In der Ratsversammlung im April war es schon einmal Thema: Da ging es um die Frage, ob der Oberbürgermeister einfach selbst entscheiden kann, ob das Liegenschaftsamt nun zum Baudezernat gehört oder ins Wirtschaftsdezernat verschoben werden kann. Das Rechtsamt der Stadt war der Meinung, dass darüber nur der Stadtrat befinden darf. Also wurde aus der OBM-Entscheidung eine Stadtratsvorlage, die am 21. Mai dann am späten Abend von der Ratsversammlung behandelt wurde. Mit scharfen Tönen.

Denn Liegenschaftspolitik ist politisch. Auch dann, wenn das Liegenschaftsamt – wie OBM Burkhard Jung betonte – ein „dienendes Amt“ ist, das allen Dezernaten zuarbeitet, die mit Liegenschaften zu tun haben. Aber die Vergangenheit zeigte eben auch, dass mit dem Liegenschaftsamt auch Politik gemacht wird. Und der Stadtrat brauchte lange Jahre, um das zu verstehen und zunehmend Einfluss zu nehmen auf die Liegenschaftspolitik der Stadt.

Denn zwei Jahrzehnte lange war das Liegenschaftsamt vor allem damit beschäftigt, die Flächen im Besitz der Stadt zu verkaufen. Wertvolle Flächen darunter, die auf einmal fehlten, als sich in den 2010er Jahren die Erkenntnis endlich Bahn brach, dass Leipzig für seine eigene Investitionsbedarfe jede Menge Fläche im Stadtgebiet brauchte – für Kindertagesstätten, Schulen, Sporthallen, Schwimmhallen, Wohnbebauung …

Auf einmal war der Markt wie leergefegt. Denn als Leipzigs Liegenschaftsamt noch fleißig Fläche verkaufte, um damit den Stadthaushalt zu sanieren, kauften private Investoren alles auf, was auf den Markt kam.

Herr Tobias Peter (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 21.05.25. Foto: Jan KaeferTobias Peter (Bündnis 90/Die Grünen) im Leipziger Stadtrat am 21.05.25. Foto: Jan Kaefer

Das sprach der Fraktionsvorsitzende der Grünen-Fraktion Dr. Tobias Peter so nicht an, als er am 21. Mai seinen Frust über die Rückverlagerung des Liegenschaftsamtes aus dem Baudezernat ins Wirtschaftsdezernat formulierte und dahinter macht- und parteitaktische Gründe vermutete. Gar einen Schachzug, mit dem der OBM Mehrheiten im Stadtrat zu sichern versucht.

Es ist kein Geheimnis, dass die Dezernenten von den Fraktionen vorgeschlagen werden und die Fraktionen über „ihre“ Dezernenten auch versuchen, Einfluss auf die Stadtpolitik zu nehmen. Auch wenn OBM Burkhard Jung betonte, dass die Dezernenten – auch wenn sie von den Fraktionen nominiert wurden – vor allem die Vertreter des Oberbürgermeisters sind und nicht die Vertrete der Fraktionen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich die Arbeit in den Dezernaten verändert, je nachdem, welche Partei den Dezernenten benennen kann.

Abschied von der strategischen Liegenschaftspolitik?

Aber eigentlich war das nicht wirklich das Thema am 21. März. Auch wenn sich gerade in Peters Rede schon deutlich abzeichnete, dass inzwischen der OBM-Wahlkampf in Leipzig begonnen hat. Denn 2027 endet Burkhard Jungs letzte Amtszeit. Da bringen sich inzwischen schon einige Kandidaten mehr oder weniger in Stellung. Vorsichtig zumeist. Denn wirklich profiliert als möglicher Nachfolger oder mögliche Nachfolgerin hat sich noch niemand.

Tobias Peter aber interpretierte die Verschiebung des Liegenschaftsamtes auch als ein machtpolitisches Kalkül. Er befürchtet nun wieder eine Rückkehr zu einer „Liegenschaftspolitik des Ausverkaufs“. Er sah auch nicht die von Burkhard Jung vorgebrachte Überlastung im Baudezernat. Auch die einsehbaren Akten zu dem Vorgang bestätigten ihm das nicht.

Herr Sven Morlok (Freie Fraktion/FDP) im Leipziger Stadtrat am 21.05.25. Foto: Jan KaeferSven Morlok (Freie Fraktion/FDP) im Leipziger Stadtrat am 21.05.25. Foto: Jan Kaefer

Anders sah es FDP-Stadtrat Sven Morlok, der von einer Menge von Meldungen aus der Wirtschaft erzählte, die von Problemen mit Fristen und Terminvergaben im Baudezernat berichteten. Aber betrifft das auch das Liegenschaftsamt? Dass es Personalprobleme im Baudezernat gibt, ist seit einigen Jahren Thema.

Gerade hier wurde lange Zeit regelrecht gespart an Planerstellen. Die Planer fehlen heute. Viele Planstellen können heute schlicht aus Bewerbermangel nicht besetzt werden. Das verlangsamt Prozesse und Entscheidungen.

Ob das auch das Liegenschaftsamt betrifft, wurde jedenfalls in der teilweise bissigen Debatte am 21. Mai nicht recht klar.

Wirtschaftsansiedlungen versus Stadtentwicklung?

Dass hinter der Rückverlagerung des Liegenschaftsamtes ins Wirtschaftsdezernat dennoch eine politische Entscheidung steht, machte OBM Burkhard Jung sogar in seiner Vorlage deutlich, wo man lesen kann: „Durch die Zuordnung des Liegenschaftsamtes zum Dezernat für Wirtschaft, Arbeit und Digitales in einer fragil bleibenden wirtschaftlichen Situation sollen Schnittstellen reduziert werden, damit Gewerbeflächen noch gezielter bereitgestellt und entwickelt werden können.

