Das Landesjugendamt ging rechtswidrig gegen den Kinderladen Conni vor und sieht bis heute kein Problem darin. 2023 wollte die Behörde die Kita mit sofortiger Wirkung schließen. Das Dresdner Verwaltungsgericht stellte klar: Das Landesjugendamt hat nie richtig ermittelt. Die Rücknahme der Betriebserlaubnis geschah vorschnell. Der Präsident des Dresdner Amtsgerichts zeigte für das Vorgehen Unverständnis. Das AZ Conni fühlt sich politisch verfolgt.
Nach dem Willen des Landesjugendamtes würde hier keine Kinderbetreuung mehr stattfinden. (Foto: Victor Franke)Nach dem Willen des Landesjugendamtes würde hier keine Kinderbetreuung mehr stattfinden. (Foto: Victor Franke)

Der Polizist und seine Uniform

Der Anlass für das sächsische Landesjugendamt, aktiv zu werden, war eine Elternbeschwerde. Dem Vater eines Kindes war Hausverbot erteilt worden. Die Mitarbeiter*innen der Kita und des Betreibers wussten nicht, dass er Polizist ist. Daher war die Überraschung groß, als dieser uniformiert und bewaffnet das Gelände des Alternativen Zentrums betrat.

Das AZ Conni ist ein Ort, an dem sich auch Menschen aufhalten, die negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben. Das ergibt sich aus der Jugendarbeit des Vereins, die später vom Präsidenten des Verwaltungsgerichts ausdrücklich gelobt werden wird.

Die Überraschung über den Uniformierten war so groß, dass es vonseiten des AZ Conni zu einer “Kurzschlussreaktion” kam, wie es die Vertreter*innen des Vereins heute nennen. Der Vater beschwerte sich darüber beim Eigenbetrieb Kindertageseinrichtungen. Der Betreuungsvertrag wurde im gegenseitigen Einvernehmen gekündigt.

Man kann darüber streiten, ob sich der Betreiber der Kita hier angemessen verhalten hat. Man muss es in diesem Zusammenhang aber nicht. Denn laut Gericht kann man daraus und aus allen anderen Vorwürfen, die das Landesjugendamt später ins Feld führen wird, keine Kindeswohlgefährdung ableiten.

Die Kita und ihr Albtraum

Für die Mitarbeiter*innen des Kinderladens Conni und die Eltern begann damit dennoch der Albtraum. Ohne jede Ankündigung oder Rückfragen teilte das Landesjugendamt mit, dass es die Betriebserlaubnis zurückzieht – mit sofortiger Wirkung.

Das Schreiben erreicht die Kitaleiterin zwei Tage vor Heiligabend. Weihnacht 2023 wird sie nie vergessen. Die Feiertage über hat sie nur geweint. Zu diesem Zeitpunkt musste sie davon ausgehen, dass alle Mitarbeiter*innen ihren Job verlieren. Unmittelbar betroffen gewesen wären sieben Menschen, die für die Kita arbeiten. Für die Eltern, darunter viele Alleinerziehende, wäre die Kinderbetreuung weggebrochen.

Die eigentlich Leidtragenden wären jedoch diejenigen gewesen, die das Landesjugendamt eigentlich schützen soll, die 25 Kinder der Einrichtung. Viele von ihnen sind seit Jahren in der Kita, treffen hier täglich ihre Freund*innen.

Das Landesjugendamt hätte sie ohne jede Übergangsphase aus ihrem sozialen Umfeld gerissen. Dabei mag die Wahl des Zeitpunktes, der 22. Dezember, besonders hart erscheinen. Hätten nicht die Feiertage dazwischen gelegen, wäre die Kita aber buchstäblich von einem Tag auf den nächsten geschlossen und Erzieher*innen wie Kinder vor die Tür gesetzt worden.
Die plötzliche Schließung des Kinderladens Conni wäre für Mitarbeiter*innen, Eltern, vor allem aber die Kinder eine Katastrophe gewesen. Foto: Victor FrankeDie plötzliche Schließung des Kinderladens Conni wäre für Mitarbeiter*innen, Eltern, vor allem aber die Kinder eine Katastrophe gewesen. Foto: Victor Franke

Der Richter und der Rechtsstaat

Dirk Munzinger ist bei der Verhandlung am 14. Mai 2025 der Vorsitzende Richter, zugleich aber auch der Präsident des Dresdner Verwaltungsgerichts. Während des Prozesses ist er vor allem damit beschäftigt, den Behördenvertreterinnen den rechtlichen Rahmen ihrer Behörde darzulegen, etwa, was ein freier gegenüber einem staatlichen Träger darf.

So darf ein freier Träger laut Gericht zum Beispiel eine “begründete Ungleichbehandlung nach dem Beruf der Eltern vornehmen”. Es war einer der Punkte, über den die Behördenmitarbeiterinnen während des Prozesses nicht hinweg kamen. Eine vergleichbare Ungleichbehandlung wäre die Bevorzugung von Christ*innen, die kirchliche Arbeitgeber vornehmen dürfen.
Schon im März 2024 entschied das Verwaltungsgericht zugunsten des AZ Conni e.V. Nun gab die Kammer den Betreiber des Kinderladens endgültig recht.Schon im März 2024 entschied das Verwaltungsgericht zugunsten des AZ Conni e.V. Nun gab die Kammer den Betreiber des Kinderladens endgültig recht. Foto: Victor Franke

Auf Anfrage kann die Behörde nicht angeben, wie oft sie in den vergangenen Jahren Kitas wegen Kindeswohlgefährdung geschlossen hat. “Eine derartige Statistik wird nicht geführt”, sagt Amtsleiter Enrico Birkner gegenüber Neustadt-Geflüster. Auch naheliegende Beispiele scheinen dem Landesjugendamt nicht bekannt zu sein. Weit in die Vergangenheit und in ein anderes Bundesland müssen sie dafür blicken.

