Der 75-jährige hat irgendwann angefangen Buch zu führen: „Das letzte Mal war am 9. Mai die Feuerwehr da“, sagt der Anwohner des Röhrlingwegs in Schönberg. Seinen Namen will er nicht in der Zeitung lesen. Doch er ist bereit zu erzählen.
„Eigentlich kommt die Feuerwehr fast jede Woche“, sagt der Mann. Von seinem Balkon hat er einen guten Blick auf die Flüchtlingsunterkunft in seiner Nachbarschaft, um deren Betrieb lange im Stadtteil gestritten wurde. Er pflege durchaus freundliche Kontakte zu einigen Anwohnern, erzählt er. Doch neben dem Lärm in den Abendstunden seien vor allem die vielen Feuerwehreinsätze ein Ärgernis. Er schaut in sein Notizbuch: „22.30 Uhr war es beim letzten Mal.“ Davor stand die Feuerwehr allein im Mai vier Mal vor der Unterkunft. „Fast alles Fehlalarme“, sagt er.
Auf Anfrage bestätigt Daniel Anand, Sprecher der Stuttgarter Feuerwehr, dass seit dem 1. Februar vergangenen Jahres tatsächlich 26 Einsätze zur Flüchtlingsunterkunft in Schönberg gefahren worden seien. „In der Tat gibt es hierbei eine deutliche Häufung seit Ende April.“ In letzter Zeit würden die Handfeuermelder in der Einrichtung „auch böswillig ausgelöst“. Bei fünf von sieben Brandmeldungen war das der Fall. In nur zwei Fällen gab es einen Kleinbrand in einer Küche sowie Staubentwicklung bei Bohrarbeiten.
Die Flüchtlingsunterkunft hat Platz für 320 Menschen
Dass das Problem in den letzten Monaten gehäuft auftritt, erklärt sich der 75-jährige Anwohner des Röhrlingwegs damit, dass die Einrichtung inzwischen gefüllt sei. „Als nur rund 75 Menschen hier wohnten, war es noch ruhig“, sagt er. In dem ehemalige Altenpflegeheim können bis zu 320 Personen untergebracht werden. Bei den Feueralarmen, so schildert der Nachbar, verlasse aber kaum jemand das Gebäude.
Der Aufwand, den die Feuerwehr betreiben muss, wenn hier ein Brand gemeldet wird, ist beträchtlich. „Da dieses Gebäude aufgrund der Größe als Sonderobjekt eingestuft ist, wird eine erhöhte Alarmstufe ausgelöst“, erklärt Anand. „Bei einem Einsatz fahren deshalb rund 13 Einsatzfahrzeuge von Berufsfeuerwehr und Freiwilliger Feuerwehr mit 36 Einsatzkräften die Einsatzstelle an.“ Auch die Polizei ermittelt inzwischen aufgrund der böswillig ausgelösten Brandmeldungen. Verursacher seien jedoch noch nicht ausfindig gemacht worden, erklärt eine Polizeisprecherin auf Nachfrage.
Jeder Fehlalarm kostet die Stadt rund 2200 Euro
Die Kosten pro Fehlalarm beziffert die Feuerwehr mit rund 2200 Euro. Bleibt also die Frage, wer für die vielen unnötigen Einsätze finanziell aufkommt. Die Stadtverwaltung erklärt dazu, dass „ein Fehlalarm in dieser Unterkunft ein besonderes Problem darstelle, weil bei einem Alarm automatisch die Feuerwehr informiert werde. „Eine Unterbrechung der direkten Alarmaufschaltung zur Feuerwehr ist jedoch nicht möglich“, so Sven Matis, Sprecher der Stadt. Werde kein Schuldiger ermittelt, müsse das städtische Liegenschaftsamt die Kosten für die Feuerwehreinsätze tragen.
Der Sprecher betätigt zudem, dass das Problem nicht auf Schönberg begrenzt sei. Brandmeldeanlagen und Rauchwarnmelder werden in Flüchtlingsunterkünften in Stuttgart demnach „in unterschiedlichen Zeitabständen durch die Bewohner manipuliert oder der Fehlalarm werde durch Beschädigungen ausgelöst“, heißt es. Jede Sachbeschädigung sowie das mutwillige Auslösen eines Fehlalarms zeige die Stadt polizeilich an, so Matis. Eine stadtweite Statistik über die Fehlalarme werde nicht geführt.
Wie die Stadt weiter betont, seien in diesen Fällen die jeweiligen Heimleitungen der Unterkünfte gefragt. Sie sollten die Problematik mit den Geflüchteten thematisieren und entsprechend auf eine Verhaltensänderung hinwirken. Speziell in der Schönberger Unterkunft will die Stadtverwaltung nun prüfen, ob in den Gemeinschaftsküchen anstelle von Rauchwarnmeldern Hitzemelder installiert werden könnten. „Das würde“, sagt Matis, „die Gefahr eines Fehlalarms beim Kochen reduzieren.“