China Europas Firmen kehren heimFoto: Freepick.com

Europäische Unternehmen kehren China den Rücken. Die neue Studie der Handelskammer zeigt: Der Rückzug beschleunigt sich – und führt überraschend zurück nach Europa.

China: Europas Firmen verlassen das Land

Immer mehr europäische Unternehmen kehren China den Rücken. Was einst als Markt mit unbegrenztem Potenzial galt, gilt heute als geopolitisches Risiko. Die Richtung der Kapitalströme hat sich verändert. Nicht mehr Südostasien oder Mexiko profitieren vom Rückzug, sondern Europa selbst. Diese Rückverlagerung ist kein Nebeneffekt, sondern das zentrale Signal der aktuellen Business Confidence Studie der Europäischen Handelskammer in China.

Peking versucht gegenzusteuern. Im Februar legte der Staatsrat ein neues Maßnahmenpaket vor, um angesichts der veränderten globalen Lage und der neuen US-Regierung verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Doch die Wirkung bleibt aus. 2024 hatten internationale Investoren dem Land bereits in großem Umfang den Rücken gekehrt. Der Netto-Abfluss ausländischer Direktinvestitionen lag allein im ersten Halbjahr bei 4,3 Milliarden US-Dollar. Für das laufende Jahr liegen noch keine endgültigen Zahlen vor. Doch schon jetzt ist klar: Der Trend setzt sich fort – nicht trotz, sondern wegen der jüngsten politischen Signale aus Peking.

China verliert an wirtschaftlicher Strahlkraft

Die Stimmung der Unternehmen in China verschlechtert sich weiter. In der jährlichen Umfrage der Europäischen Handelskammer gaben 73 Prozent der befragten Firmen an, dass sich das Geschäftsumfeld im vergangenen Jahr verschlechtert habe. Es ist der vierte Rekordwert in Folge. Und die Unternehmen erwarten nicht, dass sich das Klima in absehbarer Zukunft aufhellt.

China

Die schleppende wirtschaftliche Entwicklung schlägt sich in schlechteren Umsätzen der Unternehmen wieder. In sieben von zehn Branchen liegt die EBIT-Marge inzwischen unter dem globalen Durchschnitt. Besonders hart trifft es den Einzelhandel, die Medizintechnik und professionelle Dienstleistungen. Also in genau den Bereichen, in denen die chinesische Wirtschaft Schwäche zeigt. Im Konsum, der in die Gesundheitsbranche durchschlägt.

BCS 2025 Fig VI China

Dagegen liefern die Branchen, die im weiteren Sinne mit dem Export beschäftigt sind, weiter Gewinne. Also Logistik und alles, was mit Schifffahrt zu tun hat. Doch auch hier basiert der Erfolg weniger auf chinesischer Nachfrage als auf internationalen Störungen der Lieferketten, etwa im Roten Meer.

Standort China verliert strategisch an Boden

Was bleibt, ist Unsicherheit. Nur zwölf Prozent der befragten Unternehmen zeigen sich zuversichtlich, künftig in China steigende Gewinne zu erzielen. Noch vor vier Jahren lag dieser Wert bei fast fünfzig Prozent. Die große Ernüchterung hat eingesetzt, doch sie ist kein Ergebnis plötzlicher Ereignisse, sondern gewachsener Erfahrungen.

BCS 2025 Fig VIII Pessimismus China

Ein zunehmend dominierender Faktor ist die Politisierung des Wirtschaftsumfelds. Über die Hälfte der Unternehmen gibt an, dass sich der politische Einfluss auf ihr Geschäft verschärft hat. Gemeint ist nicht nur der Druck chinesischer Behörden. Auch neue Auflagen aus Europa und den USA, steigende Anforderungen im Bereich ESG, Exportkontrollen und die Eskalation von Handelskonflikten wirken sich aus. Hinzu kommen Erwartungen von Kunden, die in vielen Fällen selbst politisiert sind.
Diese Gemengelage führt dazu, dass Investitionen nicht mehr verschoben, sondern gestrichen werden. Bereits siebzehn Prozent der Unternehmen haben Projekte aus China abgezogen. Weitere sechzehn Prozent planen konkrete Schritte.

