Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Polen ist ein Schock für alle Pro-Europäer, anders lässt sich der Sieg des rechtsnationalen Karol Nawrocki nicht einordnen. Und er zeigt, wie tief gespalten das Land ist: Nawrocki hat die Stichwahl mit 50,89 Prozent der Stimmen gegen den Warschauer Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski gewonnen.
Nawrocki, ein ehemaliger Hooligan und Boxer, der im Wahlkampf hemmungslos gegen Frauen, Zuwanderer und die EU hetzte, leitet aktuell noch das Institut für Nationales Gedenken. Das Institut hat die rechtsnationalistische früherer Regierungspartei PiS für sich vereinnahmt, deren Kandidat Nawrocki war.
Nach Wahlsieg von Rechtsnationalist Polens Regierungschef Tusk will Vertrauensfrage stellen
Während die PiS zu Regierungszeiten noch fest an der Seite der Ukraine und gegen den Angreifer Russland stand, hat Nawrocki im Wahlkampf nun heftig Stimmung gegen Geflüchtete aus dem Nachbarland gemacht. Zudem stellt er sich gegen dessen Nato-Beitritt.
Was bedeutet der Sieg des Rechtsnationalisten nun für die Achse Warschau-Berlin-Paris? Das haben wir Experten für unsere Rubrik „3 auf 1“ gefragt. Ihre Einschätzung lesen Sie hier:
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Ein Stoß ins Herz der europäischen Sicherheitspolitik
Karolina Wigura ist polnische Soziologin und Senior Fellow am Zentrum Liberale Moderne. Sie sagt: Der Wahlsieg von Karol Nawrocki wird Spaltung, lautstarke Auseinandersetzungen und außenpolitisches Chaos ins Land bringen.
Weimarer Dreieck: Berlin, Paris und Warschau. Vielleicht sogar ein Weimarer Viereck – mit Kyjiw als weiterem Partner. So stellen sich viele das Herz einer neuen europäischen Sicherheitspolitik vor.
In einer unter Donald Trump sich rasant verändernden geopolitischen Ordnung, in der sich die USA vom Verteidiger des Selbstbestimmungsrechts der Völker zu einem Verteidiger der Doktrin gewandelt haben, dass Neo-Imperien Grenzen nach eigenem Gutdünken verschieben dürfen, klang die proeuropäische Linie Polens besonders deutlich.
Der Wahlsieg von Karol Nawrocki zum Präsidenten Polens wird diesen klaren pro-europäischen Kurs Warschaus destabilisieren und Spaltung, lautstarke Auseinandersetzungen und außenpolitisches Chaos in das Land bringen.
Präsidentenwahl in Polen „Die politische Zukunft steht auf dem Spiel“
Gemäß der polnischen Verfassung ist der Ministerrat die zentrale politische Instanz für die Außenpolitik – doch auch der Präsident spielt dabei eine bedeutende Rolle. Die Äußerungen des designierten Präsidenten während des Wahlkampfs – darunter seine Ablehnung eines EU- und Nato-Beitritts der Ukraine sowie die Schuldzuweisungen an Berlin für illegale Migration nach Polen – geben einen deutlichen Hinweis darauf, welchen Kurs seine Außenpolitik einschlagen wird, wenn er Ende August oder Anfang September in den Präsidentenpalast einzieht.
Donald Trump hat Karol Nawrocki unterstützt
Nicolai von Ondarza Nicolai von Ondarza ist Forschungsgruppenleiter Europa bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Er sagt:
Karol Nawrockis Wahlsieg erschwert Polens Verhältnis zur EU und zu westeuropäischen Partnern. Der Präsident vertritt Polen zwar nicht in Brüssel, kann aber Gesetze stoppen und so die Agenda verschieben.
Drei Punkte sind zentral: Erstens dürfte Nawrocki – wie schon sein Vorgänger Andrzej Duda – die Justizreformen von Premierminister Donald Tusk blockieren. Die EU‑Kommission, die das Rechtsstaatsverfahren gegen Polen nach Tusks Zusagen aussetzte, gerät nun in Erklärungsnot. Zweitens setzte Berlin auf Polen als Mitgestalter des Weimar‑Formats. Nach der Niederlage seines Kandidaten muss Premier Tusk sich stärker aufs Inland fokussieren und wird in Brüssel wie gegenüber Deutschland härter auftreten. Nawrocki hingegen sieht die EU als notwendiges Übel und hat im Wahlkampf mit Blockaden bei der Umsetzung von EU-Politik etwa in der Energie- oder Migrationspolitik gedroht.
Präsidentschaftswahl offenbart Generationenkonflikt „Polens Rechte erfährt erhebliche Unterstützung“
Drittens steht Nawrocki außen‑ und sicherheitspolitisch scharf transatlantisch. Im Wahlkampf flankiert von Donald Trump, lehnt er eine engere europäische Verteidigung ab. Auch bei der Ukraine‑Hilfe orientiert er sich eher an Trumps kritischer Linie als an den EU‑Partnern.
Friedrich Merz und Emmanuel Macron sollten Donald Tusk helfen
Peter Oliver Loew ist Historiker und Direktor des Deutschen Polen-Instituts. Er sagt: Nawrocki und die ihn unterstützende Regierung von Donald Trump würden wohl am liebsten das Ende des liberalen Europas einläuten.
Der Wahlsieg Karol Nawrockis macht die Zusammenarbeit im Format des Weimarer Dreiecks nicht einfacher. Die polnischen Konservativen hegen große Skepsis gegenüber den Führungsansprüchen Deutschlands und Frankreichs in Europa. Nawrocki und die ihn unterstützende Regierung von Donald Trump würden wohl am liebsten das Ende des liberalen Europas einläuten. Allerdings hat Ministerpräsident Donald Tusk immer noch das Heft des außenpolitischen Handelns in der Hand.
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Es wäre sehr begrüßenswert, wenn Tusk sich nun über die innenpolitisch begründete Zurückhaltung der letzten anderthalb Jahre hinwegsetzen würde, um die Chance zu nutzen, gemeinsam mit Paris und Berlin zu agieren.
Eigentlich hat er jetzt nichts mehr zu verlieren – und nur eine Regierung, die authentisch zu ihren Werten steht, wird Wählerinnen und Wähler überzeugen können. Friedrich Merz und Emmanuel Macron sollten ihm dabei helfen, denn auch ihnen hilft gute, lösungsorientierte Sachpolitik zusammen mit einem Polen, das als Partner auf Augenhöhe behandelt wird.