einer Mischung aus Geldmangel, Uneinigkeit zwischen den Fraktionen und mangelnder Unterstützung durch Bund und Land fest.

Im Juli 2024 bestätigte die Staatsregierung abschließend, dass sie den Bau der Tram-Nordtangente durch den Englischen Garten nicht erlauben wird. Von fünf neuen Tramlinien, die die Rathaus-Koalition in ihrem Vertrag bis 2026 verspricht, wird damit nur ein Teil der Tram-Westtangente gebaut. Den Plan für eine „weitgehend autofreie Altstadt“ gibt es nicht mehr, Grün-Rot hat dafür ein Konzept „Altstadt für alle“ vorgestellt, das den Verkehr und die Zahl der Parkplätze deutlich reduzieren soll. Bei der Umsetzung der beiden Radentscheide, die bis zum Ende der Amtszeit laut Koalitionsvertrag abgeschlossen sein soll, sind Grüne und Sozialdemokraten schon jetzt gescheitert. Gebaut ist im Vergleich zu der Größe der Ambitionen fast nichts, daran hat auch das vergangene Jahr nichts geändert.

Wenig Fortschritte zeigen sich auch im Bereich Wohnen und Mieten. Die Zahl der neu errichteten Wohnungen ist wegen der hohen Preise beim Bauen rückläufig. Die für die ökologische Wende so nötige Sanierung von Gebäuden stagniert, jedenfalls was die Gebäude der Stadt angeht. Im Koalitionsvertrag ist eine Sanierungsquote von drei Prozent pro Jahr festgeschrieben, die Koalition hat dieses Ziel auf vier Prozent erhöht.

Tatsächlich aber erreichte die kommunale Wohnungsgesellschaft 2024 lediglich eine Quote von 0,7 Prozent (504 Wohnungen), für 2025 sind 1,1 Prozent geplant (803 Wohnungen). Im Moment befindet sich die Münchner Wohnen in einer Führungskrise. Nur einer der drei Posten in der Geschäftsführung ist besetzt. Aufsichtsratschefin und Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) stellte ihr Amt zur Verfügung, Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) wird es nun übernehmen.

Große Fortschritte sind in den meisten Bereichen bis zur Kommunalwahl nicht mehr zu erwarten. Es warten vor allem noch zwei Aufgaben, die Grüne und Sozialdemokraten gemeinsam meistern wollen. Am 26. Oktober sollen sich die Münchnerinnen und Münchner in einem Bürgerentscheid für eine Bewerbung um Olympische Sommerspiele aussprechen. Bis Jahresende ist dann noch der Haushaltsplan für 2026 zu verabschieden, der erneut von deutlich spürbarer Geldnot geprägt sein wird. Streichen und Sparen statt Gestalten und Investieren bedeutet das für die Koalition bis Weihnachten. Danach wird bis auf die Erledigung von Pflichtaufgaben alle Politik im Zeichen des Wahlkampfs stehen.