Unternehmen kehren überraschend nach Europa heim

Erstmals ist Europa das bevorzugte Ziel der Reinvestitionen. Das markiert einen deutlichen Bruch mit dem bisherigen Verhalten. In den vergangenen Jahren hatten sich Unternehmen, die sich von China abwandten, meist in andere asiatische Märkte orientiert. ASEAN-Staaten, Indien, manchmal auch Mexiko.

BCS 2025 Fig 48 China ASEAN

Nun kehren sie zurück. Nicht mehr Südostasien, sondern Europa. Das ist keine taktische Zwischenlösung, sondern eine strategische Neubewertung. Der Grund dafür liegt nicht in besseren Standortbedingungen. Sondern in einem fundamentalen Bedürfnis: Berechenbarkeit.

Was bislang als Schwäche Europas galt – seine Regulierungsdichte, seine Langsamkeit, seine Bürokratie – wird nun als Stabilitätsfaktor geschätzt. Die Unternehmen entscheiden sich nicht für Wachstumsfantasien. Sie entscheiden sich für Rechtssicherheit, für Planbarkeit, für politische Verlässlichkeit. Und sie tun das ganz bewusst gegen China.

Ausländische Unternehmen setzen immer mehr auf die sogenannte Silobildung, um sowohl ihre chinesischen als auch ihre internationalen Geschäfte zu schützen. Es werden Brandmauern eingeführt. Sie trennen ihre China-Aktivitäten organisatorisch vom globalen Geschäft. In manchen Fällen wird sogar auf separate IT-Systeme und Produktlinien umgestellt. Diese Strategie bedeutet höhere Kosten, geringere Synergieeffekte und eine Schwächung der globalen Innovationskraft. Doch viele Unternehmen sehen darin die einzige Möglichkeit, sich auf Schockwellen zwischen den Anforderungen des chinesischen Marktes und der internationalen Politik vorzubereiten.

Grüne Strategie endet am Schreibtisch

Auch bei einem anderen Thema zeigt sich die neue Zurückhaltung. Klimaziele, die für europäische Unternehmen inzwischen Standard sind, verlieren in China an Priorität. Der Anteil der Firmen, die in China keine CO₂-Neutralität anstreben, ist gestiegen. Der Grund liegt selten im fehlenden Willen, sondern fast immer in der Umsetzung. Unklare Vorgaben, mangelnde Anreize und widersprüchliche Zuständigkeiten blockieren Investitionen in grüne Technologien. Dies ist eine interessante Entwicklung. Denn insgesamt zeigt sich, dass sich der CO₂-Ausstoß Chinas vermindert. An diesen Aussagen zeigt sich, dass hier China noch viel Potential hat, seine Wirtschaft klimaverträglicher zu machen.

Die wirtschaftspolitischen Konsequenzen dieser Entwicklungen zeigen sich bereits heute. Nur 38 Prozent der Unternehmen planen eine Expansion in China. Gleichzeitig setzen 52 Prozent auf Kostensenkung, vor allem durch Personalabbau. Besonders kleine und mittlere Unternehmen sind betroffen. Sie waren lange Zeit die Brückenbauer zwischen China und Europa. Heute sind sie die ersten, die sich zurückziehen.

Wie seit Jahrzehnten bleibt es bei den Versprechen Chinas, Reformen durchzuführen und sich zu öffnen. Doch in der Realität bleibt vieles Ankündigung. Laut Umfrage würden 53 Prozent der Firmen mehr investieren, wenn es echten Marktzugang gäbe. Aber ein Drittel glaubt nicht mehr daran, dass dies noch geschehen wird. Der Rest wartet auf Beweise statt Versprechen.

Der Business Confidence Survey der Europäischen Handelskammer schreibt die Geschichte der letzten Jahre fort und zeigt, dass es wenig Erholung gibt. Nach der Amtsübernahme hat die Regierung in Peking weitere zaghafte Schritte zur Öffnung und zum Entfernen von Marktzugangsbarrieren angekündigt. Die Befragung im nächsten Jahr wird das gleiche Ergebnis zeigen, wie in den letzten Jahrzehnten auch. Die politischen Hürden bleiben hoch. Neu ist, dass sich die Unternehmen wieder heim nach Europa orientieren. Den Unkenrufen zum Trotz scheint das Unternehmensklima in den Heimatmärkten doch nicht so schlecht zu sein, wie es berichtet wird.

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