Es war das dominierende Thema im Bundestagswahlkampf: die Migration. Oder besser: die Verhinderung von Migration. Zurückweisung an den Grenzen. Mehr Abschiebungen. Nie zuvor war so deutlich, wie eine rechtsextreme Partei wie die AfD die Stimmung in Deutschland beeinflusst und ihre Themen durchdrückt. Und gerade die sogenannten bürgerlichen Parteien folgen, reden auf einmal mit denselben Phrasen und gehen dann mit völlig undurchdachten Konzepten an die Arbeit. So wie Alexander Dobrindt, der in der neuen Bundesregierung den Innenminister spielt.
Und nun mit einem immensen Aufwand an den Grenzen die Zurückweisung von „illegalen“ Asylsuchenden durch die Bundespolizei initiiert hat. Ein Vorgehen, das der „Spiegel“ schon am 16. Mai als sehr riskant bezeichnet hat. „Er setzt auf rechtlich umstrittene Zurückweisungen an den Grenzen. Sein Vorgehen erinnert an frühere Aktionen als Verkehrsminister“, hieß es dort.
Dass die Aktion eine maximale Überforderung für die Bundespolizei sein würde, war absehbar. Für dauerhafte Grenzkontrollen in diesem Ausmaß ist diese überhaupt nicht ausgerüstet und bemannt.
Aber beim sächsischen Innenminister Armin Schuster löste die Aktion regelrechte Freudensprünge aus. Zu den am 28. Mai in Berlin im Bundeskabinett beschlossenen Migrationsplänen und dem Gesetzesentwurf zur Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten sagte er: „Für die Begrenzung der irregulären Migration habe ich gegenüber der Ampel von Beginn an ein breites Maßnahmenbündel eingefordert, zu dem auch der Stopp des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte zählte.
Endlich wird dieser wichtige Baustein für eine spürbare Wende in der Migrationspolitik umgesetzt. Ich begrüße die Initiative des Bundesinnenministers, die im Verbund mit den anderen Maßnahmen wie verstärkte Grenzkontrollen mit Zurückweisungen oder dem Stopp von Aufnahmeprogrammen die in den Kommunen dringend benötigte Entlastung bringen wird.“
Kennen die Innenminister die Zahlen nicht?
Aber entweder kann Sachsens Innenminister nicht rechnen oder er ignorierte die Zahlen, die den Innenministern alle vorliegen. Und die sich jetzt mit Dobrindts Zurückweisungs-Aktion wieder bestätigt haben: Der „Zustrom“ von Migranten illegal über die Grenzen ist ein Märchen, mit dem Politik gemacht wird, das aber mit der Realität nichts zu tun hat.
So wie die „Zeit“ nun in Auswertung der ersten Ergebnisse der Grenzkontrollen feststellte: „Dabei ist die Grenzpolizei seit Mai auf 11.000 Beamte aufgestockt, 3.000 weitere will Dobrindt noch schicken. Zwar ist die Zahl der Zurückweisungen in der ersten Woche der neuen Regierung um 45 Prozent auf 739 Fälle gestiegen. Aber nur 32 davon waren Asylsuchende. Zeitgleich beantragten beim Migrationsamt des Bundes mehr als 1.500 Personen Asyl – Menschen also, die den Grenzern größtenteils durch die Lappen gegangen sein dürften.
Und dafür streicht die Bundespolizei derzeit sämtliche Fortbildungszeiten und lässt die Beamten jede Menge Überstunden anhäufen?“
Das eigentlich Problem: die Finanzlage der Kommunen
Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Nutzen, sorgt aber für eine zunehmende Überlastung der Bundespolizei. Während gleichzeitig die Zahl der Flüchtlinge Deutschland schon seit Monaten gesunken ist. Das eigentliche Problem sind nicht die nach Deutschland migrierenden Menschen, sondern es ist die Unterfinanzierung der Kommunen, die letztlich Unterbringung und Integration der asylsuchenden Menschen organisieren müssen.
Leipzigs OBM und aktueller Präsident des Deutschen Städtetages Burkhard Jung sagte zu dem Thema: „Auch die kommunalen Sozialausgaben, auf die wir kaum Einfluss haben, laufen uns davon. Wir erleben zweistellige Zuwachsraten jedes Jahr. Bei den Kommunen liegt etwa ein Viertel der gesamtstaatlichen Aufgaben, sie haben aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen.
Deshalb ist klar, wir brauchen einen größeren Anteil von den Gemeinschaftssteuern, zum Beispiel der Umsatzsteuer, denn wir müssen aus der strukturellen Unterfinanzierung raus. Und wenn die neue Bundesregierung und die Länder Steuererleichterungen auf den Weg bringen, müssen die Einnahmeausfälle der Kommunen komplett ausgeglichen werden.“
Aber stattdessen versucht es die neue Regierung mit Placebo-Politik gegen Migranten. Eine Lösung für die desolate Finanzlage gerade in den deutschen Kommunen aber hat die Merz-Regierung bislang nicht vorgelegt. Im Gegenteil: Der neue Finanzminister Lars Klingbeil plant weitere Steuerentlastungen insbesondere für Unternehmen, die letztlich die Einnahmesituation der Städte noch weiter zu verschlechtern drohen. Das kann ziemlich schnell ziemlich schiefgehen und die Lage der Kommunen in Deutschland dramatisch verschärfen.