Am vergangenen Sonntag erklang im zehnten Sinfoniekonzert des Wuppertaler Sinfonieorchesters die Turangalîla-Sinfonie für Klavier, Ondes Martenot und Orchester des französischen Komponisten Olivier Messiaen (1908-1992), der schon zu Lebzeiten als einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts galt. Es gab gleich drei Premieren: Das Musikstück wurde zum ersten Mal – 77 Jahre nach seinem Entstehen – in Wuppertal aufgeführt, Generalmusikdirektor Patrick Hahn dirigierte das Werk auch zum ersten Mal und für die meisten Orchestermitglieder war das Werk ebenfalls Neuland.
Es war Kussewitzki, Dirigent des Boston Symphony Orchestra, der 1945 den Anstoß zur Entstehung dieser verschwenderischen, farbenprächtigsten, und orgiastischsten Orchesterkomposition des 20. Jahrhunderts gab: „Schreiben Sie mir ein Werk, das Sie schreiben wollen“, teilte er Messiaen brieflich mit, „in dem Stil, den Sie wollen, so lang wie Sie wollen, in der Besetzung, die Sie wollen, und einzureichen wann immer Sie wollen.“ Und der Komponist ließ sich nicht lumpen: Zwischen 1946 und 1948 entstand ein gewaltiges Opus in zehn Sätzen, 2683 Takte lang, mit einer Aufführungsdauer von etwa eineinhalb Stunden und wurde 1949 in Boston mit riesigem Erfolg uraufgeführt. Der Titel „Turangalîla“ stammt aus dem Sanskrit und setzt sich aus zwei Worten zusammen: „Turanga“ = Zeit und „Lila“ = Spiel/Liebe und schließt damit gleichzeitig die Bedeutungen Liebesgesang, Freudenhymne, Zeit, Bewegung, Rhythmus, Leben und Tod ein.
Die farbige, wollüstige und süßliche Tonsprache Messiaens kennt keine Zurückhaltung und setzt das in Musik um, was ausgedrückt werden soll, etwa indische Rhythmik, den Gesang der Vögel und eine völlige Neuerfindung von Tonarten und Harmonien. Es waren Rhythmus-Orgien und Orchestereruptionen zu hören, neben denen sich Strawinskys „Sacre“ geradezu wohlerzogen ausnimmt. Vor der Pause gab es auf der Bühne eine sehr hilfreiche, von Nick-Martin Sternitzke moderierte Einführung mit Klangbeispielen. Nach der Pause gab es dann den Durchlauf. Der obligate Klavierpart mit zahlreichen Kadenzen wurde von Jona Ahonen souverän beherrscht.
Das Ondes Martenot
wurde 1928 entwickelt
Daneben gab es noch ein zweites Soloinstrument, das von Thomas Bloch sehr wirkungsvoll gespielt wurde. Dieses 1928 von Maurice Martenot entwickelte elektronische Instrument namens Ondes Martenot besitzt einen weichen Klang, angesiedelt etwa zwischen Flöte, singender Säge und Frauenstimme und ist aber auch mühelos in der Lage das Forte des Orchester-Tutti um ein Mehrfaches zu übertönen. Der riesige Orchesterapparat sorgte für ein Spektakel ohnegleichen und bestand außer den Streichern, Holz – und Blechbläsern aus einem dem balinesischen Gamelan-Ensemble nachempfundenen Schlagwerk, Celesta, Glockenspiel, Stabspielen, Becken, Tamtam und Glocken. Sehr selten bemerkte man kleine Ungenauigkeiten im Zusammenspiel, in der Intonation und beim Tempo, was aber nicht auffiel.
Vier übergeordnete Themen, die in der Sinfonie zirkulieren oder sich entwickeln, sind das Band, das alles zusammenhält. Jeder der zehn Sätze verfolgt besondere technische und rhythmische Recherchen und weist eine besondere harmonische Farbe auf. Der erste, fünfte, sechste und zehnte Satz könnten als Kopfsatz, Scherzo, langsamer Satz (Adagio) und Finalsatz einer klassischen Sinfonie gedeutet werden. Ein wichtiges Prinzip sind im ganzen Werk die Schichtungen.
Der erste Satz weckte gleich einer Ouvertüre die Neugier. In den drei Liebesliedern gefiel der Kontrast zwischen sanften und ekstatischen Passagen, das Verspielte, die flächigen Streicher im Hintergrund. Ein zentraler Satz ist die „Entfaltung der Liebe“ mit einer klassischen Durchführung der vier zyklischen Themen. Entzückend entwickelt auch der neunte Satz mit dem Duett Oboe/Klarinette kosmische Klänge und endet mit einem großen Solo aller Bratschen. Mit dem Finale krönt Messiaen sein wundervolles Opus in einem nicht enden wollenden Jubel. Insgesamt war der Kraftakt ein voller Erfolg und der begeisterte Applaus wollte minutenlang nicht enden.
Das Werk wird noch ein weiteres Mal aufgeführt: Am heutigen Montag, 2. Juni, in der Historischen Stadthalle ab 20 Uhr. Tickets ab 15 Euro sind noch erhältlich.