Mehr als 200 neue Mietwohnungen schaffen dringend benötigten Wohnraum im Herzen Berlins. Doch trotz der sozialen Zielsetzung reißt die Kritik an der Architektur des Neubaus an der Fischerinsel nicht ab und wirft eine grundlegende Frage auf: Schließen sich funktionaler Wohnraum und gestalterischer Anspruch wirklich aus?

Im Innenhof des neu errichteten WBM-Wohngebäudes an der Fischerinsel, Ecke Mühlendamm, sind mehrere Sportgeräte installiert, die den Bewohnerinnen und Bewohnern zur freien Nutzung zur Verfügung stehen. /  © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

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Mit dem Neubau an der Fischerinsel hat die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft WBM ein lange diskutiertes Bauvorhaben abgeschlossen. Entstanden sind 210 Mietwohnungen in direkter Nähe zum Mühlendamm und dem Petriplatz, also im Herzen von Berlin-Mitte. Gleichzeitig vermietet die WBM im selben Gebäude 42 möblierte Business-Apartments, für die laut Tagesspiegel teils knapp 30 Euro Warmmiete pro Quadratmeter fällig werden.

Hinzu kommen sieben möblierte Apartments für Studierende, die sich die benachbarte private Hochschule ESMT frühzeitig gesichert hat, trotz einer Pauschalmiete von rund 700 Euro pro Monat beziehungsweise 20 Euro pro Quadratmeter. Zwar wurde mit dem Projekt dringend benötigter Wohnraum in einer gefragten Lage geschaffen, doch architektonisch kommt es nicht bei allen gut an.

Nach öffentlichem Protest: Hochhausentwurf verworfen, niedriger Neubau an der Fischerinsel realisiert

Der Neubau basiert auf einem Entwurf des Büros Blauraum Architekten, das erst im zweiten Anlauf beauftragt wurde. Ursprünglich hatte 2015 das Büro DMSW einen 58 Meter hohen Wohnturm geplant. Doch der Entwurf stieß auf Widerstand aus der Nachbarschaft und von Fachvereinen, die eine Bebauung in historischer Maßstäblichkeit forderten.

Nach öffentlicher Kritik und einer moderierten Beteiligungsphase wurde der Hochhausentwurf verworfen. Stattdessen entstand ein deutlich niedrigeres Gebäude, das sich in der Höhe an die Umgebung anpasst, laut Kritikerinnen und Kritikern jedoch stadtgestalterisch wenig Qualität erkennen lässt.

Gestaltung des Neubaus in der Kritik: WBM verteidigt Fokus auf bezahlbaren Wohnraum

Vor allem die Fassade entlang des Mühlendamms wird als gestalterisch enttäuschend empfunden. Zahlreiche Stimmen aus Fachöffentlichkeit und Stadtgesellschaft bemängeln eine „banale“ Gestaltung, die weder auf die historische Bedeutung des Standorts noch auf die städtebauliche Umgebung Rücksicht nehme.

Auch bei Veranstaltungen wie dem „Mitte-Festival“ äußerten Teilnehmende die Sorge, dass zukünftige Bauprojekte, etwa am nahegelegenen Molkenmarkt, ähnliche gestalterische Schwächen zeigen könnten. Die WBM hingegen betont, dass das Hauptziel des Projekts darin liege, bezahlbaren Wohnraum in zentraler Lage zu schaffen.

Sozialwohnungen, Kita, Gewerbe: Nutzungskonzept trifft auf architektonische Ernüchterung

Das neue Wohngebäude an der Fischerinsel bietet insgesamt 10.800 Quadratmeter Wohnfläche. Neben klassischen Ein- bis Vierzimmerwohnungen hat die WBM auch 49 möblierte Apartments realisiert. Einige dieser Einheiten sind als Wohngemeinschaften für Studierende vorgesehen. Im Erdgeschoss befinden sich zusätzlich fünf Gewerbeflächen sowie eine Kindertagesstätte. Die Hälfte der Wohnungen wurde mit öffentlicher Förderung errichtet und soll zu Einstiegsmieten ab 6,50 Euro pro Quadratmeter kalt vermietet werden.

Ergänzt wird das Angebot durch einen Concierge-Service, ein Komfort, der in geförderten Projekten eher ungewöhnlich ist. Doch trotz der sozialpolitischen Zielsetzung reißt die gestalterische Kritik nicht ab. Sie wirft eine grundlegende Frage auf: Schließen sich bezahlbares Wohnen und architektonischer Anspruch zwangsläufig aus? Viele hoffen, dass künftige Neubauten im historischen Zentrum zeigen, dass beides möglich ist – auch im geförderten Wohnungsbau.

An der Ecke Fischerinsel/Mühlendamm in Berlin-Mitte ist ein Neubau mit 210 Mietwohnungen entstanden, die zur Hälfte öffentlich gefördert sind. Im Erdgeschoss wurden sieben Gewerbeflächen realisiert, darunter auch eine Klein-Kita. / © Foto: ENTWICKLUNGSSTADT

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Quellen: WBM, Tagesspiegel, Berliner Zeitung