20.000 Menschen evakuiert
Um 19.19 Uhr waren die Weltkriegsbomben in Köln entschärft
04.06.2025, 21:27 Uhr
Artikel anhören
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Es ist eine Herkules-Aufgabe: In Köln müssen drei Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft werden. Dazu werden große Teile der Innenstadt gesperrt, der Verkehr erliegt und 20.000 Menschen werden in Sicherheit gebracht. Um 19.19 Uhr ist der Spuk vorbei – sogar schneller als geplant.
Leer gefegte Straßen, geschlossene Geschäfte und eine verlassene RTL-Sendezentrale: Die Kölner City hat sich durch die größte Evakuierung der Nachkriegszeit in eine Geisterstadt verwandelt. Mehr als 20.000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen. Am Abend wurden dann am Rheinufer im Stadtteil Deutz drei amerikanische Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft.
Gegen 19.19 Uhr hatten Spezialisten des Kampfmittel-Räumdienstes alle drei Bomben unschädlich gemacht – und damit schneller als erwartet: in nur rund einer statt der veranschlagten mindestens eineinhalb Stunden. Straßen und Brücken wurden nach und nach wieder freigegeben, die Anwohner konnten in ihre Wohnungen zurückkehren. Mit Verkehrsbehinderungen musste noch eine Weile gerechnet werden. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker dankte allen Beteiligten, „die die größte Evakuierungsaktion in Köln seit 1945 so herausragend professionell durchgeführt haben“.
In einem 1000-Meter-Radius rund um die Fundstelle im Stadtteil Deutz hieß es zuvor: Alle müssen raus. Betroffen waren mehrere große Unternehmen, 9 Schulen und 58 Hotels. In der Sperrzone lagen auch ein Krankenhaus, zwei Alten- und Pflegeheime, viele Museen und der Fernsehsender RTL. Auch der Bahnhof Köln-Messe/Deutz wurde gesperrt. Weil mit der Hohenzollernbrücke am Kölner Dom zudem die meistbefahrene deutsche Eisenbahnbrücke gesperrt wurde, kam der Bahnverkehr über den Rhein zum Kölner Hauptbahnhof zum Erliegen.
Eine Person verweigert Evakuierung
Lediglich ein Bewohner in der Kölner Altstadt hatte sich geweigert, seine Wohnung zu verlassen und damit den Beginn der Entschärfung verzögert. Schließlich musste auch noch eine Person in Deutz in Sicherheit gebracht werden.
Zuvor waren die Evakuierungsmaßnahmen nach Plan verlaufen. Auch drei zentrale Brücken wurden für den Verkehr gesperrt. Dann sollten sich in der gesamten Evakuierungszone nur noch zwei Experten der Kampfmittelbeseitigung aufhalten.
Seit dem Morgen wurden Straßensperren rund um den Sperrbezirk errichtet. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsamtes gingen umher und checkten, ob wirklich alles leer ist. Straße für Straße, Haus um Haus. Ein ganzes Stück Arbeit, denn die Kölner Innenstadt ist laut Ralf Mayer, Leiter des Ordnungsamtes, die am dichtesten besiedelte in ganz Europa.
Drohne überwacht den Sperrkreis
Die Feuerwehr setzte erstmals testweise eine Drohne mit Kamera ein, um zu beobachten, ob sich Menschen in der Evakuierungszone aufhalten. Die Drohne sei auch mit Wärmebildkamera und einem Lautsprecher ausgestattet, sagte ein Sprecher.
Der Fernsehsender RTL sendete vorübergehend aus dem Außenbezirk Köln-Ossendorf und aus Berlin. Die Lanxess-Arena musste einen Auftritt des Komikers Tedros „Teddy“ Teclebrhan auf Sonntag verlegen, die Philharmonie ein Konzert des WDR-Sinfonieorchesters absagen.
Paare, die im Historischen Rathaus heiraten wollten, mussten ihre Hochzeit immerhin nicht absagen – allerdings fand die Trauung im wenig glamourösen Porz statt. Standesbeamtin Manuela Beilmann wusste den Paaren den neuen Ort jedoch schmackhaft zu machen: „Hier ist der einzige Trauort, an dem sie direkt am Rhein heiraten können – mit Blick auf den Dom“, schwärmte sie im WDR.
8 Uhr, Stadtteil Deutz: Ausnahmsweise herrschte in dem rechtsrheinischen Viertel mal keine Parkplatznot. Viele Bewohner waren zu Familien oder Freunden außerhalb der Sperrzone gefahren – oft mit Notfallgepäck im Kofferraum, denn wann sie wieder in ihre Wohnungen zurückdürfen, konnte ihnen niemand sagen. „Mein Mann fährt zur Arbeit, unser Sohn geht nach der Schule zu Freunden, und ich fahre zu meinen Eltern“, sagte eine Deutzerin, die gerade die Haustür hinter sich zuzog. „Wenn es nicht anders geht, können wir da auch jeweils übernachten.“
Shuttle-Service bringt Menschen zu Sammelstellen
An Laternenpfosten wiesen Schilder den Weg zu Sammelplätzen, von denen ein Shuttle-Service Personen, die nicht anderswo unterkommen konnten, zu Sammelstellen brachte. In sozialen Medien warben einige Lokale in der Nähe speziell um Menschen, die nicht zu Hause sein durften: „Kaffeemaschine ist an und Homeoffice könnt ihr auch bei uns machen“, schrieb ein Café-Besitzer. Ein Kleingartenbesitzer bot „einen Ort zum Verweilen, auch mit Hund“ an.
Die Sperrung des Zentrums der viertgrößten Stadt Deutschlands mit insgesamt 1,1 Millionen Einwohnern strahlte weit ins Umland aus. Der Hauptbahnhof befand sich zwar nicht im Evakuierungsbereich, wurde aber mit der Sperrung der Hohenzollernbrücke vorübergehend zum Kopfbahnhof. Auch die Schifffahrt auf dem Rhein musste vorübergehend pausieren.
So wirkt der Zweite Weltkrieg auch nach über 80 Jahren immer noch in den Alltag hinein. In ganz Nordrhein-Westfalen würden pro Jahr 1500 bis 2000 Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, von den großen Kalibern so wie jetzt in Köln etwa 200 pro Jahr, sagte Kai Kulschewski, Dezernent für Kampfmittelbeseitigung bei der Bezirksregierung Düsseldorf, im WDR-„Morgenecho“.
Köln gehörte zu den am stärksten bombardierten Städten des Zweiten Weltkriegs. Der einsame schwarze Dom inmitten einer kompletten Trümmerwüste wurde weit über die Stadt hinaus zum Symbolbild für die Zerstörungen des Krieges. Und so war es an diesem Tag vermutlich emotional nicht unwichtig für die Kölnerinnen und Kölner, dass ihr geliebter Dom ganz knapp außerhalb der Sperrzone lag. Touristen und Einwohner konnten dort weiterhin ein Kerzchen anzünden.