Es war nicht viel Schmuck, den Anke F. (Name von der Redaktion geändert) in ihrer Schublade liegen hatte. Eine Kette mit Anhänger, zwei Paar Ohrringe und ein Armband, die einst ihrer Mutter und ihrer Patentante gehört hatten. Selbst hatte Anke F. die Erbstücke noch nie getragen.

Über eine Werbeanzeige stieß sie zufällig auf ein Geschäft für Goldankauf. Anke F. wurde neugierig – noch nie hatte sie sich Gedanken darüber gemacht, was ihr Häufchen Schmuck wert sein könnte.

Kurze Zeit später wusste sie: Kette und Armband bestanden aus acht und zwölf Karat Gold, die Ohrringe sogar aus 18 Karat. Nachdem der Goldankäufer ihre Stücke geprüft und gewogen hatte, bekam Anke F. 640 Euro bar ausgezahlt.

Armband, Kette, Ohrringe: Für diesen Goldverkauf bekam Anke F. 640 Euro ausgezahlt.

Armband, Kette, Ohrringe: Für diesen Goldverkauf bekam Anke F. 640 Euro ausgezahlt. (Foto: Sabine Krauss)

Anke F., die mit ihrem Nachnamen lieber anonym bleiben möchte, ist kein Einzelfall. Seit etlichen Monaten nutzen viele Menschen die hohen Goldpreise, um ungenutzten Schmuck, Erbstücke oder Zahngold in Bargeld zu verwandeln.

Bei Ishak Özdemir herrscht seit Wochen Hochbetrieb. Im Sommer 2021 eröffnete er gemeinsam mit seiner Frau Diana das Geschäft „Dianas Goldankauf“ in Tuttlingen, in Tuttlingen. Anfangs hielt sich der Kundenzulauf noch in Grenzen, berichtet der 42-Jährige. Doch mit den steigenden Goldpreisen stieg auch die Zahl derer, die täglich zu ihm in den Laden kommen. Mittlerweile laufe sein Geschäft so gut, dass er überlege, in Richtung Sigmaringen oder Pfullendorf einen zweiten Standort zu eröffnen.

93 Euro ist ein Gramm Gold zurzeit wert

93 Euro ist ein Gramm Gold derzeit wert. Zweimal täglich wird der Preis an den internationalen Börsen, insbesondere dem London Bullion Market, festgelegt. Allein im Jahr 2024 betrug der Wertzuwachs 34,2 Prozent, ein Goldpreisrekord jagte den nächsten. Auch im Jahr 2025 setzt sich der Wachstumskurs fort. Bedingt durch die globalen Unsicherheiten wie Krisen und Kriege stieg bei Anlegern die Nachfrage nach dem als krisensicher geltenden Edelmetall- und auch die Zentralbanken rund um den Globus stockten ihre Goldvorräte kräftig auf.

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Während die einen anlegen, nutzen andere diese Entwicklung, um zu verkaufen. „Viele, die zu mir kommen, sagen, dass sie den hohen Goldpreis ausnutzen wollen“, sagt Özdemir. Sein Ankaufspreis orientiert sich am jeweiligen Tagespreis. 80 bis 85 Prozent erhält der Kunde, 15 bis 20 Prozent behält er ein – „das ist meine Gewinnspanne“, erklärt er. Da er in den vergangenen vier Jahren von vielen seiner Kunden positive Online-Bewertungen erhielt, kämen inzwischen auch Verkäufer aus dem weiteren Umkreis wie etwa Balingen, Sigmaringen, Mengen, Singen und Überlingen zu ihm, sagt er.

Mit 1700 oder 2300 Euro den Laden verlassen

Zwischen zwei und zehn Personen sind es, die täglich in sein Geschäft kommen. Was nach wenig klingt, sieht in der Praxis anders aus. Ein Verkauf wie der von Anke F. gilt bei Özdemir als ein kleiner. Viel häufiger kommt es vor, dass Kunden bei ihm mit 1700 bis 2300 Euro oder noch höheren Beträgen den Laden verlassen. „Manche kommen auch mit ganzen Goldbarren, die sie irgendwann einmal geerbt haben“, erzählt der Goldankäufer.

