Bernd Lange bringt so schnell nichts aus der Ruhe. In diesen Wochen wird die friesische Gelassenheit des Europaabgeordneten allerdings auf eine harte Probe gestellt.

Zum wiederholten Male ist der Vorsitzende des Handelsausschusses des Europaparlaments mit einer Delegation in die USA gereist, um nach einem Lösungsweg im Zollstreit mit Donald Trump zu suchen. Doch erneut kehrte Bernd Lange mit leeren Händen zurück. „Es ist sehr schwierig, wirklich greifbare Ergebnisse zu erzielen“, räumt der gebürtige Oldenburger ein, „im Moment ist ja alles im Fluss.“

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Das ist eine eher diplomatische Umschreibung für des wilde Hin und Her bei den Gesprächen.

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50 Prozent Zölle ab Mittwoch

In der EU hatte sich zuletzt die Hoffnung breitgemacht, doch noch auf dem Verhandlungsweg eine weitere Eskalation des Zollkonfliktes vermeiden zu können.

Knut Krohn berichtet seit Ende 2021 aus Brüssel über die Europäische Union und die Nato. Zuvor arbeitete er als Korrespondent in Paris, Warschau, Rom und Moskau.

Dann aber brachte US-Präsident Donald Trump jüngst unvermittelt für Anfang Juni eine neue drastische Zollerhöhung ins Spiel – nur, um diese Drohung nach einem Gespräch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen überraschend wieder zurückzuziehen.

Aber kaum hatte Trump den Hörer aufgelegt, kündigte er eine Verdopplung der bereits bestehenden Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte von 25 auf 50 Prozent an. Die neuen Sätze sollen demnach schon ab kommenden Mittwoch (4. Juni) gelten.

Zölle seien sein „Lieblingswort“, sagt US-Präsident Donald Trump.

© AFP/Brendan Smialowski

Bernd Lange nimmt diese neue Drohung überraschend gelassen. „Ich glaube, da ist auch viel Theaterdonner mit dabei“, sagt der SPD-Politiker. „Das hat wenig mit Realismus zu tun“, zumal die rechtliche Basis für solch einen drastischen Schritt unsicher sei.

An dieser Stelle zeigt sich allerdings ein Problem: Während sich die EU immer wieder auf die geltenden Gesetze beruft, kümmert die Rechtslage den US-Präsidenten offenbar herzlich wenig. Allerdings laufen wegen der Rechtmäßigkeit vieler Zölle aktuell verschiedene Prozesse, in denen noch keine endgültigen Entscheidungen gefallen sind.

„Donald Trump ist ein Bullshitter“ Wie der US-Präsident mit seinen Lügen erfolgreich ist

Trump hat bereits klargemacht, dass er diesen Streit nötigenfalls bis vors Oberste Gericht bringen will, den Supreme Court in Washington. Der Präsident selbst hat die Stimmenmehrheit der neun Richterinnen und Richter an dem Gericht während seiner ersten Amtszeit mit mehreren Nachbesetzungen weit nach rechts verschoben.

Lage auch für US-Firmen schwierig

Bernd Lange betont, dass auch in den USA das wankelmütige Agieren des Präsidenten mit großer Sorge beobachtet wird. „Ich habe bei den Besuchen mit vielen Gouverneuren und Senatoren, auch von den Republikanern, gesprochen, die das alles sehr kritisch sehen“, sagt der EU-Politiker.

Denn auch in deren Bundesstaaten gebe es Unternehmen, die unter der aktuellen Unsicherheit sehr leiden und deswegen schon Leute entlassen mussten. „Auch für die US-Unternehmen werden Lieferketten unterbrochen und die Kosten steigen.“

Boykott von US-Waren in Europa Spektakuläre Aktionen und wann sie wirklich funktionieren

Bei seinen Besuchen in den USA sei ihm bewusst geworden, sagt Bernd Lange, dass Donald Trump mit seiner Zollpolitik neben den beiden bekannten, noch ein drittes Ziel verfolge.

Anfangs sagte der US-Präsident, er wolle Handelsungleichgewichte korrigieren und Produktionsstandorte in den USA sichern. Der EU-Parlamentarier glaubt aber, dass „die US-Zollpolitik in einem größeren Zusammenhang mit der Haushaltspolitik steht“. Der US-Präsident habe ein Steuerpaket auf den Weg gebracht und seinen Anhängern erhebliche Steuersenkungen versprochen, erklärt Bernd Lange.

Trump will über Zölle seine Steuergeschenke finanzieren

Diese müssten aber finanziert werden, und da habe Trump die möglichen zusätzlichen Zolleinnahmen entdeckt. Die würden von aktuell rund sieben Milliarden auf etwa 100 Milliarden steigen, sollte der US-Präsident seine Vorstellungen durchsetzen. „Das ist natürlich eine sehr relevante Summe für den Haushalt“, betont Bernd Lange.

Auf Trumps Zolldrohungen reagieren die internationalen Finanzmärkte sofort, immer wieder fallen Aktienwerte.

© AFP/Timothy A. Clary

Allerdings habe er in allen Verhandlungen seinen Gesprächspartnern in Washington immer wieder gesagt, dass die Unternehmen aus Europa auf gar keinen Fall auf diesem Weg den Haushalt der USA sanieren würden.

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bis 25 Prozent betragen die im April von der EU festgelegten Gegenzölle auf US-Waren.

Immer wieder betont der SPD-Politiker, dass Europa an einer Verhandlungslösung interessiert sei und das Angebotspaket seit Wochen auf dem Tisch liege.

Im Rahmen dieses Deals könnte etwa der Import von amerikanischem Flüssiggas (LNG) erhöht werden. Zudem wäre es möglich, mehr Militärtechnik und Agrargüter aus den USA importieren und die Importzölle für US-Autos zu senken.

EU kann Gegenzölle umgehend in Kraft setzen

Sollten die USA tatsächlich den Konflikt eskalieren, ist die EU aber bereit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Aus Brüssel heißt es, dass diese Reaktion sehr schnell umgesetzt werden könne.

Die Regierungen der EU-Staaten hatten bereits im April den Weg für erste Gegenzölle zwischen 10 und 25 Prozent freigemacht. Diese könnten theoretisch umgehend in Kraft gesetzt werden und unter anderem in den USA produzierende Hersteller von Jeans, Motorrädern, Rindfleisch oder Zitrusfrüchten treffen. An weiteren Maßnahmen wird gearbeitet.

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Am Donnerstag wird auch der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz bei seinem ersten Besuch in den USA bei Donald Trump den Zollstreit ansprechen.

Ein Verhandlungsmandat hat der Regierungschef nicht, aber als Chef des wirtschaftsstärksten europäischen Landes kann er durchaus Impulse setzen. Eine Botschaft dürfte er in die Gespräche einbringen: Ein Handelskrieg würde nicht nur Europa, sondern auch den USA schaden.