„Wie finde ich hier raus?“ Die Frau, weit jenseits der 70, wirkt verloren. „Wo bin ich hier nur hineingeraten“, scheint sie sich zu fragen. Ein Mitarbeiter des International Dance Festivals weist ihr den Weg aus dem Westflügel im Haus der Kunst, der schon im Theaternebel liegt. Dann aber entscheidet sie sich anders, ein wenig will sie noch zusehen bei … . Ja, bei was eigentlich? Jefta van Dinthers installative Großperfomance „Ausland“ nicht zu verstehen, jedoch Gefühle dazu zu entwickeln, so geht es wohl den meisten an diesem Abend. Und alle sind wie hypnotisiert.

Tanztheater mit hohem Energielevel: Ein Mitglied des inklusiven Ensembles Dançando com a Diferença.Tanztheater mit hohem Energielevel: Ein Mitglied des inklusiven Ensembles Dançando com a Diferença. (Foto: Albert Vidal Vertex Comunicacio)

Dance, das Münchner Festival für den zeitgenössischen Tanz,  brachte mit seinem dezidiert politischen, diversen Programm jede Menge solcher Eindrücke. Vieles wird man lange nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Atemberaubende Tanzkunst, die von den Rändern aus in Räume hineinwuchs: Da war etwa die inklusive Tanzkompanie Dançando com a Diferença, die die Therese-Giehse-Halle  energetisch unter Starkstrom setzte. Oder dieser Satz in Ligia Lewis‘ Video im Haus der Kunst: „Lucky for us ghosts don’t die so easily“. Die Künstlerin aus der Dominikanische Republik verwebt Performance, Live-Installation und Video. Die Geister, das sind ihre versklavten Vorfahren, deren Geschichten in den Körpern der Heutigen eingeschrieben sind.die

„Wir können Gemeinschaft schaffen“, in gegenseitiger Wertschätzung. Das war das Ziel von Tobias Staab, dem neuen Festivalleiter. Er musste mit knappem Budget auskommen, doch hatten sich ihm viele Türen geöffnet: das Volkstheater etwa, die Kammerspiele, die großen Museen, die Spielstätten der Off-Szene sowieso.

„Kunst kann, gerade der Tanz kann die Welt verändern. Wir bleiben dran“, verspricht Tobias Staab, der künstlerische Leiter des Dance Festivals in München.„Kunst kann, gerade der Tanz kann die Welt verändern. Wir bleiben dran“, verspricht Tobias Staab, der künstlerische Leiter des Dance Festivals in München. (Foto: Luis Zeno Kuhn)

Aber hat Dance die Menschen wirklich zueinander gebracht? Allein dadurch, dass ungewöhnliche Orte bespielt wurden, dass man an lokale Subkulturen wie die Ballroom- und Breakdance-Szene andockte  – und im Festivalzentrum dem Blitz Club in die Nacht hineinfeierte? In der Tat war das Pubikum jung und divers. Inwieweit das Festival wirklich die Blubble sprengen konnte, muss jedoch offen bleiben.

Die Zahlen allerdings sprechen von einem riesigen Erfolg, bei fast allen Events lag die Auslastung laut Festival bei über 90 Prozent, etwa 6600 Karten wurden verkauft, Hunderte kamen zu den Events bei freiem Eintritt. Entsprechend euphorisch klingt nun das Fazit von Tobias Staab: „Das hatte ich mir für meine erste Ausgabe erhofft. Dass dieser Wunsch in Erfüllung ging, wirkt fast surreal. Diese magischen Tage hatten für mich etwas von einer gelebten Utopie. Wir haben es alle gespürt: Kunst kann, gerade der Tanz kann die Welt verändern. Wir bleiben dran.“