Doch hinter vielen Verkäufen stecken Schicksale. Vor einigen Wochen sei ein älteres Ehepaar dagewesen, das Schmuck verkaufte. „Sie erzählten, dass sie ihre Nebenkostenabrechnung nicht zahlen könnten“, so Özdemir. „Die Frau hatte Tränen in den Augen, als sie ihre Ketten auf den Tisch gelegt hat.“

Rund 80 Prozent von Özdemirs Kunden kommen, weil sie Bargeld brauchen. Nebenkosten, ein Autokauf, ein Zuschuss für den Urlaub – die Gründe sind vielfältig. An diesem Morgen sitzt eine junge Frau vor ihm. Ihre Verlobung steht an – doch der Ring, der ihr Verlobter ihr kaufen möchte, übersteigt das finanzielle Budget des Paares. Bei Ishak Özdemir möchte sie deswegen einen anderen Ring verkaufen, den ihr einst ihr Ex-Freund geschenkt hat.

Mit Prüfungssäure überprüft Ishak Özdemir, aus wie viel Karat Gold das jeweilige Stück besteht.

Mit Prüfungssäure überprüft Ishak Özdemir, aus wie viel Karat Gold das jeweilige Stück besteht. (Foto: Goldankauf Diana )

Um zu überprüfen, wie wertvoll die Stücke sind, wendet Özdemir einige Tests an. Mittels einer Prüfungssäure untersucht er den Abrieb des jeweiligen Objekts. Es geht darum, festzustellen, wie hoch der Gehalt des reinen Goldes ist – also, aus wie viel Karat Gold das Stück besteht. Mittels einer Dichte-Prüfung, bei der das Gewicht des Untersuchungsobjekts ausschlaggebend ist, schaut er anschließend, ob das Stück nur äußerlich vergoldet oder tatsächlich aus purem Gold besteht.

Die junge Frau hat Pech: Ihr Ring ist weniger wertvoll als sie dachte.  71 Euro würde sie für ihn bekommen. Sie entscheidet sich gegen den Verkauf und verlässt etwas enttäuscht das Geschäft.

Silber-Besteck: „Meistens nur versilbert“

„Natürlich habe ich auch regelmäßig Diskussionen, weil die Kunden denken, dass ihre Sachen wertvoller sind“, sagt der 42-Jährige. Beispielsweise beim Silber-Besteck: „Viele denken, dass sie Besteck aus purem Silber haben, dabei ist es meist nur versilbert“, meint er.

Aus welcher Legierung die Messer, Gabeln und Löffel tatsächlich bestehen, kann an den kleinen eingravierten Zahlen auf dem Besteck festgestellt werden. „Alles von null bis 150 ist nur versilbert, das kaufe ich nicht an“, erklärt er.

Keine Angst vor Überfällen

Bis er sich selbst so gut auskannte, ließ er sich rund ein Jahr lang bei einem Bekannten ausbilden, der ebenfalls einen Goldankauf betreibt. „Für mich ist jeder Ankauf auch ein Risiko“, sagt er. Da er die Stücke vor dem Kunden prüft und direkt auszahlt, muss er sich über das Ergebnis sicher sein. Etwa, ob ein Schmuckstück nur äußerlich vergoldet ist, innen aber aus einem Metallgemisch besteht.

Oder auch bezüglich der Ankaufspreise: „Zurzeit können sich die Preise so schnell ändern, dass ich beim Weiterverkauf selbst weniger bekomme, als ich dem Kunden ausgezahlt habe“, so Özedmir. Das Gold schickt er an die Scheideanstalt in Pforzheim, die mit ihm ebenfalls tagesaktuell abrechnet. Dabei handelt es sich um eine Art Recyclingbetrieb, der sich auf die Rückgewinnung von Metallen, insbesondere Edelmetalle, spezialisiert hat.

Pfefferspray griffbereit in der Schublade

Obwohl er täglich Gold annimmt, hat Ishak Özedmir keine Angst vor Überfällen. Zum einen, weil die angekauften Stücke nie lange im Laden bleiben, sondern von einem Sicherheitsdienst abgeholt und nach Pforzheim gefahren werden. Zum anderen, weil er ähnlich wie in einer Bank mit einem Alarmknopf ausgestattet ist, der direkt zur Polizei geht. Auch selbst hat er vorgesorgt: „Mein Pfefferspray liegt immer griffbereit in der Schublade.“