Der Kampf um die Deutungshoheit zu dieser politischen Posse wurde per E-Mail ausgetragen. Dabei kamen die „Verlassenen“ einem ihrer bisherigen Aushängeschilder um 23 Minuten zuvor. Zuerst verkündeten die Haller Grünen den sofortigen Austritt ihres bisherigen Ratsmitgliedes und stellvertretenden Bürgermeisters Hasan Akpinar. Dann erklärte der bekannte Kommunalpolitiker sich selbst – und erstaunlicherweise waren anschließend fast noch mehr Fragen offen.
Im Statement der Grünen troff die Enttäuschung quasi aus jeder Zeile. Unverständnis über den Abschied eines Mannes, der seit 17 Jahren Parteimitglied und seit knapp fünf Jahren Zweiter stellvertretender Bürgermeister war. Und auch, wenn sich Sprecherin Veronika Karpf um freundliche Worte zum Abschied bemühte und diese aufrichtig formulierte – eine Passage ihrer Mail ließ aufhorchen: Darin brachte sie den Austritt Akpinars direkt mit Druck aus seiner alevitischen Religionsgemeinschaft in Verbindung, die sich mit grünen Positionen offenbar nicht identifizieren könne.
Das war sicherlich kein politisches Florett, sondern eher der Säbel. Und es ist zumindest diskutabel, ob man solche Andeutungen in einem öffentlichen Statement unterbringen sollte. So richtig wohl fühlten sich die Grünen damit anschließend auch nicht mehr. Akpinar zeigte sich in seiner Reaktion auf diese Begründung seiner Ex-Partei denn auch verärgert und dementierte.
Haller Ratsherr kann keine schlüssigen Gründe für Rücktritt liefern
Allerdings konnte er selbst auch keine andere schlüssige Begründung für seinen Abschied liefern. Er habe sich mit der Bundes- und Landespolitik der Grünen nicht mehr identifizieren können, argumentierte der 62-Jährige. Und verwies dann auf die Kehrtwende der Grünen in der Rüstungspolitik. Ein so klares Ja zu Waffenlieferungen könne er nicht mehr mittragen.
Interessant ist vor diesem Hintergrund allerdings, dass sich Akpinar nun offenbar der CDU zuwenden will. Mit der er schon länger in intensivem Kontakt steht. Zumal er sich mit Bürgermeister Thomas Tappe und dessen erstem Stellvertreter Axel Reimers (beide CDU) regelmäßig zu repräsentativen Terminen absprechen muss. Persönlich und menschlich liegt der Wechsel zu den Christdemokraten also womöglich nahe – inhaltlich widerspricht er allerdings völlig seiner Begründung zum Abschied von den Grünen.
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Denn die CDU hat sich bundes- und landespolitisch immer als klare Befürworterin von Waffenlieferungen an die Ukraine positioniert. CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz hat jüngst gar angekündigt, die größte konventionelle Armee Europas aufzubauen. Hier dürfte sich Hasan Akpinar gemäß seiner zum Austritt bei den Grünen proklamierten Haltung also gar nicht wohlfühlen. Sein Statement wirkt letztlich vorgeschoben.
Halles stellvertretender Bürgermeister vermisste Wertschätzung
Hasan Akpinar war und ist in Halle vielfältig engagiert – hier bei der Verabschiedung in die Ehrenabteilung der Haller Feuerwehr.
(© Birgit Nolte)
Und rückt die Andeutung der Grünen zur Religionsgemeinschaft wieder in ein anderes Licht. Offenbar sah sich die Partei genötigt, eine Begründung für den Austritt öffentlich zu machen, die erklärt, warum Akpinar seinen Abschied verkündet, obwohl er doch nichts gegen den Stadtverband hat.
Zwischen den Zeilen schimmert beim zweiten stellvertretenden Bürgermeister dann auch ein wenig verletzte Eitelkeit durch: Er habe zuletzt die Rückendeckung vermisst und in all den Jahren „nie eine Ehrung“ erhalten, berichtete er HK-Redakteur Uwe Pollmeier.
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Nun könnte man entgegnen, dass es eine große Ehre ist, jemanden als stellvertretenden Bürgermeister zu nominieren. Diesem Amt ist durch die aktuelle politische Posse jedenfalls Schaden zugefügt worden. Von einem Repräsentanten der Stadt wird immer auch eine gewisse Überparteilichkeit erwartet. Jetzt steht Hasan Akpinar im Zentrum eines politischen Pokers – und als Außenstehender bekommt man das Gefühl, dass er sich mit Blick auf die kommende Kommunalwahl persönlich in die bestmögliche Position bringen will. Solche Manöver sind nicht neu – erhöhen aber nicht gerade die so dringend benötigte Begeisterung für Kommunalpolitik.
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