Um zu begründen, dass der Widerruf der Betriebserlaubnis wegen “Unzuverlässigkeit” des Betreibers grundsätzlich möglich ist, zog die Behörde das Urteil gegenüber einer muslimischen Kita heran. Diese war 2019 in Rheinland-Pfalz geschlossen worden, weil der Betreiberverein Ideologien der Muslimbruderschaft und des Salafismus vertrat und damit ebenfalls als “unzuverlässig” eingeordnet wurde.

Nach Auffassung von Richter Munzinger tat sich die Behörde genau mit diesem Beispiel keinen Gefallen. Zum einen reicht die “Unzuverlässigkeit” eines Betreibers eben nicht aus, um daraus eine Kindeswohlgefährdung abzuleiten. Die Gefährdung muss konkret in der Kita nachgewiesen werden. In Rheinland-Pfalz fand beispielsweise eine salafistische Indoktrination der Kinder statt. Aber weder konnte das Landesjugendamt irgendeine Indoktrination im Kinderladen Conni sehen, noch hatte es überzeugende Belege, dass der Betreiberverein überhaupt “unzuverlässig” sei.

Für das Gericht führte genau dieses Beispiel aber auch eklatant vor Augen, wie willkürlich das sächsische Landesjugendamt gehandelt hatte. Der Entzug der Betriebserlaubnis sei in Rheinland-Pfalz das Ende eines jahrelangen Prozesses gewesen. Tatsächlich gab es die ersten Hinweise über Verbindungen des Trägers zum Salafismus bereits Ende 2012. Nach mehr als sechs Jahren Ermittlungen, Auflagen und Gesprächen stand die Schließung – mit mehrwöchiger Frist.

Im Fall des Kinderladens Conni gab es laut Richter Munzinger keine Ermittlungen, keine Auflagen, sondern gleich die Schließung – mit sofortiger Wirkung. Das Landesjugendamt hat zuvor noch nicht einmal ein Gespräch mit dem Betreiber oder der Kitaleitung gesucht. Kita und Verein hatten sogar ihrerseits versucht, mit dem Landesjugendamt ins Gespräch zu kommen. Zweimal sei Kontakt aufgenommen worden, zweimal erfolgte keine Reaktion der Behörde. Erst als das Verwaltungsgericht dem Verein vorläufigen Rechtsschutz gewährte, war das Landesjugendamt zu einem Gespräch bereit.

Der Verein und seine Arbeit

Das AZ Conni ist neben der Kita auch in der Jugendarbeit tätig. Der Vorsitzende Richter und Präsident des Verwaltungsgerichts lobte während der Verhandlung die kritische und menschenrechtsorientierte Jugendarbeit des AZ Conni. Die Pressesprecherin des AZ Conni sieht diese jedoch in Gefahr. Für die unbequeme Haltung sei man „nicht zum ersten Mal angegriffen worden“.

Dem Lob des Richters mag sich das Landesjugendamt nicht anschließen. “[…] da die Jugendarbeit des AZ Conni im Betriebserlaubnisverfahren nicht Betrachtungsgegenstand des Landesjugendamtes ist”, könne seine Behörde “über dieses Wirkungsfeld keine inhaltlichen Aussagen treffen”. Traf es eine solche Aussage aber nicht, als es dem Conni e.V. die Verfassungstreue eben wegen dessen Jugendarbeit absprach?

Die Verantwortlichen des Conni e.V. haben den Eindruck, den Behördenmitarbeiterinnen passte das Weltbild des Vereins nicht. Sie fühlen sich politisch verfolgt. Besonders bitter findet die Pressesperecherin dabei, dass „das Landesjugendamt diese Auseinandersetzung auf dem Rücken der Kinder und Eltern unseres Kinderladens ausgetragen hat“. Sowohl der Betreiberverein als auch die Kitaleiterin wünschen sich derzeit aber vor allem eines: Sie wollen ihre Kita weiterbetreiben, ein gutes Verhältnis zum Jugendamt, offene Kommunikation statt Streit – genau so, wie sie es vor dem 22. Dezember 2023 erlebt haben.
Seit 1993 betreibt der AZ Conni e.V. den Kinderladen.Seit 1993 betreibt der Conni e.V. den Kinderladen. Foto: Victor Franke

Die Behörde und ihr Weltbild

In seinen Antworten lässt der Amtsleiter keinerlei Selbstkritik erkennen. Beispielsweise sei “eine politische Motivation und Einflussnahme auf Verwaltungsverfahren durch die zwingend einzuhaltenden Verfahrensgrundsätze ausgeschlossen”. So ein Fehlverhalten von Staatsbediensteten ist “ausgeschlossen”, weil es Verfahrensgrundsätze gibt, die eingehalten werden müssen? Nach dieser Logik kann es in Deutschland auch keine illegale Polizeigewalt geben, weil für Polizeibeamt*innen das Polizei- und Ordnungsrecht gilt.

Das Vorgehen des Landesjugendamtes war beispiellos, ihre Argumentation krude und ihr Handeln rechtswidrig. Das hat nun das Verwaltungsgericht festgestellt. Der Behörde bleibt die Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Gegen die Entscheidung kann sie binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils einen Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht stellen.

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