Stand: 03.06.2025 08:42 Uhr
Menschen mit Behinderungen haben künstlerische Begabungen wie alle anderen Menschen auch, nur: man erlebt sie selten. Das will das inklusive Theaterfestival Klatschmohn in Hannover ändern.
23 Gruppen aus Schulen, Fördereinrichtungen und inklusiven Initiativen stehen in Hannover mit Sprech-, Musik- und Tanztheater auf der Bühne. Eröffnet wurde das Festival mit dem Stück „Der Bärenhäuter“ der Theater-Gruppe Mixed Pickles aus Lübeck im Pavillon. Die Bühne ist dunkel und darauf steht eine charmante Erzählerin in schwarz und acht junge Erwachsene, die behaupten, der Bärenhäuter zu sein.
Johann Slotty: Ich spiele den Bärenhäuter. Maik Grabbert: Ich bin auch der Bärenhäuter. Johann Slotty: Ich habe einen Mantel und der Mantel ist voller Haare. Und ich darf ihn nicht waschen und meine Fußnägel nicht schneiden lassen. Maik Grabbert: Ich habe überall Stacheln dran.
Inklusives Theater zeigt Vielfalt auf der Bühne mit Sprech-, Musik- und Tanztheater.
Im Märchen der Gebrüder Grimm geht es um einen jungen Mann, der aus Not einen Pakt mit dem Teufel schließt. Wenn er sich sieben Jahre lang nicht pflegt, ist er frei. Bei den Mixed Pickles aus Lübeck wird das zum munteren Spiel mit Pantomime, Verwechslung und Slapstick um die Seelennöte des Bärenhäuters, der immer ungepflegter wird. Ausgrenzung ist hier ein zentrales Thema, sagt Spielleiterin Charlotte Baumgarth. „Es gibt zum Beispiel einen Monolog von einer jungen Frau, und die beschreibt sehr schön, wie es sich anfühlt, wenn man keine Freunde hat.“
Stücke handeln von Selbstbewusstsein
„Sagenhaft und bärenstark“ ist das Motto des inklusiven Theaterfestivals Klatschmohn in diesem Jahr. Das drücken auch die Titel der Theaterstücke aus: „Gemeinsam sind wir stark und bunt“, „Magie der Mutigen“ oder „Welten bewegen“. Sie handeln von Selbstermächtigung und Selbstbewusstsein, sagt Veranstalterin Anja Neideck. „Ich sehe, dass es eine Entwicklung gibt. Es gibt viele Gruppen, die autonomer arbeiten, Menschen mit Behinderungen konzipieren mehr an dem Stück mit.“ In den vergangenen Jahren habe sich mehr Autonomie eingestellt, beobachtet die Veranstalterin.
Geräusche erfahren – nicht für jeden angenehm
Aus einem kleinen Theaterraum strömt unterdessen das Publikum. „Still Leben“ heißen Workshop und Rauminstallation des Kollektivs „beYond buntHus“. Rauschen, Knistern und Knacken wechseln sich mit stillen Momenten ab. Für die 22-Jährige Vanessa Unruh ist beides eine Herausforderung. „Ich höre Geräusche dreimal lauter als ein normales Gehör und darum ist es anstrengender für mich, laute Geräusche zu hören, auch die kleinsten und zierlichsten Geräusche höre ich schon sehr laut.“ Deshalb sei auch die Stille anstrengend, sagt sie: „weil ich Herzklopfen und das Rauschen des Blutes höre.“
Gemeinsam voneinander lernen
Mädchen mit Pompoms bei einer Aufführung beim inklusiven Theaterfestival „Klatschmohn“ im Jahr 2022
Die Sonderpädagogin Bärbel Cruz Portela hingegen mag die Stille. Beide gehören zu einer Gruppe von Menschen mit und ohne Autismus. Der Besuch des Klatschmohn-Festivals ist für sie eine heilpädagogische Fördermaßnahme. „Wir kommen gemeinsam, um uns im Anschluss auszutauschen und um mehr voneinander zu erfahren. Das bringt uns gegenseitig weiter, sodass wir wissen, was kann störend oder anstrengend sein.“ Aber sie sind vor allem beim Festival, um gemeinsam Spaß zu haben.
Fotoausstellung mit emotionalen Themen
Es gibt außerdem eine Fotoausstellung von Menschen mit Behinderung. Künstlerisch hat die 20-Jährige Franziska Kamping ein Graffiti von bunten Geistern neben einer Überwachungskamera fotografiert. Ein anderes Foto zeigt eine hellblaue Fläche. Das sei ein Foto vom Himmel, der habe eine Bedeutung für sie. „Mein Opa ist schon gestorben, deshalb habe ich den Himmel fotografiert.“ Das Blau für den Opa, Geräusche erfahren und dem Tod auf der Bühne von der Schippe springen. Das inklusive Theaterfestival Klatschmohn in Hannover ist ein vielfältiges Festival, dessen Aufführungen am Eröffnungsabend viel Applaus erhalten haben.
Weitere Informationen
Induktionsschleifen, Smartglasses und Bluetooth-Übertragungen – ein Überblick, was Kultureinrichtungen im Norden möglich machen.
mehr
4 Min
Bei „Hand in Hand für eine inklusive Stadt Schwaan“ erhalten Jugendliche Einblicke in die Erfahrungen von Menschen mit Behinderung.
4 Min
3 Min
Das Klinikum schließt damit eine Versorgungslücke für erwachsene Patientinnen und Patienten mit Mehrfachbehinderungen.
3 Min
Dieses Thema im Programm:
NDR Kultur |
Der Morgen |
03.06.2025 | 09:40 Uhr