Durch eine verbesserte Interaktion des Amtes mit weiteren Organisationseinheiten, die mit der Gewerbeflächenentwicklung betraut sind, möchte sich die Stadt Leipzig durch eine strategische Liegenschaftspolitik als zukunftsfähiger Wachstumsstandort mit einer aktiven Förderung nachhaltiger Gewerbegebiete und klimafreundlicher Bauweisen positionieren.“

Frau Franziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 21.05.25. Foto: Jan KaeferFranziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 21.05.25. Foto: Jan Kaefer

Das ist genau das, was Tobias Peter kritisierte: Liegenschaftspolitik soll jetzt wieder verstärkt als Flächenpolitik für Wirtschaftsansiedlungen betrieben werden.

Das ist – und da hat Tobias Peter nun einmal recht – ein Abschied von der vom Stadtrat beschlossenen strategischen Liegenschaftspolitik, in der die Sicherung dringend benötigter Flächen für die Stadtentwicklung oberste Priorität hat.

Nur tat er sich und dem Anliegen der Grünen, das Liegenschaftsamt im Baudezernat zu halten, keinen Gefallen, als er diese grundlegende strategische Entscheidung mit einer Grundkritik am Walten von OBM Burkhard Jung vermengte. Denn das kam insbesondere in der SPD-Fraktion ganz schlecht an, die durchaus noch bereit ist, ihren SPD-Oberbürgermeister zu verteidigen, wen es drauf ankommt. Was an diesem Tag die SPD-Fraktionsvorsitzende Christina März tat.

Frau Christina März (SPD) im Leipziger Stadtrat am 21.05.25. Foto: Jan KaeferChristina März (SPD) im Leipziger Stadtrat am 21.05.25. Foto: Jan Kaefer

Aber vielleicht war auch das schon ein Zeichen der bevorstehenden Dissonanzen, die sich im Vorfeld der OBM-Wahlen auftun werden. Wichtige strategische Entscheidungen geraten in die stillen Machtkämpfe zwischen den Fraktionen. Und man kann hinter der Verlagerung des Liegenschaftsamtes durchaus auch eine Verschiebung der Machtgewichte sehen. Das sah auch die Fraktionsvorsitzende der Linken, Franziska Riekewald, so. „Liegenschaftspolitik ist hochpolitisch“, sagte sie. „Weil es um eine andere Liegenschaftspolitik geht.“

Der Wechsel von 2020 war überfällig

Peter erinnerte daran, dass aus Sicht vieler Ratsmitglieder der Wechsel des Liegenschaftsamtes im Jahr 2020 aus dem Wirtschaftsdezernat ins Baudezernat überfällig und sinnvoll war. Damals freilich verbunden damit, dass Leipzig zeitweilig keinen Wirtschaftsdezernenten hatte und OBM Burkhard Jung in Person das Wirtschaftsdezernat selbst leitete.

Aber die Verlagerung ins Baudezernat schaffte nun einmal kürzere Wege und zielgenauere Entscheidungen gerade im Sinne der Stadtentwicklung, die nun einmal im Baudezernat verankert ist. Auch wenn andere Dezernate ebenfalls auf das Liegenschaftsamt zugreifen.

„Das Liegenschaftsamt bleibt zentraler Ansprechpartner für Grundstücke aus dem Eigentum der Stadt Leipzig, die nicht unmittelbar Verwaltungsaufgaben der Stadt dienen“, betonte die Vorlage des Oberbürgermeisters. „Dem Amt obliegt für rund 4.000 städtische Grundstücke die Verantwortung. Seine Aufgaben sind vielfältig – von der Grundstücksverwaltung über den Ankauf und die Bereitstellung von Flächen bis zur rechtlichen Betreuung rund um Liegenschaften.

Wichtiger Schwerpunkt wird auch künftig die Unterstützung aller Fachämter, Fachreferate und städtischer Betriebe durch die Suche, Analyse und Bereitstellung geeigneter Flächen für die Umsetzung ihrer Projekte sein. Ziel bleibt die infrastrukturell, sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltige Weiterentwicklung der Stadt Leipzig auf Grundlage der Leipzig Strategie 2035.“

So recht mochten dem weder Peter noch Riekewald vertrauen.

Und Burkhard Jung warb selbst auch noch einmal für seine Vorlage. Denn egal, wo das Liegenschaftsamt angesiedelt sei: „Sie entscheiden die Liegenschaftspolitik.“ Womit er die Ratsfraktionen meinte, die über wichtige Grundstücksverkäufe befragt werden müssen. Wichtigstes Gremium dafür: der Grundstücksverkehrsausschuss.

Und so blieb eigentlich ungeklärt, ob das Ganze tatsächlich nur eine fachliche Entscheidung war, die OBM Burkhard Jung mit seiner Vorlage zur Abstimmung brachte. Oder ob es doch eher um politische Veränderungen geht, die sich da abzeichnen, wenn das Liegenschaftsamt aus einem „grünen“ Dezernat in ein CDU-Dezernat wechselt.

Die Mehrheit der Ratsversammlung jedenfalls sah in dieser Rückkehr des Liegenschaftsamtes ins Wirtschaftsdezernat kein Problem. 41 Ratsmitglieder stimmten dem Wechsel zu, 20 stimmten dagegen. Und auch die dafür notwendige Änderung der Hauptsatzung bekam mit 42:20 Stimmen die nötige Mehrheit.