Die Polen haben am Sonntag mehrheitlich einen Mann zum Präsidenten gewählt, der zu einer Abrissbirne für die Europäische Union werden könnte: Karol Nawrocki ist überzeugter Deutschland- und EU-Skeptiker. Er teilt mehr Werte und Ansichten mit dem ungarischen Machthaber Orban als mit dem deutschen Kanzler Merz. Viele Polen sehen in ihm gerade deshalb einen Hoffnungsträger für ihr Land. Für das geeinte Europa ist das Votum unserer Nachbarn eine Ohrfeige. Sie kommt nicht aus dem Nichts, trifft uns aber schallend.
Nun ist gerade Deutschland gut beraten, Polen keine Ratschläge in Sachen Demokratie zu geben. Waren es doch Hitlers Nazis, die die Nachbarn im Osten überfallen und damit den Zweiten Weltkrieg gestartet haben. Viele Polen haben die Stärke gefunden, uns zu vergeben, wieder Vertrauen zu schenken. Viele Polen tragen aber neben den alten auch ganz neue Wunden in sich. Die Öffnung hin zum Westen war für sie wie ein Versprechen. Auf dass ihr Land im Verbund mit den Freunden gleichermaßen Wohlstand und Frieden genießen könne. Mittlerweile scheint eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Polen daran zumindest Zweifel zu hegen. Auch das haben einige mit ihrer Wahl zum Ausdruck gebracht.
Polen entfremdet sich
Die Polen entfremden sich mit ihrem Votum weiter von der EU. Nach den für Europafreunde erfreulichen Parlamentswahlen 2023, bei denen die rechtsstaatsfeindliche PiS-Partei die Mehrheit verloren hatte, wählt Polen den Protektionismus. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der Despoten ihren Machthunger stillen, in der sich die Welt neu sortiert. Und das ausgerechnet als Land, dem schon durch seine geographische Lage eine so bedeutende Rolle bei der Frage nach Krieg und Frieden zukommt.
Die EU hat Frieden versprochen. Ihre Mitgliedsstaaten haben auf Aufschwung gehofft. Der Frieden hat für viele für lange Zeit gehalten, der Aufschwung aber ist für den einen oder anderen ausgeblieben. Die Abwesenheit von Krieg macht sich nicht jede und jeder zu jeder Zeit bewusst. Die Abwesenheit von Jobs oder Geld wohl. Wer ohnehin das Gefühl hat, sich im Abschwung zu befinden, wählt im Zweifelsfall den radikalen Weg. Wer der EU, dem Staat oder auch der Globalisierung die Schuld an der eigenen Lage gibt, votiert tendenziell für jene, die all das infrage stellen.
Friedensgarant EU
Dabei ist die Europäische Union von unschätzbarem Wert. Sie ist das größte Friedensprojekt der Neuzeit. Sie hat vielen Menschen auf unserem Kontinent ein Leben ohne Krieg ermöglicht. Selbst Menschen aus Deutschland und Frankreich begegnen sich heute freundschaftlich, treffen sich zum Spielen im Kindergarten in Liederschiedt, zum Feiern auf dem Campingplatz am Stockweiher oder auch zum Einkaufsbummel im Cora in Saargemünd.
Ein friedvolles Miteinander und eine partnerschaftliche Nachbarschaft sind Werte an sich. Aber sehen auch ausreichend Europäer den Wert noch voll? Oder ist Europa aus Sicht zu vieler seinen Wert los? Die Wahl in Polen und auch der Zuspruch für die am Wochenende in Budapest miteinander feiernden Viktor Orban und Alice Weidel lassen Schlimmes befürchten. Muss die EU am Ende erst sterben, damit die EU-Bürger ihren wahren Wert erkennen?