Der Migrationsbeirat fürchtet um seine Bedeutung – und seine Legitimation. Das Gremium hatte bei der vergangenen Wahl im Jahr 2023 nur 3,1 Prozent Wahlbeteiligung erreicht. Das ist sehr wenig für eine Stadt, in der nahezu die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger einen Migrationshintergrund hat.

Doch wie das Interesse anheben? Die große Hoffnung war schon in Sicht: Die nächste Wahl des Migrationsbeirats sollte zeitgleich mit der allgemeinen Kommunalwahl am 8. März 2026 stattfinden. Davon versprach sich der Migrationsbeirat eine deutlich höhere Beteiligung. Doch diese Hoffnung wird nun enttäuscht: Der Stadtrat beschloss vergangene Woche, die Wahl des Migrationsbeirats von der Kommunalwahl abzukoppeln und in den Herbst zu verlegen. Als neuer Termin steht nun der 22. November 2026 fest.

Eine nochmalige Wende scheint aussichtslos. Selbst wenn sich der politische Wille der Mehrheit im Stadtrat ändern sollte, ist es für die Änderung der Wahlordnung bereits zu spät. Der Migrationsbeirat will seinen Ärger über die Entscheidung trotzdem kundtun. „Wir sind empört“, sagt Klara Schinnerl. Sie ist Mitglied bei „Die Partei“ in München und gehört dem Migrationsbeirat für die Liste „München Vielfältig und Solidarisch“ an. Mit der Verlegung der Wahl seien sie und mit ihnen die große Mehrheit des Migrationsbeirats nicht einverstanden, so Schinnerl und zwei weitere Mitglieder des Migrationsbeirats bei einer Pressekonferenz im Rathaus.

Der Stadtrat nehme in Kauf, „dass der Migrationsbeirat seine demokratische Legitimität verliert“, so Andrei Yagoubov, ein weiteres Mitglied im Beirat und außerdem Vorstandsmitglied des Linken-Kreisverbands München. Es bestehe die Angst, dass der Beirat mittelfristig abgeschafft werden könnte. Je weniger der Migrationsbeirat in der Politik wahrgenommen werde, desto weniger zähle auch die Perspektive der Migrantinnen und Migranten in der Politik, fürchtet der stellvertretende Vorsitzende Arif Abdullah Haidary.

Der Hauptgrund für die Entkopplung der Wahl des Migrationsbeirats von der Kommunalwahl sind die Kosten. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hatte berechnet, wie viel die Stadt zusätzlich ausgeben würde, wenn die Wahlen am selben Tag stattfinden: rund 800 000 Euro Sachkosten, darunter etwa die Anschaffung von zusätzlichen Wahlurnen oder die Entschädigung von zusätzlichen Wahlhelfern. Hinzu kämen rund 688 000 Euro Personalkosten für 8,5 befristete Stellen im KVR.

Die Verschiebung führt dazu, dass die Wahl des Migrationsbeirats im November 2026 nun laut Berechnungen der Behörde insgesamt 911 000 Euro kosten soll. Findet der Termin nach Mitte September statt, fallen auch die zusätzlichen Personalkosten komplett weg. So erklärt sich die Verschiebung in den Herbst. Die Stadt spart sich mit der Entscheidung also etwa 570 000 Euro.

Zusätzlich dürfte die Beobachtung des Wahl-Chaos in Berlin im vergangenen Jahr eine Rolle gespielt haben. Damals fanden parallel zur Bundestagswahl mehrere Lokalwahlen und ein Volksentscheid statt, dies führte zu Fehlern – und Teile der Wahlen mussten letztlich wiederholt werden.

„Verhältnisse wie nach der chaotischen Wahl in Berlin müssen auf jeden Fall vermieden werden“, sagt Nimet Gökmenoğlu, kreisverwaltungspolitische Sprecherin der Fraktion Grüne/Rosa Liste im Rathaus. Das bayerische Innenministerium habe davor gewarnt, beide Wahlen parallel stattfinden zu lassen und rechtliche Bedenken angemeldet, sagt sie. Der Entschluss zur Verschiebung folgte „einem langen Prozess der Abwägung“. Natürlich sei ihnen der Migrationsbeirat weiterhin wichtig, betont Gökmenoğlu.

Ein gemeinsamer Wahltermin treibt die Kosten hoch

Ein gemeinsamer Wahltermin möge zwar gut klingen, sagt SPD-Stadträtin Micky Wenngatz, jedoch führe er zu einer zusätzlichen Belastung. „Die Wahlen müssen aus rechtlichen Gründen getrennt durchgeführt werden, man braucht getrennte Wahlvorstände, getrennte Wahlräume, getrennte Organisation. Das ist keine Synergie, das ist eine Doppelbelastung und treibt die Kosten extrem in die Höhe“, so Wenngatz. „Mit der Verschiebung können wir uns auf die jeweilig einzelnen Wahlen konzentrieren und sparen nebenbei viel Geld.“

Der Sprecher der CSU/FW-Fraktion für Verwaltung, Personal und Organisation, Leo Agerer, sagt, dass sich alle Stadtratsfraktionen den Kopf zerbrochen und verschiedene Optionen durchgespielt hätten. Man habe gemeinsam einen Fragenkatalog ans KVR geschickt, um nochmals alle Details durchzugehen. „Es war keine leichte Entscheidung.“

Die letztlich geringe Einsparung von unter einer Million Euro kritisiert die Fraktion Die Linke/Die Partei. Die Verschiebung aufgrund dieser geringen Kosten sei „skandalös“, so der migrationspolitische Sprecher Thomas Lechner. Er kritisiert, dass der Migrationsbeirat selbst zu wenig in die Debatte eingebunden worden sei. Etwa 200 000 Personen in München seien betroffen, sie erführen durch die Verschiebung „keinerlei Partizipation bei den Kommunalwahlen“. Dadurch würden „die Bemühungen um eine verstärkte Integration von Geflüchteten ausgehöhlt“.