Bundesaußenminister Johann Wadephul warnt vor dem geplanten Treffen von Bundeskanzler Friedrich Merz (beide CDU) mit US-Präsident Donald Trump in Washington vor einer Vertrauenskrise zwischen Deutschland und den USA. In einer Grundsatzrede rief Wadephul dennoch dazu auf, am Erhalt guter Beziehungen zu den USA zu arbeiten. Deutschland müsse sich darum bemühen, „Brückenbauer im transatlantischen Verhältnis“ zu sein, sagte Wadephul bei einer Veranstaltung in Berlin. 

Zum aktuellen Stand der Beziehungen sagte der Minister laut Redetext: „Der Ton ist so rau wie lange nicht.“ Über den Kurs der Trump-Regierung zeigte er sich besorgt und ernüchtert. Er wolle „nicht herunterspielen, dass es seit dem Amtsantritt von Trumps Regierung im Januar nicht nur einen neuen Stil im Umgang miteinander oder mit anderen Bündnispartnern gibt, der irritierend ist und viele von uns verunsichert“, sagte Wadephul. Vielmehr seien „bei einer ganzen Reihe von Themen Äußerungen und auch Handlungen zu sehen, die gegen grundlegende Fundamente unseres Miteinanders gerichtet scheinen“.

Als Beispiele nannte der Außenminister Vorwürfe der US-Regierung, dass die Meinungsfreiheit in der EU in Gefahr sei, sowie Zweifel am demokratischen Charakter der europäischen Gesellschaften und „offene Einflussnahmen für bestimmte politische Parteien“. Wadephul fügte hinzu: „Diese Entwicklungen sehen wir mit großer Besorgnis und ohne Naivität.“

Zwar habe es auch in den vorangegangenen Jahrzehnten immer wieder transatlantische Debatten gegeben – etwa über die Verteilung der Verteidigungslasten und über Handelsfragen. Die jüngsten „Meinungsverschiedenheiten, Irritationen, auch manchmal tiefe Verunsicherungen“ wirkten allerdings „tiefgehender, grundsätzlicher, gefährlicher“, sagte Wadephul. „Und ja, wir erleben tiefgreifende Veränderungen in den USA selbst, mit unbekanntem Ausgang.“

„Wir müssen diese Sturmphase aushalten“

Man dürfe aber „nicht in Panik verfallen“, sagte der CDU-Politiker weiter. „Sondern wir müssen diese Sturmphase aushalten, indem wir uns zunächst auf unsere eigenen Interessen besinnen.“ Das bedeute auch, dass Deutschland seine Verteidigungsfähigkeit stärken, seine Handelsinteressen wahren sowie sein „Verständnis von Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit formulieren“ müsse.

© Lea Dohle

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Deutschland müsse sich „aktiv dafür einsetzen, dass unsere einzigartige Bande bestehen bleibt“, sagte Wadephul. Europa könne ein „starker und verlässlicher Partner“ der USA im Umgang etwa mit Russland und China sein. Der Minister bekannte sich erneut zu dem von den USA ausgegebenen Ziel, fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Dies werde dazu führen, „dass wir zu einer ausgeglicheneren Lastenteilung bei der europäischen Verteidigung kommen“.

Auch der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter dämpfte die Erwartungen an Merz‘ Antrittsbesuch bei Trump. Er selbst „erwarte kein sensationelles
Ergebnis“, sagte er dem
RedaktionsNetzwerk Deutschland. Die USA unter Trump hätten „definitiv die
Seiten gewechselt“ und „weniger Interesse an Europas Sicherheit als bisher oder an der
internationalen regelbasierten Ordnung, sondern sind ins ‚Team
Multipolarität‘ gewechselt“. Ein Ziel des Merz-Besuchs sei die Verschärfung der US-Sanktionen gegen Russland, sagte Kiesewetter. Grundsätzlich aber sei in diesem ersten Gespräch zwischen Merz und Trump „ein persönlicher Draht das Wichtigste“.

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Treffen zwischen Merz und Trump am Donnerstag

Bundesaußenminister Wadephul, der in der vergangenen Woche selbst in der US-Hauptstadt Washington zu Besuch war, bewertete die Gespräche mit seinem amerikanischen Amtskollegen Marco Rubio als positives Signal: „Sie haben mich zuversichtlich gemacht, dass wir auch in Fragen, in denen uns Meinungsverschiedenheiten trennen, zu Einigungen im beiderseitigen Interesse kommen können.“

Er selbst habe ein „Urvertrauen in unsere transatlantische Partnerschaft“, sagte Wadephul. „Doch die letzten Monate haben uns auch gezeigt, dass diese Zukunft nicht selbstverständlich ist.“ Er vertraue aber darauf, dass das transatlantische Bündnis gewahrt werden könne – „ohne Naivität und Illusionen“.

Merz reist am Mittwoch in die USA und wird am Donnerstag mit Trump im Weißen Haus sprechen. Der Kanzler hatte im Wahlkampf die Einmischung der US-Regierung in die deutsche Innenpolitik kritisiert. Derzeit belastet auch Trumps Androhung von dauerhaft hohen Zöllen auf Importe von EU-Waren das Verhältnis. Mit Blick auf den Ukrainekrieg ringt Merz zusammen mit anderen europäischen Regierungschefs um eine gemeinsame Haltung mit den USA gegenüber Russland. Beobachter fürchten, dass Merz im Weißen Haus eine ähnlich unfreundliche Behandlung wie jüngst der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erfahren könnte.